Année politique Suisse 1978 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
 
Sprache
In der gemeinsamen Feier des 175-Jahr-Jubiläums der Mediationskantone auf Schloss Lenzburg wurde daran erinnert, dass die 1803 unter dem Druck Napoleon Bonapartes unterzeichnete Akte sechs neue Kantone aus ehemaligen Untertanen- und Verbündetengebieten geschaffen hatte: Neben den deutschsprachigen Ständen Aargau, Thurgau und St. Gallen brachte sie dem eidgenössischen Bund gleich in dreifacher Variation das lateinische Element: mit der Waadt einen französisch, mit dem Tessin einen italienisch und mit Graubünden einen teilweise rätoromanisch sprechenden Kanton [15].
Innerhalb der Eidgenossenschaft dominiert jedoch die deutsche Sprache. Nationalrat J.-P. Delamuraz (prd, VD) verwies in einem Postulat, das sich auf die sprachlichen Minderheiten bezog, auf die Tatsache, dass das deutsche Element seit Jahrzehnten leicht im Vormarsch sei. Er ersuchte den Bundesrat um Vorschläge für eine bessere Verständigung zwischen den Sprachgruppen und um Massnahmen für die Sicherung des Westschweizer und Tessiner Anteils in der Bundesverwaltung. Der Lausanner Stadtpräsident befürchtet vor allem, dass das Deutsche im Bundeshaus nach und nach zur einzigen offiziellen Sprache wird [16]. Welsche Kommentatoren griffen den Vorstoss von J.-P. Delamuraz wiederholt auf. Sie stellten dabei fest, dass die Bundesstadt Bern ihre Rolle als Brücke zwischen den Landesteilen mehr und mehr preisgegeben habe. Als Zeichen dafiir wertete man die Lage der französischen Schule in Bern, die von Bund, Kanton und Stadt nicht genügend unterstützt wird; die unzureichenden Zustände haben zu einer latenten Missstimmung unter den Romands in der Bundesstadt geführt [17].
Um den Kontakt von Welschschweizern mit Deutschschweizern zu erleichtern, lancierte ein findiger Lehrer Kurse für «Schwyzertütsch». Der Kanton Neuenburg erwägt sogar, ein Mundartprogramm in den Schulunterricht aufzunehmen. In der Deutschschweiz wendet man sich wieder mehr der Pflege der Dialekte zu. Allerdings werden die regionalen Unterschiede nicht nur wegen der Mobilität der Bevölkerung, sondern auch infolge einer ständigen Erweiterung des Wortschatzes durch neue Begriffe des technischen Zeitalters einander angeglichen [18].
 
[15] NZZ, 198, 28.8.78; Ostschw., 200, 28.8.78; 24 Heures, 199, 28.8.78. Erst 1938 wurde das Rätoromanische vierte Landessprache (BaZ, 48, 18.2.78; Coop-Zeitung 15, 13.4.78; TG, 180, 4.8.78).
[16] Amtl. Bull. NR, 1978, S. 587 ff.; SPJ, 1977, S. 150 f.; vgl. J.-P. Vouga, Romands, Alémaniques, Tessinois: mieux nous écouter pour mieux nous comprendre, Neuchâtel 1978.
[17] TLM, 171, 20.6.78; 175, 24.6.78; TG, 162, 14.7.78; NZZ, 173, 28.7.78; vgl. auch La Gruyère, 118, 14.10.78.
[18] «Schwyzertütsch»-Kurse in der Westschweiz: TLM, 252, 9.9.78; JdG, 222, 23.9.78; TA, 240, 16.10.78. Dialekte in der Deutschschweiz: D. Fringeli, «Des Schweizers Deutsch —Sprache als Selbstverständlichkeit», in Schweizer Monatshefle, 58/1978, S. 27 ff.; Vat., 7, 10.1.78; Bund, 17, 21.1.78.