Année politique Suisse 1979 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
Stimmrecht
Der Beschluss beider eidgenössischen Räte, eine
Erweiterung des Stimmrechts auf die 18–20jährigen zu bejahen und dem
Volksentscheid zu unterbreiten, zeitigte ein überraschendes Resultat
[24]. Bereits in der Abstimmungskampagne, in der die Vorlage freilich neben den Initiativen zum Atomkraftwerkbau und zur Suchtmittelreklame nicht recht zur Geltung kam
[25], überwogen die befürwortenden Stellungnahmen bei weitem. Von den Landesparteien gaben nur die Nationale Aktion und die Republikaner die Neinparole aus
[26]. Konservative Stimmen bestritten der in Frage stehenden Altersstufe einerseits die genügende Reife und anderseits ein verbreitetes Interesse für politische Rechte. Auch wurde betont, dass die zivilrechtliche und die politische Mündigkeit zur gleichen Zeit zuerkannt werden sollten. Demgegenüber verwiesen die Befürworter aufdie akzelerierte Entwicklung der jüngsten Generation, auf die weitgehende Einordnung der Jugendlichen in die Gesellschaft (durch Besteuerung, AHV-Beitragspflicht, Führerscheinberechtigung, strafrechtliche Verantwortung), auf die Gefahr einer Überalterung der Aktivbürgerschaft sowie auf die integrierende Wirkung des Stimmrechts
[27]. Am 18. Februar
wurde die Vorlage zwar verworfen ; sie fand aber die Zustimmung von 49,2% der Urnengänger und von 9 Ständen, darunter auch von solchen, welche die Neuerung in früheren Jahren abgelehnt hatten. In der welschen Schweiz überwogen die befürwortenden Stimmen
[28]. Das Ergebnis, zu dem eine stärkere Mobilisierung jüngerer Stimmbürger durch die Atomschutzinitiative beigetragen haben mag, regte verschiedenenorts dazu an, die Heranziehung der Jugendlichen zu den politischen Rechten wie seinerzeit diejenige der Frauen auf kantonaler Ebene vorzubereiten
[29]. Bereits 1979 fiel in zwei Kantonen der Entscheid an der Urne: in Neuenburg positiv, im Tessin dagegen negativ
[30].
Erfolglos waren erneut die Bestrebungen, dem
Frauenstimmrecht auch in den appenzellischen Halbkantonen ganz oder teilweise zum Durchbruch zu verhelfen. Die Ausserrhoder Landsgemeinde verwarf, allerdings knapp, eine Kompromissvorlage. die den Frauen vorerst einmal die Teilnahme an Urnenwahlen (für Kantons- und Ständerat) sowie an Volksinitiativen gewährt hätte
[31]. In Innerrhoden wurde ein Antrag der Regierung für volle Gleichberechtigung vom Grossen Rat nicht an die Landsgemeinde weitergeleitet
[32].
[24] Überraschung: Bund, 41. 1.2.79; NZZ, 41. 19.2.79; Vat., 41. 19.2.79. Vgl. ferner SPJ, 1978. S. 16.
[25] BaZ, 22. 26.1.79; 39. 15.2.79.
[26] Die LPS gab die Stimme frei. ebenso — im Gegensatz zur Landespartei — die FDP von UR. die CVP von VS. anderseits die NA von ZH und TI. Für ein Ja plädierten auch die LP von VD und die Junge NA. für ein Nein das Redressement national (TLM, 43. 12.2.79; NZZ, sda. 37. 14.2.79).
[27] Argumentenkataloge in NZZ, 19. 24.1.79 und TLM, 43. 12.2.79.
[28] BBI, 1979, II, S. 11 . Annehmende Kantone: BL. BS. GE. GL. JU. NE. SZ. TI. VD. ZG. Davon hatten in kantonalen Abstimmungen verworfen: BL und GE 1972. BS und GL 1973. TI 1974. NE 1976 (vgl. SPJ, 1972. S. 14; 1973. S. 13; 1974. S. 13; 1976. S. 17). SZ und JU kannten schon das Stimmrecht ab 18. OW und ZG ab 19 Jahren.
[29] Parlamentarische Initiativen in GE (JdG, 55, 7.3.79), GL (TA, 257. 5.1 1.79). NE (TLM, 132, 12.5.79) und VD (TLM, 303.30.10,79); Anträge der Regierung in TI (CdT, 66. 21.3.79). ZG (Vat., 262. 12.11.79) und ZH (TA, 159, 12.7.79); eingereichte Volksinitiativen in BL. BS und SG. Vgl. dazu unten Teil II, 1b. Mobilisierung junger Stimmbürger: Nach den Erhebungen des Forschungszentrums für schweiz. Politik lag die Beteiligung der 20-39jährigen am 18.2.1979 etwas höher als üblich.
[30] Neuenburg: Annahme mit 52% bei 11% Beteiligung (TLM, 253. 10.9.79). Tessin: Verwerfung am Tage der NR-Wahlen mit 44 675: 40 603 Stimmen (18.2.1979: 34 780 Ja. 33 089 Nein; vgl. CdT, 242. 22.10.79).
[31] SGT, 96. 26.4.79; 100, 1.5.79; NZZ, 99. 30.4.79. Vgl. SPJ, 1978. S. 16 sowie unten, Teil II, 1 b.
[32] NZZ, 66. 20.3.79; T.4. 66. 20.3.79. Vgl. SPJ, 1978. S. 16 sowie unten, Teil II. 1 b.
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