Année politique Suisse 1976 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Budget des Bundes
Die Aussicht auf eine solche kommende Generalsparübung warf ihre Schatten bereits auf die Verhandlungen über das Budget des Bundes in den eidgenössischen Räten. Dabei waren schon im bundesrätlichen Voranschlag erhebliche Abstriche vorgenommen worden. Der in Verbindung mit den neuen Richtlinien für die Regierungspolitik der laufenden Legislaturperiode erstellte Finanzplan sah für 1977 noch einen Ausgabenüberschuss von 2,4 Mia Fr. vor [39]. Bald nach dessen Veröffentlichung zeigte sich, dass die dort budgetierten Einnahmen kaum realistisch waren, war doch anzunehmen, dass sich der Konjunktureinbruch vor allem bei der Wust bedeutend stärker bemerkbar machen würde, als ursprünglich vermutet worden war. In den parlamentarischen Debatten über die Richtlinien der Regierungspolitik forderten denn auch verschiedene Sprecher eine zusätzliche Drosselung der Ausgaben [40]. Namentlich im Hinblick auf die Finanz- und Steuerreform wurde davor gewarnt, beim Stimmbürger den Eindruck zu erwecken, man wolle den Bundeshaushalt nur über Mehreinnahmen sanieren. Die in der Folge vom Bundesrat in seinen Richtlinien zur Budgetierung erteilte Weisung, bei den Ausgaben alle irgendwie vertretbaren Kürzungen vorzunehmen, blieb nicht ohne Wirkung. Mit zusätzlichen Abstrichen bei den Budgeteingaben aller Departemente gelang es, den Ausgabenüberschuss unter der ominösen Grenze von 2 Mia Fr. zu halten [41]. Allerdings stiess die im ersten Budgetentwurf des Bundesrates vorgesehene Reduzierung der Kantonsanteile an den Bundeseinnahmen um 20 % auf den heftigen Widerstand der Kantone. Nach einer gemeinsamen Demarche der kantonalen Finanzdirektoren beim Bundesrat kam dieser auf seinen Entschluss zurück [42]. Er verzichtete im neuen Voranschlag auf die Kürzung der Kantonsanteile und schlug den eidgenössischen Räten an deren Stelle Ausgabensenkungen von 260 Mio Fr. im Subventionsbereich vor. Da es sich dabei durchwegs um Transferzahlungen handelte, sollte deren Streichung direkte oder indirekte Leistungen der Kantone und Gemeinden auslösen [43]. Zahlreiche dieser Abstriche — sie betrafen u.a. den Strassenbau, die Privatbahnhilfe, den Gewässerschutz, den Zivilschutz, die Militärbauten und die Rüstungsausgaben — lösten nur wenig Echo aus. Dagegen stiessen die Kürzungen bei den Land- und Forstwirtschaftssubventionen, bei der Investitionshilfe für Berggebiete und bei den Krankenkassenbeiträgen auf die heftige Kritik direkt Betroffener [44].
Die Budgetdebatte hing in dreifacher Weise mit der Gestaltung des Finanzpaketes zusammen. Einmal fand sie gleichzeitig mit der Differenzbereinigung statt. Verlierer im Kampf gegen Steuererhöhungen mochten die Neigung verspüren, ihre Niederlagen durch Sparvorschläge bei den Budgetdebatten auszugleichen. Sodann konnte man die Meinung vertreten, man müsse schon jetzt durch massive Ausgabenkürzungen um Goodwill für das Finanz- und Steuerpaket werben. Schliesslich mögen verschiedene Parlamentarier ihren etwas irreal anmutenden Sparvorschlägen Alibifunktion beigemessen haben, um später ihre Ablehnung des Finanzpaketes damit begründen zu können, dass der Rat keinen echten Sparwillen habe bekunden wollen. Von den Freisinnigen schlugen Fischer (BE) im Nationalrat und Hefti (GL) im Ständerat Kürzungen des Defizites auf 1,5 Mia Fr. vor, während die Nationalräte Allgöwer (ldu, BS) und Oehen (na, BE) gar ein solches von nur 1,0 bzw. 0,5 Mia Fr. anstrebten. Alle diese und andere, in ähnlicher Richtung zielende Vorschläge wurden aber mit dem Argument abgelehnt, das Budget eigne sich schlecht, um improvisierte Sparübungen durchzuführen [45]. Nicht zugestimmt wurde auch einem Antrag Fischer (svp, TG), mit einer Erhöhung der Wust jährliche Mehreinnahmen in der Höhe von 1,3 Mia Fr. zu realisieren [46]. In der grundsätzlichen Beurteilung der Höhe des budgetierten Defizits zeigten sich deutliche Gegensätze [47]. Sozialdemokratische Parlamentarier bezeichneten den Ausgabenüberschuss als im internationalen Vergleich eher klein und warnten angesichts der ungünstigen Wirtschaftslage vor den Gefahren einer Deflationspolitik. Einzelne bürgerliche Abgeordnete hielten jedoch die Kürzungsvorschläge des Bundesrates und der Finanzkommissionen der Räte für ungenügend und gingen mit ihren Anträgen weit über sie hinaus [48]. Wie häufig in solchen Fällen gaben Streichungen von relativ geringfügigen Ausgaben, wie z.B. die eines Kredits von 0,4 Mio Fr. für die Durchführung von Rekrutenprüfungen, zu langen Diskussionen Anlass. Heftig umkämpft waren einzelne traditionell « heisse Eisen » der eidgenössischen Politik. So mussten sich die Befürworter einer Reduktion der Beiträge an die Krankenkassen um 30 Mio Fr. schliesslich mit der Hälfte des Beantragten zufrieden geben [49]. Die Vertreter der Bergkantone legten dar, dass sie die vom Bundesrat vorgeschlagenen Kürzungen im Subventionsbereich bedeutend teurer zu stehen kämen, als wenn man die Kantonsanteile herabgesetzt hätte. Ein gleichzeitig im National- und Ständerat eingebrachter Antrag, die Kantonsanteile um 8 % oder 107 Mio Fr. zu kürzen, wurde jedoch mit dem Hinweis auf die negative Haltung einer Mehrheit der kantonalen Finanzdirektoren abgelehnt [50]. Alles in allem konnte das auf 1,94 Mia Fr. veranschlagte Defizit schliesslich auf 1,758 Mia Fr. gesenkt (also um 180 Mio Fr. gekürzt) werden.
