Année politique Suisse 1978 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Lage der Bundesfinanzen
Wie die Entwicklung der Bundesfinanzen zeigt, sind
in der Schweiz während der letzten Jahre
alle drei erwähnten Strategien angewendet worden. Da aufgrund des gewaltigen Wirtschaftswachstums der sechziger Jahre ein Nachholbedarf an staatlichen Leistungen zu befriedigen war, stand der Bundeshaushalt bereits in den roten Zahlen, bevor die schwierigen Jahre der Rezession das Defizit empfindlich vergrösserten. Man versuchte zunächst, über eine Erhöhung der Warenumsatzsteuer (WUST) den Verbrauch stärker zu belasten, was aber erst in einem zweiten Anlauf und mit nur bescheidenen Satzerhöhungen gelang. Eine Finanzreform, die anstelle der WUST eine Mehrwertsteuer (MWST) und damit über 2 Mia Fr. Mehreinnahmen gebracht hätte, wurde ebenso abgelehnt wie die Reichtumsteuer-Initiative der Sozialdemokratischen Partei. Da sich Volk und Stände deutlich gegen solche mit Steuererhöhungen verbundene Referendums-vorlagen zur Sanierung des Bundeshaushalts aussprachen und die Verbesserung anderer Einnahmen nur wenig abwarf, sah sich der Bund gezwungen, mit den vorhandenen Mitteln sparsamer umzugehen, was den weiteren Ausbau der sozialstaatlichen Leistungen in Frage stellte; Sparpakete und Ausgabenbremsen fanden indes die Zustimmung des Souveräns. Da aber die wirtschaftliche Entwicklung gleichzeitig staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme notwendig machte, blieb schliesslich nichts anderes übrig, als die immer noch hohen Defizite über Kreditaufnahmen am Kapitalmarkt zu finanzieren, was bei schwacher Investitionstätigkeit der Privatwirtschaft und rückläufigen Zinssätzen keine grossen Probleme bot
[2].
Immerhin, die rigorosen
Sparmassnahmen blieben — bei gleichzeitig sinkender Teuerungsrate — nicht ohne Wirkung: Bereits 1975 schwächte sich das Ausgabenwachstum merklich ab, und nachdem das darauffolgende Jahr — vor allem konjunktureller Massnahmen wegen — noch einmal sehr hohe Kosten und ein Rekorddefizit von über 1,5 Mia Fr. gebracht hatte, gingen 1977 die Ausgaben erstmals zurück und zwar stärker als die gleichfalls sinkenden Einnahmen; damit war es gelungen, eine weitere Öffnung der Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben zu verhindern. Dieser Erfolg setzte sich im Berichtsjahr fort, wie die Eidgenössische Staatsrechnung 1978 deutlich macht: Die Ausgaben stiegen zwar wieder leicht an, blieben aber mit 15 825 Mio Fr. hinter den budgetierten Zahlen zurück, während die Einnahmen mit 15 106 Mio Fr. höher ausfielen als erwartet. Obwohl im Laufe des Jahres Nachtragskredite von mehr als 400 Mio Fr. (vor allem im Zusammenhang mit der Exportrisikogarantie und dem SBB-Defizit) hatten bewilligt werden müssen, schloss die Finanzrechnung des Bundes mit einem Defizit von nur noch 719 Mio Fr. statt der budgetierten 1212 Mio Fr. ab; der Reinaufwand der Gesamtrechnung, welche die Vermögensveränderung mit einschliesst, betrug 1521 Mio Fr.
[3].
Der Vorsteher des EFZD, Bundesrat Chevallaz, betonte, dass dieses seit 1972 positivste Resultat einerseits den Sparbeschlüssen von Volk, Parlament und Regierung, andererseits aber auch besonderen Umständen zuzuschreiben sei; tiefe Zinssätze und geringe Teuerungsrate hätten zur Verbesserung des Haushalts ebenso beigetragen wie die für 1978 ursprünglich nicht vorgesehene Gewinnablieferung der PTT von 150 Mio Fr. Im übrigen weise die Rechnung — insbesondere bei den Einnahmen — immer noch Krankheitssymptome auf, und der Zinsendienst für die in den letzten zehn Jahren von 6 auf 17 Mia Fr. angewachsene Verschuldung des Staates verschlinge 800 Mio Fr. jährlich
[4].
