Année politique Suisse 1976 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
Die Arbeiten an der Totalrevision der Bundesverfassung trugen radikalen Konzeptionen keine Rechnung, waren aber bestrebt, eine schrittweise Anpassung des Staates an die sich wandelnden Verhältnisse zu erleichtern. Die erste Lesung der drei Teilentwürfe im Plenum kam im wesentlichen zum Abschluss. Soweit das Ergebnis bekannt geworden ist — die anfänglich betonte Informationsbereitschaft der Kommission blieb beschränkt — tendiert es mehr zu Offenheit als zu scharfen Abgrenzungen : zwischen Staat und Wirtschaft, Bund und Kantonen oder einzelnen staatlichen Organen wird eher eine sachbezogene Partnerschaft als eine strenge Teilung der Kompetenzbereiche vorgesehen. So formuliert der Entwurf neben Individualrechten auch Sozialrechte, verbindet die Eigentumsgarantie mit Eigentumsbeschränkung, die Marktwirtschaft mit Sozialpflichtigkeit und begründet für die meisten Staatsaufgaben Verantwortlichkeiten des Bundes wie der Kantone, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht. Dadurch sollen die Innovationsprozesse tunlichst aus der lähmenden Doppelstufigkeit von Verfassungs- und Gesetzgebung befreit werden ; zugleich bietet die sog. Einheitsinitiative den Behörden die Möglichkeit, ausserparlamentarische Impulse unmittelbar auf die sachgemässe Ebene zu lenken. Die Chancen des Werkes erscheinen freilich ungewiss ; Optimisten rechnen mit der Gewöhnung der Öffentlichkeit an die neuen Konzepte im Laufe eines weiteren Jahrzehnts
[11].
[11] Vgl. Gesch.ber., 1976, S. 109 f. ; Tat, 226, 26.9.76 ; Ww, 41, 13.10.76 ; Ldb, 271, 20.11.76 ; NZZ, 292, 13.12.76 ; 304, 28.12.76 ; 5, 7.1.77 ; 23, 28.1.77 ; ferner BR Furgler in Documenta, 1976, Nr. 2, S. 16 ff.