Année politique Suisse 1978 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Konjunkturpolitik
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Konjunkturbelebungsprogramme
Der Delegierte des Bundesrates für Konjunkturfragen, W. Jucker, setzte seine Bemühungen fort, ein sogenanntes Impulsprogramm auszuarbeiten. Dieses staatliche Förderungsprogramm soll die kleinen und mittelgrossen Firmen in die Lage versetzen, mit dem technologischen Wandel Schritt zu halten und sich den Entwicklungen des Weltmarkts möglichst rasch anzupassen. Im Hintergrund steht dabei der Gedanke, dass in einer wirtschaftlich hochentwickelten Gesellschaft mit stabiler Bevölkerung nur ein qualitatives Wachstum im Sinne einer ständigen Verbesserung der hergestellten Produkte möglich ist. Die Wirtschaftsverbände lehnten aber die Vorschläge Juckers rundweg ab. Sie beurteilten sie als unerwünschte und wettbewerbsverzerrende Einmischung des Staates in die private Unternehmenspolitik, welche auf eine Dauersubventionierung nicht lebensfähiger Betriebe hinauslaufe. Zudem wurde die Vermutung, dass die kleineren Betriebe nicht fähig wären, den Anschluss an den technologischen Fortschritt aus eigener Kraft zu schaffen, von diesen Kreisen geradezu als Beleidigung des Unternehmertums empfunden [17]. Erst als sich der Bundesrat im Herbst infolge des Konjunktureinbruchs veranlasst sah, ein Paket mit «Massnahmen zur Milderung wirtschaftlicher Schwierigkeiten» vorzulegen, und darin auch den Grossteil des Impulsprogramrns verpackte, löste sich die Ablehnungsfront auf. Einzig der Gewerbeverband beharrte auf seiner Gegnerschaft zur staatlichen Förderung privatwirtschaftlicher Forschungstätigkeit [18]. Das Impulsprogramm bildet allerdings nur einen Teil der vom Parlament ohne.nenneswerte Abstriche gutgeheissenen Massnahmen, welche als Ergänzung zu den währungspolitischen Entscheiden — wir treten darauf an anderer Stelle ein — konzipiert sind. Das Programm umfasst im weitern eine Erhöhung der Subventionen an die Werbezentralen der Exportindustrie und des Fremdenverkehrs, einige vorgezogene Käufe des Bundes bei besonders stark in Mitleidenschaft gezogenen Branchen sowie steuerliche Entlastungen der Unternehmen durch die Erhöhung der Abschreibungssätze und die Verlängerung der Verlustvortragsperiode bei der Wehrsteuer. Die Kosten der Hilfsmassnahmen belaufen sich auf rund 130 Mio Fr.; die zu erwartenden Steuerausfälle lassen sich noch nicht beziffern [19].
Die SPS verlangte mit einer Motion zusätzlich ein Arbeitsbeschaffungsprogramm mit massiven Subventionen im Bereiche der Energie- und der Verkehrspolitik (Wärmeisolation von Altbauten und Förderung des öffentlichen Verkehrs). Bundesrat Honegger sprach sich erfolgreich für die Umwandlung der Motion in ein Postulat aus, da die Landesregierung zwar ein Arbeitsbeschaffungsprogramm in Reserve halte, dessen Einsatz angesichts der relativ niedrigen Arbeitslosenziffer aber einstweilen nicht nötig finde. O. Fischer (fdp, BE) benutzte diese Gelegenheit zur Manifestation seiner grundsätzlichen Ablehnung staatlicher Arbeitsbeschaffungsmassnahmen, konnte aber in der Volkskammer keine Mehrheit hinter sich scharen [20].
Im Kanton Zürich lehnten Regierung und Parlament eine konjunkturpolitische Volksinitiative der POCH ab. Diese wollte kantonale Arbeitsbeschaffungsmassnahmen mit einer zeitlich befristeten Sondersteuer auf Ertrag und Vermögen von Gesellschaften und gutsituierten natürlichen Personen finanzieren [21].
 
[17] SPJ, 1977, S. 61 ; W. Jucker, Strukturwandel und Wirtschaftspolitik, Zürich 1978. Wirtschaftsverbände: wf, Dok., 29/30,17.7.78 ; NZZ (sda), 173, 28.7.78 ; vgl. auch U. Bremi, «Kommt der Staat durch die Hintertür?», in SKA, Bulletin, 84/1978, Nr. 5/6, S. 2 ff.
[18] wf, Dok., 45, 6.11.78; NZZ, 268, 17.11.78 (SGV).
[19] BBl, 1978, II, S. 1373 ff.; Amtl. Bull. NR, 1978,S. 1657 f., 1833 f., 1863 und 1926; Amtl. Bull. StR, 1978, S. 668 ff., 723 und 730 ; BBI, 1978, II, S. 1744 und 1763 f; AS, 1978, S. 2066 f. Vgl. dazu ebenfalls unten, Teil I, 4b (Währungspolitik) und oben, 2 (Exportförderung).
[20] Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1702 ff. Siehe auch BR Honegger in Documenta, 1978, Nr. 6, S. 15 ff.
[21] Vr, 69, 23.3.78 ; TA, 113, 19.5.78; NZZ, 283, 5.12.78. Vgl. auch SPJ, 1976, S. 168.