Année politique Suisse 1978 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
Raumplanung
In der Raumplanung trat das neue eidgenössische
Gesetzgebungsverfahren in die parlamentarische Phase. Im April stellte Bundesrat Furgler an einer Pressekonferenz in Bern den
Entwurf der Regierung vor
[1]. Wichtigste Unterschiede zum Vernehmlassungsentwurf sind die Erwähnung der Gemeinden als Planungsträger, sowie einerseits das Verbot, See- und Flussufer weiter zu überbauen, andererseits die eigentumsfreundliche Fassung des Artikels über Ausgleich und Entschädigung. Statt bloss den Mehrwert abzuschöpfen, ist vorgesehen, durch Planung entstandene Vor- und Nachteile auszugleichen. Die Regelung wird dem kantonalen Recht überlassen
[2]. Wie schon der Vorentwurf, so löste auch die endgültige Fassung ein unterschiedliches Echo aus
[3]. Während die «Neue Zürcher Zeitung» die Überschrift wählte «von der herrschenden zur dienenden Raumplanung»
[4], kritisierte der Schweizerische Gewerkschaftsbund die «tiefe Verbeugung vor der kantonalen Souveränität»
[5].
Die vorberatende ständerätliche Kommission nahm am Entwurf einige Änderungen vor. Die wichtigsten sind der Verzicht auf die Bildung einer Raumplanungskommission als beratendes Organ des Bundes, die Streichung des Rechtes der Bevölkerung, an der Planung «mitwirken» zu können, sowie ganz allgemein eine Verstärkung der föderalistischen Tendenz. Das Verbot einer Überbauung der See- und Flussufer wurde zu einer Schutzvorschrift abgeschwächt. Extrem föderalistische Vorstösse wie denjenigen des Radikalen Debétaz (VD), der bei Streitigkeiten zwischen Kantonen an Stelle des Bundesrats ein Schiedsgericht einsetzen wollte, lehnte die Kommission ab
[6].
In der
Ständeratsdebatte zeigten sich die gegensätzlichen Haltungen zum
Raumplanungsgesetz deutlich. Während die Bürgerlichen, unter ihnen Gegner des ersten Gesetzes wie Jauslin (fdp, BL) und Debétaz (fdp, VD), den neuen Entwurf positiv würdigten, bezweifelte Morier-Genoud (sp, VD), ob angesichts der weitgehenden Konzessionen der Verfassungsauftrag noch erfüllt sei — eine Meinung, der Bundesrat Furgler widersprach
[7]. Mit 19:14 Stimmen beschloss der Ständerat, die See- und Flussufer, wie von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagen, nur zu schützen statt mit einem Bauverbot zu belegen. Beim Verzicht auf eine permanente Planungskommission wie auch bei den Ausnahmen für Bauten ausserhalb der Bauzone konnte sich die Kommissionsmehrheit durchsetzen. Abgelehnt wurde ein Vorschlag A. Heimanns (ldu, ZH), der dem Eigentümer ein Recht auf Selbsterschliessung gewähren wollte
[8]. Während der Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung, Nationalrat Tschäppät (sp, BE), meinte, die bundesrätliche Fassung sei zwar nicht ungenügend oder unzweckmässig, vertrage aber keine Abstriche mehr, bezeichnete Marius Baschung, Delegierter des Bundesrates für Raumplanung, die vorgenommenen Anderungen als marginal. Auch bedeute föderalistisch keinesfalls schwächer
[9].
Die vorberatende Nationalratskommission verschärfte einige der vom Ständerat abgeschwächten Formulierungen wieder. So votierte sie für ein Bauverbot an See- und Flussufern und verstärkte die Möglichkeiten der Bevölkerung, an der Planung teilzuhaben. Auch beim Artikel über Ausgleich und Entschädigung gab die Kommission der Version des Bundesrats den Vollzug
[10].
