Année politique Suisse 1978 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Radio und Fernsehen
Die Ausarbeitung eines neuen Verfassungsartikels für Radio und Fernsehen war rasch an die Hand genommen worden: Anfang Dezember, zwei Jahre nach dem Scheitern der letzten Vorlage, schickte das EVED zwei Vorschläge in die Vernehmlassung. Die erste Variante, ein reiner Kompetenzartikel, strebt eine offene verfassungsrechtliche Grundlage an. Sie sagt nichts über die Ausführungsgesetzgebung aus. In der zweiten Variante werden Radio und Fernsehen als Medien verstanden, deren staats- und gesellschaftspolitische Rollen ausdrücklich formuliert sein sollen. Im Zentrum steht jedoch die Mündigkeit des Radio- und Fernsehkonsumenten; die beiden Medien haben zur selbständigen Meinungsbildung der Zuhörer und Zuschauer beizutragen [18].
Die beiden Varianten für einen Radio- und Fernsehartikel statuieren kein rechtliches Monopol bezüglich der Trägerschaft der elektronischen Medien. Das EVED kommentierte, es müsste zumindest die Möglichkeit mehrerer untereinander konkurrierender Veranstalter offen gelassen werden. 1978 verlängerte der Bundesrat allerdings die Konzession der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) um drei (nicht wie bis anhin um fünf) Jahre, obwohl in zwei parlamentarischen Vorstössen eine Kündigung derselben gefordert worden war [19]. Die SRG war im Berichtsjahr mehrfach ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Selbst Bundespräsident W. Ritschard warf der Institution in einem Brief mangelnde Öffentlichkeitsarbeit, Zugeknöpftheit zwischen den verschiedenen Stufen des Kaders und Intrigen statt Solidaritätsbeweisen vor [20].
Eigentliche Ursache der Auseinandersetzung um die Trägergesellschaft von Radio und Fernsehen war die bereits 1977 geforderte Gebührenerhöhung, gegen die nach Aussage des Vorstehers des EVED nur politische, aber keine sachlichen Gründe sprachen. Kritiker aus verschiedenen Lagern warfen der SRG allerdings eine verfehlte Finanzpolitik vor. An der SRG-Rechnung wurden der überdimensionierte Baufonds, die ungewohnt hohen Abschreibungen, die sehr grossen Verwaltungskosten und die nicht sauber verbuchten Werbeeinnahmen bemängelt. Dies, sowie der positive Abschluss der Rechnung für das Jahr 1977, trug zum kräftigsten Misstrauensvotum gegen die SRG seit 1972 bei: Der Nationalrat überwies gegen den Willen des Bundesrates eine Motion Oehler (cvp, SG), die sich gegen die Gebührenerhöhung wandte. Da die Ständeratskommission anschliessend weitere Überprüfungen in die Wege leitete, sah sich die Landesregierung gezwungen, die Erhöhung vorerst auszusetzen [21]. Über den Vertragskonflikt zwischen der SRG und den Mitgliedern der Mediengewerkschaft SSM wurde an anderer Stelle bereits berichtet [22].
Der neue Verfassungsartikel für Radio und Fernsehen böte auch die Grundlage zu einer befriedigenden Ordnung für das Kabelfernsehen. Aufgrund der seit 1977 geltenden Regelung wurden mehrere Versuche bewilligt. Darunter ist derjenige in Baden hervorzuheben, der von einer wissenschaftlichen Untersuchung begleitet wird und bis 1981 dauern soll. Abgelehnt wurde dagegen die «Züri Vision», ein von der Rediffusion, dem «Tages-Anzeiger» und dem Ringier-Verlag eingereichtes Projekt im Hinblick auf die Zürcher Wahlen. Das Departement Ritschard schrieb dazu unter anderem, dass das Kabelfernsehen das Informationsangebot ergänzen und die Vielfalt der Informationsträger vermehren sollte. Es werde medienpolitisch nicht richtig eingesetzt, wenn es bestehende Konzentrationen noch verstärke [23].
