Année politique Suisse 1975 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
Kultur
Auch in der Kulturpolitik nahmen die Auseinandersetzungen um Sparmassnahmen einen breiten Raum ein. Gefährdete Kunstinstitute konnten auf die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Massenmedien zählen und fanden vereinzelt auch Auswege aus ihren Schwierigkeiten, so beispielsweise die Wanderbühne des « Theaters für den Kanton Zürich » oder das Genfer « Théâtre de Carouge »
[1]. Über die Lage der von der Rezession stark betroffenen .Künstler hingegen verlautete wenig ; einzelne Stimmen bezeichneten sie als düster
[2].
Als wichtigste gesamtschweizerische kulturpolitische Institution gab die Stiftung
Pro Helvetia 1975 5,6 Mio Fr. aus. Da sich der Beitrag des Bundes seit 1972 unverändert auf 5,5 Mio Fr. belaufen hat, ergaben sich real gesehen beträchtliche Rückschläge in den Wirkungsmöglichkeiten. Einer Eingabe des Stiftungsrates, die um eine namhafte Erhöhung der Subvention ersuchte, konnte die Landesregierung nicht entsprechen
[3]. Nicht nur finanzielle Gründe hatte die Aufhebung der Schweizerischen Filmwochenschau, die einst als Instrument der geistigen Landesverteidigung ins Leben gerufen worden war, nun aber seit dem Aufkommen des Fernsehens zunehmend an Bedeutung verloren hatte. In den eidgenössischen Räten, welche einer entsprechenden Änderung des Filmgesetzes zustimmten, wurde den Leistungen der Wochenschau rückblickend ein hoher staats- und kulturpolitischer Wert zugesprochen.
Für die Lage der
Filmschaffenden ergaben sich insofern gewisse Erleichterungen, als nach den Ausführungen von Bundesrat H. Hürlimann ein Teil der eingesparten Mittel zusätzlich für die Filmförderung verwendet werden sollte. Dafür standen seit 1973 jährlich 2 Mio Fr. zur Verfügung, so dass die Förderungsmöglichkeiten ähnlich wie beim Nationalfonds oder bei der Stiftung Pro Helvetia real erheblich abnahmen
[4]. Die zum zehntenmal durchgeführten Solothurner Filmtage, die als Werkschau des schweizerischen Filmschaffens zu einem wichtigen kulturellen Anlass geworden sind, gaben Anlass zu Standortbestimmungen. Unverkennbar kam zum Ausdruck, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mittel wenig Spielraum bieten und sich, verglichen mit den Leistungen der Kantone und Städte für Theater und Musik, noch immer kümmerlich ausnehmen
[5]. Überdies benachteiligte die Struktur des importorientierten Schweizer Kinomarktes das einheimische Filmschaffen
[6].
In der nach wie vor auf breiter Ebene geführten
Pornografie-Diskussion setzte die Ankündigung einer Verfassungsinitiative neue Akzente. Eine in Zürich gegründete « Aktion Jugend- und Familienschutz » wollte wirksamere Bestimmungen für den Kampf gegen Pornografie und die Verherrlichung von Gewalt erreichen
[7]. In Zürich kam es zu Handgreiflichkeiten, als Feministinnen versuchten, Interessenten am Besuch des ihrer Meinung nach die Frau entwürdigenden Filmes « Histoire d'O » zu hindern
[8]. Die Auseinandersetzungen um das Divine-Light-Zentrum (DLZ) erreichten im Kanton Zürich und vor allem in Winterthur mit dem Sprengstoffanschlag auf das Haus des kantonalen Polizeidirektors J. Stucki einen neuen Höhepunkt. Der Anschlag führte zu mehreren Grosseinsätzen der Polizei und konnte bis Ende des Jahres nicht einwandfrei abgeklärt werden. Der Zürcher Regierungsrat erklärte sich im Kantonsparlament aus rechtlichen Überlegungen nicht bereit, die Namen der Mitglieder und hochgestellten Gönner des offensichtlich über grosse Mittel verfügenden Vereins zu nennen. Der Verwaltungsratspräsident der Alusuisse brach in einer öffentlichen Erklärung mit dem DLZ
[9].
[1] TA, 141, 21.6.75 ; 154, 7.7.75 ; TG, 296, 19.12.75 ; 24 Heures, 296, 20.12.75.
[2] Vat., 14, 18.1.75 ; TA, 158, 11.7.75 ; SZ, 264, 14.11.75.
[3] Pro Helvetia, Tätigkeitsbericht 1974, S. 5 ff. ; Vat., 296, 20.12.75.
[4] BBI, 1975, I, Nr. 12, S. 991 ; Amtl. Bull. NR, 1975, S. 753, 1033 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 252, 472 ; TG, 28, 4.2.75 ; NZZ, 134, 13.6.75.
[5] Bund, 8, 12.1.75 ; 202, 31.8.75 ; NZZ, 19, 24.1.75 ; 31, 7.2.75 ; Vat., 25, 31.1.75 ; VO, 203, 3.9.75.
[6] Ww, 5, 5.2.75 ; Tw, 37, 14.2.75 ; TA, 133, 12.6.75 ; TG, 209, 8.9.75 ; 210, 9.9.75.
[7] LNN, 215, 17.9.75 ; Ww, 47, 26.11.75 ; Einzelne Fälle : 24 Heures, 59, 12.3.75 ; BZ, 159, 13.6.75 ; 171, 26.6.75 ; TLM, 192, 11.7.75 ; TG, 205, 3.9.75. Zur Initiative vgl. NZ, 368, 25.11.75.
[8] TA, 261, 10.11.75 ; 302, 30.12.75 ; AZ, 25, 31.1.76.
[9] Ldb, 53, 6.3.75 ; 275, 27.11.75 ; 285, 9.12.75 ; NZZ, 73, 29.3.75 ; 277, 28.11.75 ; TA, 128, 6.6.75 ; 237, 13.10.75 ; Presse ab 9.10.75 ; Ww, 41, 15.10.75.
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