Année politique Suisse 1978 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen
Kirchen
Die Sprachregionen der Schweiz stimmen nicht mit der konfessionellen Geografie des Landes überein. Zwar ist die Kirche heute nicht mehr ein bestimmender Teil des Alltags, doch hat die Verteilung der konfessionellen Kräfte zum Ausgleich zwischen den verschiedenen Sprachgruppen des Landes beigetragen. Innerhalb der einzelnen Stände ist zudem das
Verhältnis zwischen Staat und Kirche unterschiedlich geregelt: Kantonen mit offiziellen Landeskirchen (z.B. Bern, Zürich und Waadt) stehen solche gegenüber, die eine Trennung vollzogen haben (Genf, Neuenburg)
[19]. Die 1976 eingereichte eidgenössische Initiative zur vollständigen Trennung von Kirche und Staat stiess in der Vernehmlassung jedoch auf breiteste Ablehnung. Einzig der Kanton Tessin forderte einen Gegenvorschlag. Der Bundesrat empfahl deshalb dem Parlament die Verwerfung des Volksbegehrens. Der Nationalrat folgte der obersten Landesbehörde. In der Debatte wurde damit argumentiert, dass es Sache der Kantone sei, das Verhältnis von Kirche und Staat zu bestimmen. Bereits in der Vernehmlassung war hervorgehoben worden, dass die Kirchen bei Annahme der Initiative zu privaten Vereinen absinken würden
[20]. In der Verfassung des Kantons Jura werden die römischkatholische und die reformierte Kirche als öffentlich-rechtliche Körperschaften, aber nicht mehr als Landeskirchen anerkannt. Organe beider konfessionellen Gruppen leiteten ein Verfahren zur Einführung eigener' Kirchenverfassungen ein
[21].
Seit 1975 treffen sich Führungskräfte aus
Kirche und Wirtschaft zu regelmässigen Gesprächen. Ein erstes provisorisches Ergebnis der bisherigen Diskussionen liegt nun vor: 18 gemeinsame Thesen über die Aufgaben der Kirche und der wirtschaftlichen Unternehmungen. Unter anderem wurde festgehalten, dass die Kirche dafür sòrgen müsse, dass sie nicht in die Rolle einer politischen Bewegung oder Partei gedrängt und dass ihre Autorität nicht durch Parteien oder Interessengruppen missbraucht werde
[22]. Ausgangspunkt zu diesen grundsätzlichen Formulierungen boten beispielsweise Debatten über wirtschaftspolitische Fragen an der Synode 72 oder die Auseinandersetzung über das Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Zur Illustration sei hier an die Kritik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und anderer Organisationen an der Spende des ÖRK für die rhodesische Patriotische Front erinnert
[23].
[19] Civitas, 33/1977-78, S. 665-734; Profil, 57/1978, S. 224 ff. ; Reformatio, 27/1978, S.229 ff.; Coop-Zeitung, 11, 16.3.78.
[20] Vemehrnlauunpsverfahren, Botschaft des Bundesrates: BBl, II, 1978, S. 665 ff; vgl. Presse vom 2.2.1978 sowie CdT, 227/28, 2:3.2.78; JdG, 46, 24.2.78; NZZ, 207, 7.9.78; LNN, 215, 16.9.78; Bund, 223, 23.9.78; vgl. SPJ, 1977, S. 151. Parlamentsdebatte: Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1792 ff ; vgl. Presse vom 13./14.12.78.
[21] JdG (ats), 8, 10.1.78; 59, 11.3.78; 64, 17.3.78; 126, 2.6.78; 147, 27.6.78; Lib., 296, 22.9.78; vgl. Constitution de la République et Canton du Jura, soumise au vote populaire le 20 mars 1977, Artikel 130-134.
[22] BaZ, 27, 28.1.78; TA, 30, 16.2.78; NZZ, 64, 17.3.78.
[23] Synode 72: SPJ, 1975, S. 148. ÖRK: Focus, 1978, Nr. 94, S. 9 ff.; Reformatio, 27/1978, S. 609 ff.; LNN, 231, 5.10.78; 237, 12.10.78; Ww, 42, 18.10.78; SZ, 298, 23.12.78.
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