Dass ein Ausgleich des Haushalts ohne Einnahmenverbesserung kaum erreicht werden kann, lässt auch das Budget des Bundes für 1979 erkennen. Der Bundesrat präsentierte einen Voranschlag, der bei 16 529 Mio Fr. Ausgaben und 15 152 Mio Fr. Einnahmen ein
Defizit der Finanzrechnung von 1377 Mio Fr. vorsieht. Das erwartete Stagnieren der Fiskaleinnahmen bringt dabei deutlich zum Ausdruck, dass die Folgen der Rezession noch nicht überwunden sind. Äusserst restriktive Richtlinien der Verwaltung erlaubten erneut eine Kürzung bei den laufenden Aufwendungen; die Ausgaben für Investitionen hingegen wurden aus konjunkturellen Gründen geschont, so dass das bisherige Investitionsvolumen aufrechterhalten blieb. Bedeutend höhere Ausgaben mussten (nach der auf das Berichtsjahr beschränkten Kürzung) für die Kantonsanteile an Bundeseinnahmen, sodann (im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Kursverlusten) für die Zahlungen der Exportrisikogarantie und schliesslich auch (gemäss den neuen Rahmenkrediten) für Zuweisungen an internationale Hilfswerke und Institutionen budgetiert werden. Zudem wird der Bundeshaushalt mit Ausgaben von über 140 Mio Fr. aus den 1975 und 1976 eingeleiteten Arbeitsbeschaffungsmassnahmen belastet. Da diese Konjunkturspritzen namentlich für die Beschaffung von Kriegsmaterial Verwendung finden, steigen die Ausgaben für die militärische Landesverteidigung um 6,3%, während das Gesamtbudget gegenüber dem Voranschlag für 1978 nur um 2,2% zunimmt. Demzufolge weisen die Verteidigungsausgaben 1979 mit 3320 Mio Fr. oder 20,1 % wieder den höchsten Anteil am Bundesbudget auf, nachdem sie nur während eines Jahres durch die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt überflügelt worden waren. Die für die Wohnbauförderung vorgesehenen Aufwendungen verzeichnen aufgrund der geringen Wohnbautätigkeit einen Rückgang von 11,9%. Auch die Subventionszahlungen — nicht zuletzt im Bereich der Landwirtschaft — sind kleiner geworden als 1978; die Differenz wird, wie wir in einem anderen Zusammenhang darlegen, grösstenteils über Preiszuschläge auf die Konsumenten überwälzt
[5].
Das
Parlament akzeptierte den bundesrätlichen Voranschlag mit nur geringfügigen Änderungen. Es kürzte die Kreditposten für Forschungsaufträge, für die Förderung gemeinnütziger Bauträger sowie für die Investitionshilfe in Berggebieten, erhöhte aber die Zuwendungen an das Tessin zur Wahrung der kulturellen und sprachlichen Eigenart dieses Kantons sowie die Beiträge zur Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten. Eine Halbierung des Forschungskredits für das Bundesamt für Wohnungswesen, die der Ständerat auf Antrag des Zürchers Heimann (ldu) beschlossen hatte, machte der Nationalrat wieder rückgängig. Keinen Erfolg hatten auch die ins Grundsätzliche zielenden Anträge, die dem Bundeshaushalt eine stärker expansive resp. kontraktive Wirkung hätten verleihen können: Sozialdemokratische Begehren, den Personalstopp zu lockern (Bratschi, BE, und E. Lieberherr, ZH) oder ganz aufzuheben (Welter, ZH) wurden ebenso abgelehnt wie die rechtsfreisinnigen Vorstösse (Fischer, BE, unterstützt von Letsch, AG, und Hefti, GL), die ein weiteres Sparprogramm verlangten, welches das Defizit um 500 Mio Fr. reduzieren sollte, allerdings ohne dabei die Rüstungs- und Investitionsausgaben zu tangieren
[6].