Der «Blick» nahm das 25-jährige Jubiläum des Fernsehens zum Anlass, in einer ausführlichen Serie gegen die Führung des Fernsehens der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) zu schiessen. Die angegriffenen Kaderleute vermochten die Aussagen ehemaliger Fernsehmitarbeiter nicht zu widerlegen. Im «Tages-Anzeiger» wurde vermutet, hinter der «enthüllenden» Folge stünden nicht nur uneigennützige Interessen, sondern auch verlagspolitische Motive: Kapitalkräftige Kreise, die sich um ein privates Fernsehen in der Schweiz bemühten, hätten wenig dagegen, wenn die Monopolgesellschaft SRG in ein schiefes Licht gerate [24].
Regelmässige Kritiken an der Arbeit der Medienschaffenden belegen die unterschiedliche Optik der Fernsehzuschauer. Erwartungen und Bildschirmwirklichkeit stimmen oft nicht überein, zeigen die Grenzen des Mediums Fernsehen auf: Einen lokal begrenzten Entrüstungssturm löste ein Bericht über das Aargauer Jubiläumsfest aus, der von den direkt Beteiligten als verzerrend und manipuliert, von einem aussenstehenden Kritiker als «sorgfältige, gute, in ihrer Art liebevoll gestaltete Filmreportage» (NZZ) bezeichnet wurde. Der Protest führte sogar zu Vorstössen in National- und Ständerat und einem Communiqué der Aargauer Regierung [25]. Eine Petition des Arbeitnehmer-Radio- und Fernsehbundes forderte die Absetzung der langjährigen Sendereihe «Aktienzeichen XY... ungelöst». Sie diene in erster Linie der Befriedigung der Sensationslust des Publikums, stelle einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der Betroffenen dar und erwecke den Eindruck, dass die Kriminalität ganz allgemein bedrohlich anwachse. Die Programmkommission DRS sprach sich für die Beibehaltung der Sendung aus [26].
Der für 1980 vorgelegte neue Strukturplan des Fernsehens richtet sich noch ausgeprägter als bisher nach der deutschen Konkurrenz aus. Das Hauptabendprogramm wird vorverlegt, anspruchsvollere Sendungen werden auf die Zeit nach 21 Uhr verschoben. Auf 1980 ist ausserdem die Regionalisierung der Tagesschau und der Ausbau des Informationsblockes vorgesehen. Bereits 1978 wurde die Hauptabteilung Aktualität und Politik geschaffen. Bei der Besetzung der neuen Posten klagten Fernsehmitarbeiter, dass Parteiinteressen vor den Fähigkeiten einzelner Kandidaten gestanden hätten [27]. Beim Radio wurden neue Programmstrukturen bereits eingeführt. Unter anderem wurde der abendliche Informationsblock zeitlich auf das künftige Fernsehangebot abgestimmt. Ausserdem werden nun in der Deutschschweiz täglich Lokalsendungen für fünf verschiedene Regionen ausgestrahlt [28]. Unzufrieden damit sind die Regierungen der Kantone Solothurn und Aargau, welche von der SRG die Gründung einer eigenen Radio-Mitgliedgesellschaft und eigene Lokalsendungen wünschen [29].
Technisch relativ problemlos zu betreibende Piratensender versuchen stets wieder, das SRG-Monopol zu brechen. Dabei wurde festgestellt, dass die PTT immer mehr Mühe hat, die zunehmende Zahl der illegalen Radiostationen zu lokalisieren [30].
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H.P.F.
 
[18] Presse vom 12.12.78; NZZ, 290, 13.12.78 ; Ww, 50, 13.12.78 ; VO, 280, 14.12.78 ; BN, 302, 27.12.78 ; vgl. SPJ, 1977, S. 154.
[19] SRG-Monopol: 24 Heures, 298, 22.12.78; JdG, 300, 23.12.78; TA, 300, 27.12.78. SRG-Konzession: NZZ, 271, 21.11.78 ; Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1777 ft (Motionen der NR Soldini, rep., GE, und Rüttimann, cvp, AG).