Die föderalistische Tendenz des Entwurfs zu einem neuen Raumplanungsgesetz erhöht die Bedeutung kantonaler Massnahmen. Nach über 70stündiger Debatte verabschiedete der zürcherische Kantonsrat einen Gesamtplan, womit der Kanton
Zürich als erster Kanton der Schweiz über einen umfassenden
Richtplan verfügt
[11]. Sowohl beim Siedlungs- wie auch beim Verkehrsplan gab es harte Auseinandersetzungen zwischen den Sozialdemokraten und den bürgerlichen Parteien, wobei die Entscheide oft sehr knapp ausfielen. Ausschlaggebend war häufig das Verhalten der kleinen Parteien, insbesondere des Landesrings und der EVP
[12].
Umstritten war die Ausscheidung des Siedlungsgebiets für die einzelnen Gemeinden, so z.B. die Regelung, dass nur Zürich und Winterthur städtische Überbauung zuzugestehen sei, oder der im letzten Moment rückgängig gemachte Entscheid, in den Agglomerationsgemeinden an der Grenze zur Stadt Zürich einen Grüngürtel zu schaffen
[13]. Die SP war mit dem Ausgang der Beratungen über den Siedlungsplan zufrieden. Eine linke Minderheitskoalition aus SP, LdU und EVP habe sich in allen kontroversen Fragen durchsetzen können, hiess es im «Volksrecht». Dies stelle einen Sieg jener dar, die die Planung einsetzen wollten, um die Dezentralisierung durchzuführen
[14]. Nicht zufrieden war die FDP. Mit Unbehagen betrachtete man dort den «zentralistisch-technokratischen Geist», mit dem die Mehrheit des Kantonsrats unter Führung der SP entscheide, wobei die Anliegen der Gemeinden zu wenig berücksichtigt .würden
[15]. Vom Verkehrsplan, dessen wichtigste Bestimmungen die Aufnahme des Seetunnels in den Gesamtplan, der Entscheid für die Zürichberglinie Ost sowie für den Bau von Parkhäusern in Zürich sind, erklärte sich die SP, die sogar den Antrag auf Ablehnung stellte, nicht befriedigt, da die Priorität zugunsten des privaten Verkehrs ausgefallen sei
[16]. Die FDP dagegen fand, man habe im Verkehrsplan sowohl dem öffentlichen als auch dem priväten Verkehr Rechnung getragen
[17]. Mit deutlichem Mehr, bei einigen Stimmenthaltungen, verabschiedete der Kantonsrat den Gesamtplan
[18].
[1] BBl, 1978, I, S. 1006 ff.; vgl. SPJ, 1977, S. 109 f.
[2] Raumplanung Schweiz, 1978, Nr. 1, S. 23 ff; 1977, Nr. 2, Sonderheft.
[3] BaZ, 98, 11.4.78; Bund, 83, 11.4.78; JdG, 83, 11.4.78; NZZ, 83, 11.4.78; TW, 83, 11.4.78; Ldb, 83, 12.4.78.
[6] NZZ, 188, 16.8.78; TA, 188, 16.8.78; TLM, 228, 16.8.78; BaZ, 215, 17.8.78.
[7] Amtl. Bull. StR, 1978, S. 441 f., 445 f., 447 f.
[8] Amtl. Bull. StR, 1978, S. 437 ff.
[9] BaZ, 247, 23.9.78; NZZ, 221, 23.9.78.
[11] Bund, 159, 11.7.78; Vr, 161, 13.7.78; BaZ, 186, 14.7.78; NZZ, 162, 15.7.78.
[12] NZZ, 132, 10.6.78; 162, 15.7.78; TA, 138, 17.6.78.
[13] NZZ, 123, 31.5.78; 129, 7.6.78; 158, 11.7.78; Vr, 125, 1.6.78; 131, 8.6.78; 154, 5.7.78.
[18] NZZ, 158, 11.7.78; Vr, 159, 11.7.78.
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