Année politique Suisse 1977 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Finanzielle Lage
Die Rechnungen der Kantone für 1976 schlossen mit einem Gesamtdefizit von 880 Mio Fr. ab. Damit erhöhte sich der Ausgabenüberschuss gegenüber dem Vorjahr um 265 Mio Fr. oder 43%. Das Ergebnis ist sowohl absolut als auch bezogen auf das Ausgabenvolumen das schlechteste seit 1972. Sechs Kantone (AI, GR, SG, SZ, TG, ZG) konnten Einnahmenüberschüsse erzielen; 80% des Defizits entfielen auf nur fünf Kantone (AG, GE, TI, VD, ZH). Im Vergleich zum Zeitraum 1970-1975 hat sich das Ausgabenwachstum erheblich verlangsamt. Die jährliche Zunahme ist von durchschnittlich 14% auf 8% gesunken. Bei der Ausgabenstruktur fällt auf, dass die als Folge der defizitären Rechnungsabschlüsse gestiegenen Passivzinsen kaum stärker ins Gewicht fallen als in früheren Jahren. Der Anteil der Kapitalkosten an den Gesamtausgaben ist in den letzten sechs Jahren um weniger als ein halbes Prozent gestiegen (1976: 4,4%). Zwei Drittel der Ausgaben werden durch die vier bedeutendsten Aufgabengebiete der Kantone — Unterricht und Forschung, Verkehr und Energie, Gesundheitswesen und Soziale Wohlfahrt — beansprucht. Bei den Einnahmen kommt den Übertragungen des Bundes eine immer ausgeprägtere finanzausgleichende Wirkung zu. Die finanzschwachen Kantone bezogen 46% ihrer Einnahmen vom Bund, wogegen sich der Anteil der finanzstarken Kantone auf lediglich 16% belief [1].
In die Budgets der Kantone sind diesmal besonders viele Unbekannte eingegangen. Einmal war der Einfluss einzelner Sparmassnahmen des Bundes auf die künftigen Bundesbeiträge äusserst schwierig abzuschätzen. Dazu kamen widersprüchliche Wirtschaftsprognosen, die die Budgetierung der zu erwartenden Steuereingänge erschwerten [2]. Auch bei einer vorsichtigen Interpretation der einzelnen Budgetzahlen schien sich in ihrer Gesamtheit aber doch eine Tendenzwende abzuzeichnen. Verglichen mit den Voranschlägen für 1977 rechneten 19 Kantone mit geringeren Ausgabenüberschüssen. Zwölf Kantone veranschlagten weniger Ausgaben als im Vorjahr; der Kanton Freiburg zum erstenmal seit 40 Jahren. Gesamthaft ist eine Reduktion des Budgetdefizits um 200 Mio Fr. auf 1,2 Mia Fr. vorgesehen [3].
Dass die Mehrheit der Kantone offensichtlich bemüht ist, ihren Finanzhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, zeigte sich auch in den mittelfristigen Finanzplänen [4]. Eine Sparübung grossen Stils unternimmt dabei der Kanton Zürich. Bis 1981 sollen die chronischen Defizite der letzten Jahre von durchschnittlich etwa 400 Mio Fr. stufenweise abgebaut werden. Das vom Zürcher Stimmvolk mit überwältigendem Mehr gutgeheissene Spargesetz sieht u.a. vor, die Transferzahlungen an finanzkräftige Gemeinden zu kürzen und die Solidaritätsleistungen zugunsten anderer Kantone im Bereich des Spital- und Hochschulwesens einzuschränken [5]. Sämtliche Stände versuchen im übrigen ihr Budgetziel ohne Erhöhung des Steuerfusses zu erreichen. In fiinf Kantonen (AR, SG, SH, TG, ZG) kommt die Bevölkerung sogar in den Genuss einer Steuerreduktion. Als finanzpolitisches Wunder erschien dabei der Voranschlag des Kantons St. Gallen. Der mittelfristige Finanzplan hatte für 1978 einen ausgesprochenen Finanzengpass vorausgesagt und eine Steuerfusserhöhung in Aussicht gestellt. Die Regierung überraschte die Öffentlichkeit aber mit einem ausgeglichenen Budget und einer 7prozentigen Steuerreduktion [6].