[20] W. Ritschard: TA, 25, 28.10.78; LNN, 256, 4.11.78. Antworten von S. Molo, E. Tenchio (SRG) : BaZ, 287, 9.11.78; Lib., 37, 13.11.78; CdT, 265, 17.11.78.
[21] Finanzpolitik der SRG : Tat, 39, 11.2.78 ; TA, 58, 10.3.78; 107, 11.5.78 ; BN, 93, 22.4.78. Rechnungsabschluss der SRG : LNN, 125, 2.6.78 ; TA, 126, 3.6.78 ; BaZ, 249, 26.9.78. Gebührenerhöhung: BaZ, 27, 28.1.78 ; 94, 2.4.78; Presse vom 11.5.78; 28.10.78; 28.11.78; vgl. auch 24 Heures, 220, 22.9.78; gk, 42, 30.11.78. Parlament: Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1401 ff.; vgl. Presse vom 6.10.78 und vom 24.11.78 (Beschluss der StR-Kommission); vgl. auch SPJ, 1972, S. 139 f.
[22] Vgl. oben, Teil I, 7a (Conflits du travail).
[23] Kabelfernsehordnung: TA, 10, 13.1.78 ; gk, 5, 2.2.78 ; SPJ, 1977, S. 154. Baden : LNN, 162, 15.7.78 ; JdG, 163, 15.7.78. Zürich: Zürcher Presse vom 31.1.78; vgl. TA, 34, 10.2.78; zu den Wahlen vgl. oben, Teil I, 1e (Elections communales, Zurich).
[24] TA, 4, 6.1.78; 80, 7.4.78; 242, 18.10.78; Blick, 226-247, 28.9.-23.10.78; vgl. A. A. Häsler, «Des Schweizers liebster Sündenbock», in Ww, 47, 22.11.78.
[25] BT, 213, 12.9.78; BaZ, 238, 13.9.78; Ww, 38, 20.9.78; NZZ, 224, 20.9.78; TA, 233, 7.10.78; vgl. Verhandl. B. vers., VII, S. 30 (Interpellation NR Baumann, svp, AG) und S. 62 (Interpellation StR Urech, fdp, AG). Vgl. dazu R. Käppeli, «Scharf beobachtete Radio- und Fernsehprogramme», in TA, 131, 9.6.78.
[26] BaZ, 99, 108, 154, 161, 168, 175, 184, 196, 202, 12.4.-26.8.78; glr, 16, 20.4.78; 22, 8.6.78; Zofinger Tagblatt, 109, 12.5.78; TLM, 239, 27.8.78.
[27] TV-Programmstruktur: TA, 92, 21.4.78; 98, 28.4.78; 155/156, 7./8.7.78; vgl. oben, Information. Regionalisierung der Tagesschau : Presse vom 17.2.78; Zoom-Filmberater, 5, 1.3.78. Der Tessiner Staatsrat und NR A. Schmid (sp, AG) reichten Beschwerden gegen die Regionalisierung ein ; vgl. dazu CdT, 82, 8.4.78; NZZ (sda), 141, 21.6.78; Vr, 157/158, 8./10.7.78. Neubesetzung der Abteilung Aktualität und Politik: LNN, 279, 1.12.78.
[28] Seit dem 23.11.1978 verstummt der Mittelwellensender Beromünster nachts: NZZ, 274, 24.11.78 ; vgl. SPJ, 1975, S. 152. Radio-Programmstruktur: Bund, 34, 10.2.78; TA, 87, 15.4.78; LNN, 298, 27.12.78. Lokalsendungen DRS: NZZ, 238, 2.10.78; LNN, 266, 16.11.78.
[29] SZ, 166, 20.7.78; (sda), 185, 11.8.78; 286, 9.12.78; Vat., 284, 7.12.78.
[30] Allgemeine Entwicklung: TA, 280, 1.12.78; Focus, 1978, Nr. 95, S. 33 f. Einzelne Piratensender: TA, 6, 9.1.78; 211, 12.9.78 (Zürich); TLM, 290, 17.10.78 (Lausanne); CdT, 274, 28.11.78 (Bellinzona); TW, 301, 22.12.78 (Bern); vgl. SPJ, 1977, S. 155.