Année politique Suisse 1977 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
 
Totalrevision der Bundesverfassung
Wird die Totalrevision der Bundesverfassung eine solche Schweiz ermöglichen? Der von Bundespräsident Furgler geleiteten Expertenkommission gelang es zumindest, ihr Werk fristgerecht zu Ende zu führen: am 11. November übergab sie dem Bundesrat ihren 118 Artikel zählenden Entwurf mit dem Antrag, die Revision einzuleiten und unverzüglich ein Vernehmlassungsverfahren anzuordnen. Für mehrere Partien (Einheitsinitiative, Verfassungsgerichtsbarkeit, Gewicht der einzelnen Kantone im Ständerat) wurden Alternativvorschläge beigefügt [12]. Die Auseinandersetzung über die wesentlichen Neuerungen hatte aber bereits im Frühjahr eingesetzt. Das Konzept einer «offenen Verfassung», welche die Befugnisse von Bund und Kantonen nicht mehr scharf abgrenzt, und dazu Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit und der Eigentumsgarantie stiessen im Kreis des Redressement national, insbesondere bei den Spitzenverbandsdirektoren des Gewerbes und der Arbeitgeberschaft, O. Fischer und H. Allenspach, auf heftige Ablehnung [13]. Eine republikanische Kritik glaubte gar die Ausrichtung auf eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu erkennen [14]. Auf sozialdemokratischer Seite sah sich Adolf Muschg der am Entwurf mitgearbeitet hatte, dazu veranlasst, einer verbreiteten Skepsis gegenüber zum positiven Engagement aufzurufen [15].
 
[12] TA, 266, 14.11.77. Vgl. SPJ, 1974, S. 11; 1976, S. 12.
[13] NZZ, 231,3.10.77.
[14] Der Republikaner, 13, 14, 16, 21.10 – 23.12.77.
[15] Skepsis: SP-Information, 5, 10.3.77; vgl. TW, 307, 31.12.77. Muschg: TW, 217, 16.9.77. Vgl. auch als populäre Orientierungsschrift St. Bauhofer / P. Graf / E. Koenig, Totalrevision der Bundesverfassung, Dokumente und Diskussionsbeiträge, Basel 1977.