Die Voranschläge der Gemeinden rechneten für 1978 mit einem Ausgabenüberschuss von 500 Mio Fr. (Vorjahr: 750 Mio). Fast die Hälfte geht dabei auf das Konto der sechs grössten Städte. Weil die städtischen Behörden diesmal auf Steuererhöhungen verzichteten, stiessen ihre Budgets auf weit geringeren Widerstand als in den vergangenen Jahren [7].
Zusammen veranschlagten Bund, Kantone und Gemeinden ein Defizit von 2,9 Mia Fr. Der Betrag liegt um rund 850 Mio Fr. oder 23% unter dem bisherigen Rekorddefizit für 1977. 7% der budgetierten Ausgaben können nicht durch laufende Einnahmen gedeckt werden. Im Vorjahr betrug die Deckungslücke nahezu 9 % [8].
Die eidgenössische Staatsrechnung 1977 schloss bei 15 493 Mio Fr. Ausgaben und 14 026 Mio Fr. Einnahmen mit einem Defizit von 1467 Mio Fr. ab. Der Ausgabenüberschuss ist im Vergleich zum Voranschlag um 300 Mio Fr. geringer ausgefallen. Obwohl der Bund für 1977 einmalige, erhebliche Steuernachzahlungen registrieren konnte, lagen die Fiskaleinnahmen um mehr als 400 Mio Fr. unter dem veranschlagten Betrag. Dieser Ausfall wurde durch höhere Eingänge aus anderen Einnahmen wie Vermögensertrag, Gebühren und Darlehensrückzahlungen etwa zur Hälfte kompensiert. Bei den Ausgaben konnten die Subventionen als Folge verstärkter Sparanstrengungen, einer geringeren Teuerung und besseren Rechnungsergebnissen der SBB und der Privatbahnen um über 130 Mio Fr. unter dem budgetierten Betrag gehalten werden. Zudem lösten die geringeren Steuereinnahmen auch kleinere Kantonsanteile aus. Der Reinaufwand der Gesamtrechnung betrug 2301 Mio Fr. [9].
 
[1] Die Volkswirtschaft, 50/1977, S. 528 ff., 581 ff.
[2] Bundesbeiträge: BaZ, 125, 9.6.77; 222, 14.9.77; LNN, 143, 23.6.77; Ostschw., 273, 22.11.77. Steuereingänge: NZZ, 234, 6.10.77; JdG, 272, 16.11.77; VO, 259, 19.11.77; Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 20; vgl. auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturlage).
[3] Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 18 ff. Freiburg: Lib., 26, 3.11.77; 27, 4.11.77; 32, 9.11.77.
[4] Z.B. Aargau: FA, 173, 27.7.77; 256, 2.11.77; 274, 23.11.77; NZZ; 262, 8.11.77. Wallis: NZZ, 247, 21.10.77; TLM, 350,16.12.77. Solothurn: SZ, 163, 16.7.77; Vat., 250, 26.10.77. Basel-Stadt: BaZ, 258, 21.10.77; NZZ, 247, 21.10.77.
[5] NZZ, 156, 6.7.77; 177, 30.7.77; 277, 25.11.77; 280, 29.11.77; 285, 5.12.77; Vr, 144, 23.6.77; Lib., 200, 30.8.77; TA, 284, 5.12.77.
[6] Appenzell-Ausserrhoden: Ostschw., 271, 19.11.77. St. Gallen: Ostschw., 228, 29.9.77; 252, 27.10.77; 274, 23.11.77. Schaffhausen: NZZ, 293, 14.12.77; Thurgau: Ldb, 255, 2.11.77; 296, 20.12.77. Zug: NZZ, 301, 23.12.77.
[7] Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 18 ff.
[8] Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 19; SPJ, 1976, S. 76. Auf die Vereinbarung gemeinsamer Budgetrichtlinien ist diesmal verzichtet worden. Vgl. Einfache Anfrage Ziegler (cvp, SO) (NZZ, 301, 23.12.77; Amtl. Bull. NR, 1977, S. 1755) und SPJ, 1976, S. 76.
[9] Bund, 53, 4.3.78; NZZ, 55, 7.3.78; Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1977.