Année politique Suisse 1975 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Hochschulen
In der Studentenpolitik ergaben sich nur noch gelegentlich Konflikte. Mehrfach wurde die Meinung geäussert, dass die gewandelte Wirtschaftslage, die damit verbundene Rezession auf dem Beschäftigungssektor und auch ein härterer Kurs der Universitätsbehörden einen gewissen Stimmungsumschwung herbeigeführt hätten. Die beobachtete Abkehr von Konfliktstrategien sei nicht nur taktischem Kalkül zuzuschreiben, sondern auch der Resignation, die sich angesichts der mageren Bilanz der studentenpolitischen Bemühungen breitgemacht habe
[46]. Auch der Zürcher Erziehungsdirektor Gilgen erklärte in einer Antwort auf eine Interpellation im Kantonsrat, welche auf die Gefahr der Errichtung einer marxistischen Gegenuniversität hinwies, dass im Vergleich zu früheren Jahren eine gewisse Beruhigung eingetreten sei ; es bestehe kein Anlass, dem Wirken extremistischer Studentengruppen eine allzu grosse Bedeutung beizumessen
[47]. Verhältnislosigkeit wurde den Zürcher Erziehungsbehörden dann allerdings im Sommer vorgeworfen, nachdem die Exekutive der Studentenschaft, der Kleine Studentenrat (KStR), zwangsweise aufgelöst worden war. Grund dafür war eine Glückwunsch- und Solidaritätsadresse des KStR an progressive südvietnamesische Studenten, deren Kampf als « das entscheidende Signal für die fortschrittliche Bewegung der Jungen und der Studenten in der Schweiz » bezeichnet wurde
[48]. Damit stand erneut die Struktur und die rechtliche Stellung der Studentenschaft zur Diskussion. In einer durch den Brief nach Hanoi ausgelösten Debatte wollte sich der Zürcher Kantonsrat noch nicht festlegen, da diese Probleme im neuen Universitätsgesetz gelöst werden sollten, dessen Behandlung bald zu erwarten war
[49]. Auch in Bern blieben diese Fragen noch in der Schwebe. Der Verwaltungsentwurf für ein neues Universitätsgesetz wurde angesichts der stark divergierenden Stellungnahmen zurückgezogen und neue überarbeitet
[50]. Disziplinarverfahren sorgten weiterhin für eine gespannte Lage
[51]. Ein « offener Brief » von 35 Berner Universitätsdozenten, die sich um eine differenzierte Stellungnahme bemühten, wurde zurückgewiesen
[52]. Die Immatrikulationspraxis des Rektorates, insbesondere ein über das Leumundzeugnis hinausgehender Selbstdeklarations-Fragebogen, der in der Folge durch andere Massnahmen ersetzt wurde, war Anlass zahlreicher Auseinandersetzungen und eines Vorstosses im Grossen Rat
[53].
[46] Ww, 18, 7.5.75 ; Tw, 145, 25.6.75 ; NZZ, 303, 31.12.75.
[47] TA, 21, 27.1.75 ; 25, 31.1.75 ; NZZ, 32, 8.2.75 ; 34, 11.2.75.
[48] Zürcher Student, Nr. 3, Juni 1975 ; NZZ, 129, 7.6.75 ; 139, 19.6.75 (Leserbrief von A. Muschg) ; 153, 5.7.75 ; 202, 2.9.75 ; TA, 135, 14.6.75.
[49] Vgl. SPJ, 1974, S. 142 ; 1973, S. 134 ; TA, 202, 2.9.75 ; 263, 12.11.75 (Dokumentation der « Interessengruppe Hochschule »). Zum geplanten Universitätsgesetz vgl. Ldb, 133, 13.6.75 ; TA, 134, 13.6.75 ; Zürcher Student, Nr. 4, Juli 1975.
[50] Vgl. SPJ, 1974, S. 142 ; Tw, 14, 18.1.75 ; Bund, 124, 1.6.75 ; 142, 22.6.75.
[51] Bund, 37, 14.2.75 ; NZ, 54, 17.2.75 ; Tw, 39, 17.2.75 ; NZZ, 53, 5.3.75.
[52] NZZ, 50, 1.3.75 ; NZ, 139, 5.5.75.
[53] Bund, 123, 30.5.75 ; 203, 1.9.75 ; 213, 12.9.75 ; Berner Student, 9/10, 22.10.75. Zum Ausschluss eines Studienbewerbers vgl. NZ, 385, 10.12.75 ; Bund, 292, 14.12.75 ; Tw, 297, 19.12.75.
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