Année politique Suisse 1978 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Kantone und Gemeinden
Während der Bund nach «sieben mageren Jahren » bereits zum achten Male an einem defizitären Haushalt darbte,
schienen die Kantone und Gemeinden ihre noch vor kurzem beachtliche Finanzmisere weitgehend überwunden zu haben. Mit ihren Rechnungen für 1977 wiesen alle Kantone und Gemeinden zusammen ein ausgeglichenes Ergebnis aus (Bund: — 1,5 Mia Fr.)
[37]. Auch für das Jahr 1979 budgetierten die Kantone und Gemeinden ein geringeres Defizit (— 800 Mio Fr.) als der Bund (— 1,3 Mia Fr.)
[38]. Um die bisher nach verschiedenen Prinzipien erstellten kantonalen und kommunalen Rechnungen besser vergleichbar zu machen, präsentierte die Finanzdirektorenkonferenz ein neues Rechnungsmodell, das der Zürcher Regierungsrat bereits in seinen Entwurf für ein neues Haushaltgesetz aufgenommen hat
[39].
Die positiveren Rechnungsabschlüsse der Kantone sind einerseits auf höhere Einnahmen, andererseits aber vor allem auf ein stark verlangsamtes Wachstum der Ausgaben zurückzuführen. Es wurde dabei kritisch vermerkt, dass angesichts der Wirtschaftslage auch diese kantonale Ausgabenbremse deflatorische Wirkung haben könnte. Einige Kantone senkten ihre Steuern; an der Frage, ob dabei die Sozialabzüge erhöht oder allgemeine Steuerrabatte gewährt werden sollten, haben sich auch auf kantonaler Ebene Diskussionen entsponnen, welche die Fiskalfragen wieder vermehrt ins Zentrum der parteipolitischen Auseinandersetzungen rücken
[40].
Eben diese Polarisierung in der Finanzpolitik, die sich allenthalben bemerkbar macht, scheint eine qualitative Veränderung der politischen Landschaft anzuzeigen, die nicht nur mit den auf Bundesebene und in einigen Kantonen ins Haus stehenden Wahlen erklärt werden kann. Vielmehr schlägt die im Gefolge der Rezession aktualisierte Konfrontation gesellschaftlicher Interessen in Fiskalfragen am direktesten auf die politische Situation durch, was die Konkordanzdemokratie zusehends in eine Konkurrenzdemokratie verwandelt. Wo einerseits die Gewinnmargen unter internationalem Konkurrenzdruck zu schrumpfen drohen und andererseits die effektiv verfügbaren Löhne kleiner geworden und Arbeitsplätze in Frage gestellt sind, gewinnen auch bisher vorwiegend als Sachgeschäfte behandelte Probleme wieder stärker parteipolitisches Profil, wodurch aber die Regierungskoalition gefährdet werden kann. Dass die Bundesfinanzreform ohne die Unterstützung der wählerstärksten Bundesratspartei vor die Volksabstimmung gebracht werden musste, mag auch wahltaktische Gründe haben, wirft aber gleichzeitig die viel tiefergreifende Frage auf, ob bei Finanzvorlagen jene breit abgestützten Kompromisse von der Mitte her überhaupt noch gefunden werden können, ohne die ein politisches System mit halbdirekter Demokratie meist nur zu Nullentscheiden fähig ist
[41].
[37] Vgl. EFZD, Öffentliche Finanzen der Schweiz 1979, Bern 1979; Eidg. Finanzverwaltung, «Kantonsfinanzen 1977», in Die Volkswirtschaft, 51/1.978, S. 525 ff. und NZZ (sda), 289, 12.12.78.
[38] Vgl. Eidg. Finanzverwaltung, « Die Voranschläge von Bund, Kantonen und Gemeinden für das Jahr 1979 », in Die Volkswirtschaft, 52/1979, S. 18 ff. Vgl. auch wf, Dok., 10, 5.3.79.
[39] Vgl. Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren, Handbuch der Harmonisierung des Rechnungswesens der öffentlichen Haushalte, Bern 1978. Vgl. auch NZZ. 174, 29.7.78 (A. Mossdorf, ZH, fdp) und 201. 31.8,78 sowie unten, Teil II, 2a.
[40] Bund, 21,26.1.78; Vorwärts, 4, 26.1.78; 12,23.3.78; 15, 13.4.78;33, 17.8.78;41, 12.10.78;46.16.11.78 ; BaZ, 82, 25.3.78; TA, 96, 26.4.78; 298, 22.12.78; SP-Information, 37, 9.8.78; gk, 1, 11.1.79. Vgl. auch unten, Teil II, 2b.
[41] Zur Frage der effektiv verfügbaren Löhne vgl. BIGA, «Steuerbelastung des Arbeitseinkommens der Arbeiter und Angestellten, 1939-1977», in Die Volkswirtschaft, 51/1978, 5.465 f. Vgl. auch oben. Teil I, 1c (Regierung) sowie Bund, 87, 15.4.78; 121, 27.5.78 und BaZ, 107, 20.4.78. Die Finanzreformvorlage wurde am 20.5.1979 von 65% der Stimmen und allen 23 Ständen verworfen (Presse vom 21.5.79).
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