Verschiedene Stimmen kritisierten die Konzeptlosigkeit der Sparübungen und wiesen auf die Notwendigkeit einer längerfristigen Finanzplanung mit klaren Schwerpunkten hin [51]. Eine Delegation der vier Bundesratsparteien sprach sich eindeutig für eine generelle Abflachung des Ausgabenwachstums aus und beauftragte den Bundesrat, Vorschläge für eine entsprechende Gesetzesrevision vorzubereiten [52]. Den Willen dazu manifestierte der Bundesrat in seinem im November veröffentlichten Zwischenbericht zur Finanzplanung [53]. Darin versprach er Einsparungen in der Grössenordnung von 0,8-1,5 Mia Fr., ohne allerdings anzugeben, welche Bundesleistungen davon betroffen würden. Nach dem Direktor der Eidg. Finanzverwaltung, Bieri, hätten die Einsparungen vor allem im Transferbereich und hier besonders im Bildungswesen, bei der sozialen Wohlfahrt, beim Verkehrswesen, bei den Landwirtschaftssubventionen und beim Umweltschutz zu erfolgen [54]. Der wirkungsvollere Einsatz der verfügbaren « knappen » Mittel, wäre nach Ansicht der freisinnig-demokratischen Fraktion über eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, mit einer stärkeren Konzentration der Bundesleistungen auf wesentliche Pflichten zu erreichen [55].
 
[39] Richtlinien der Regierungspolitik 1975-1979, Bern 1976, S. 28 ; Finanzplan des Bundes für die Jahre 1977 bis 1979, Bern 1976, S. B.
[40] wf, Dok., 7, 16.2.76 ; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 128/129 (Heimann, ldu, ZH) ; Amtl. Bull. NR, 1976, S. 198 f. (Weber, AG, im Namen der Fraktion der CVP) ; Vat., 59, 11.3.76.
[41] Zu den Richtlinien siehe : JdG, 83, 8.4.76; NZ, 111, 8.4.76; NZZ, 83, 8.4.76 ; Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1977 ; Presse vom 21.10.76.
[42] NZZ, 246, 20.10.76 ; JdG, 246, 21.10.76 ; 247, 22.10.76 ; Bund, 248, 22.10.76.
[43] NZZ, 257, 2.11.76 ; 24 heures, 256, 2.11.76.
[44] So bei der Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren (NZZ, sda, 271, 18.11.76), bei der Schweiz. Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung (NZZ, 275, 23.11.76), bei der Forstwirtschaftlichen Zentralstelle (NZZ, sda, 280, 29.11.76) und beim Konkordat der schweiz. Krankenkassen (TLM, 329, 24.11.76).
[45] Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1352 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 636 ff. ; JdG, 282, 2.12.76 ; 3.12.76 ; NZZ, 283, 2.12.76 ; 284, 3.12.76 ; 287, 7.12.76 ; 288, 8.12.76 ; TW, 283, 2.12.76 ; 3.12.76 ; 287, 7.12.76.
[46] Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1428 ff. (Motion Fischer, svp, TG).
[47] Siehe dazu auch : W. Wittmann, « Anlässe und Grenzen der Staatsverschuldung », in Civitas, 31/1975-1976, S. 302-311 ; H. Allemann, « Wo liegen die Grenzen der Staatsverschuldung », in Bund, 67, 21.3.76 ; H. Kleinewefers, « Budget 77 : tragbar - bedenklich ? », in NZ, 338, 30.10.76.
[48] Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1356 ff. (Stich, sp, SO) ; S. 1361 f. (L. Uchtenhagen, sp, ZH). Bürgerliche Anträge : Neben den oben genannten siehe Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1374 (Rüegg, fdp, ZH) ; NZ, 376, 2.12.76 ; NZZ, 283, 2.12.76. Mit einer öffentlichen Verschuldung von 6197 Fr. pro Kopf der Bevölkerung stand die Schweiz 1975 an fünfter Stelle der 12 wichtigsten Industrienationen ; vgl. dazu NZZ, 51, 2.3.76.
[49] Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1406 ff. und 1666 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 685.
[50] Amtl. Bull. StR, 1976, S. 648 (Vincenz, svp, GR) ; S. 649 (Schlumpf, svp, GR) ; Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1421 f. (Brosi, svp, GR) ; Ostschw., 291, 13.12.76.
[51] NZZ, 283, 2.12.76 ; Bund, 284, 3.12.76 ; 297, 18.12.76 ; TA, 393, 17.12.76.
[52] NZZ (sda), 270, 17.11.76.
[53] Zwischenbericht zur Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1978/79 ; NZ, 361, 19.11.76.
[54] R. Bieri, an einer Arbeitstagung des Pressekomitees für Fiskalfragen : NZZ, 269, 16.11.76 ; Vat., 268, 16.11.76 ; Tat, 273, 19.11.76.
[55] Vgl. Motion der freisinnig-demokratischen Fraktion (Generali) über bundesstaatlichen Finanzausgleich in Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1318 ff., ferner oben, Teil I, 1d, Anm. 3.