Der Bundesrat hatte bereits in seiner Budgetbotschaft angedeutet, dass bei zusehends sich verschlechternder Wirtschaftslage Massnahmen zur
Konjunkturbelebung ergriffen und die dafür nötigen Kredite auf dem Wege des
Budgetnachtrags angefordert werden müssten. Kurze Zeit später legte er ein Massnahmenpaket vor, das für 1979 Mehrausgaben von über 40 Mio Fr. und Einnahmenausfälle aus der Wehrsteuer von Unternehmungen mit sich bringt. Die entsprechenden Vorlagen wurden vom Parlament im Eiltempo durchberaten und noch vor Jahresende verabschiedet
[7]. Die konjunkturelle Zielsetzung der bundesrätlichen Ausgabenpolitik schlug sich auch in einem mittelfristigen Programm der zivilen Bauvorhaben des Bundes nieder, das Investitionen von jährlich 1,3 Mia. Fr. vorsieht und damit die Bautätigkeit in der Schweiz verstetigen helfen soll
[8]. Hier wie in anderen Bereichen, so argumentierte der Bundesrat, gelte es weitere rezessive Einbrüche zu vermeiden, damit nicht später als Folge einer deflationspolitisch übersteigerten Redimensionierung notwendige Strukturen mit umso grösseren Kosten wieder aufgebaut werden müssten
[9].
[2] Vgl. SPJ, 1971, S. 84, 1974, S. 73 ff., 1975, S. 85 f., 1976, S. 75 ff., 1977, S. 77 ff. Vgl. auch BR Chevallaz, «Wirtschaft und Finanzen» und «La gestion du Département des finances», in Documenta, 1978, Nr. 6, S. 2 ff. und 22 ff., B. Hosang, Die sieben mageren Jahre. Schweizer Finanzpolitik auf dem Buckel der Schwachen, Zürich 1978 sowie W. Wittmann, «Aktuelle Probleme der Bundesfinanzen», in Civitas, 34/1978-79, S. 13 11
[3] Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1978; vgl. auch die Presse vom 13.3.78 und wf, Dok., 12, 19.3.78. Nachtragskredite: BBI, 1978, I, S. 1602 und II, S. 1758 ; vgl. auch NZZ (sda), 261, 9.11.78 ; 268, 17.11.78.
[4] BR Chevallaz, Pressereferat vom 12.3.79. Vgl. auch ders., «La politique fiscale suisse à moyen et à long termes», in Documenta, 1978, Nr. S. 15 f. PTT: vgl. unten, Teil I, 6b (PTT).
[5] Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1979. Vgl. auch unten, Finanzplanung, und oben, Teil I, 4c (Pflanzliche Produktion). Vgl. ferner SPJ,1977, S. 81, die Presse vom 3. und 21.10.78 sowie wf, Dok., 1-2, 8.1.79.
[6] Amtl. Bull. NR, 1978,S. 1597 ff., 1612 11,1623 ff., 1733 ff.; Amtl. Bull. StR, 1978,S. 634 ff., 638 ff., 691 ff.; BBI, 1978, II, S. 1759 f. Vgl. auch unten, Finanzplanung, und oben, Teil I, 3 (Landesverteidigung und Gesamtpolitik).
[7] BBI, 1978, II, S. 1373 ff . ; Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1657 ff . , 1679 f f ., 1833 f , 1863; Amtl. Bull. StR, 1978, S. 668 ff, 679 ff., 723; BBI, 1978, II, S. 1744, 1746, 1763 f. Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik) und 2 (Exportförderung).
[8] BBI, 1978, I, S. 573 ff. (Zivile Bauten des Bundes); vgl. auch BBI, 1978, II, S. 894 ff. (Militärische Bauten) und Presse vom 9.2.78.
[9] Vgl. Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1979, S. 45*. Vgl. auch BR Chevallaz in Bund, 99, 29.4.78.
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