Année politique Suisse 1977 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit / Geld- und Währungspolitik
Sowohl aus wechselkurs- wie auch aus stabilitätspolitischen Gründen war die Nationalbank in ihrer Zinspolitik bestrebt, Geld- und Kapitalmarktsätze möglichst tief zu halten ; Mitte Juli senkte sie den Diskont- und den Lombardsatz um je 1/2 % auf 1 1/2 % bzw. 2 1/2 %, womit der tiefste Stand seit zwanzig Jahren erreicht wurde. Die Zinssätze stiegen zwar in der ersten Jahreshälfte an, nicht zuletzt infolge der restriktiven Geldmengenpolitik, waren jedoch im zweiten Semester wieder rückläufig und lagen am Jahresende durchwegs unter dem Ausgangsstand
[13]. Während Kleinrentner diese Entwicklung zum Teil beklagten, wurde von anderer Seite betont, die niedrige Inflation garantiere eine positive Realverzinsung und mache niedrige nominelle Zinssätze volkswirtschaftlich nötig, zumal in einem Land, dessen Hypothekarverschuldung so gross sei wie das Bruttosozialprodukt
[14].
Allerdings, die Zinsverbilligung schlug nicht sofort auf die Hypothekarsätze durch, geschweige denn auf die Mieten. Die Banken begegneten dem Vorwurf, sie könnten infolge der vergrösserten Zinsmarge zwischen Bankeinlagen und Bankdarlehen zu hohe Gewinne realisieren, mit dem Hinweis, sie hätten zu Zeiten höherer Zinssätze teure Gelder aufgenommen, auf denen sie heute noch sässen und die nun die Zinsrechnung mit beeinflussen würden
[15]. Nach den Berechnungen eines namhaften Wirtschaftswissenschafters belaufen sich die Mehrkosten, die den schweizerischen Hausbesitzern und ihren Mietern solchermassen aus Fehleinschätzungen der Zinsentwicklung durch Bankfachleute erwachsen, auf mehrere Milliarden Franken
[16].
Ein ähnlicher Vorwurf traf übrigens auch den Bund, der für seinen Tresoreriebedarf bereits im voraus teure Gelder aufgenommen hatte, ohne diese dann auch immer optimal zu plazieren. Die Behörden rechtfertigten den dadurch entstandenen Verlust an Stèuergeldern mit dem Argument, dass der Bund sich nicht nur wie ein Geschäftsmann verhalten könne, sondern auch Konjunkturpolitik zu treiben habe. Insbesondere dürfe man die Gläubiger auf dem Kapitalmarkt nicht dadurch verärgern, dass man teure Anleihen vorzeitig zurückzahle, nur um billigere plazieren zu können
[17].
Genau dieses Vorgehen wählten indessen viele Schuldner auf dem Kapitalmarkt, der durch ein Überangebot charakterisiert war und nur noch halb so stark beansprucht wurde wie im Vorjahr. Die vorzeitigen Rückzahlungen vieler hochverzinslicher Anleihen riefen der Forderung, die Interessen der Gläubiger seien besser zu schützen, indem auch die Schuldner das Zinsrisiko mittragen müssten
[18]. Gegen die rasante Talfahrt der Kapitalzinsen sträubten sich namentlich die Banken, und sie bewirkten noch im Frühjahr einen Zeichnungsmisserfolg für eine 3 ¾ %-Anleihe der Eidgenossenschaft, doch gegen Ende Jahr hatten die Zinssätze die bislang hart verteidigte 4%-Grenze endgültig unterschritten
[19].
[13] Vgl. SNB, Geschäftsbericht, 70/1977, S. 45 ff.; Mitteilung/Konjunkturfragen. Nr. 250, S. 12 f.
[14] Vgl. Evolution, 7/1976-77, S. 77 f. und 173 fl.; TA, 105, 6.5.77; 293,15.12.77; LNN, 265,12.11.77; Vat., 33, 9.2.78; Badener Tagblatt, 38, 15.2.78.
[15] Vgl. TW, 15, 19.1.77; 306, 30.12.77; AZ, 32, 7.2.77; Vr., 126, 2.6.77; Ww, 49, 7.12.77; BaZ, 309. 12.12.77; Zeitdienst, 9, 3.3.78.
[16] Prof. Erbe in BaZ, 55, 26.3.77.
[17] Vgl. Amtl. Bull. NR. 1977, S. 942 (Einfache Anfrage Schmid, sp, SG); Ostschw., 17, 21.1.77; TW, 70, 24.3.77; Tat, 121, 25.5.77.
[18] Vgl. TA, 12, 15.1.77; NZZ, 204, 1.9.77. Vgl. auch SNB, Geschäftsbericht, 70/1977, S. 40 ff.; Mitteilung/ Konjunkturfragen, Nr. 250, S. 11.
[19] Vgl. Bund, 40, 17.2.77; 241, 14.10.77; 273, 21.11.77; TW, 41, 18.2.77; 187, 12.8.77; BaZ, 98, 11.5.77.
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