Année politique Suisse 1979 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Bürgerrecht
Die Bedingungen für den Erwerb des Bürgerrechts blieben ein juristischer wie auch ein politischer Streitgegenstand, wobei die Forderung nach Gleichberechtigung der Frau im Vordergrund stand. Dass wohl Väter, nicht aber Mütter ihre schweizerische Nationalität ohne Einschränkung auf ihre Kinder übertragen können, wurde weiterhin als stossend empfunden; ausserdem verbreitete sich die Auffassung. dass eine zeitgemässere Regelung mit Sinn und Wortlaut von Art. 44 BV gar nicht unvereinbar wäre [33]. Dazu kam, dass das Bundesgericht im Juni die bisherige Praxis der Behörden desavouierte. indem es auch eine Frau als Schweizer Bürgerin « von Abstammung» anerkannte, die das Bürgerrecht erst durch Einbezug in die Einbürgerung ihrer Eltern oder aber durch . erleichterte Einbürgerung als Tochter einer Schweizerin erhalten hat [34]. Der von verschiedenen Seiten bestürmte Bundesrat begnügte sich einstweilen damit, die Ende 1978 abgelaufene Einbürgerungsaktion für Kinder aus national gemischten Ehen noch einmal wiederholen zu lassen, um denjenigen, die erst aufgrund der neuen Interpretation des Bundesgerichts für eine Naturalisierung in Betracht fielen, gleiches Recht zu gewähren. Die Räte folgten ihm dabei und lehnten Anträge für eine gründlichere Revision des Bürgerrechtsgesetzes noch ab. wobei sie vor allem die Frage der Verfassungsmässigkeit aufwarfen [35]. Ein weiterer Vorstoss nahm schliesslich die Forderung wieder auf, dass eine Schweizerin bei der Heirat mit einem Schweizer aus einem anderen Kanton ihr bisheriges Bürgerrecht behalten könne [36].
 
[33] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1979. S. 350 ff.. 1496 f. sowie Amtl. Bull. StR, 1979. S. 551 ff.; ferner SPJ, 1978. S. 16 f. Ein Argument lautet, Absatz 2 von Art. 44 BV überlasse es ganz allgemein der Gesetzgebung. die Bedingungen für die Erteilung des Bürgerrechts festzusetzen, und könne durch den spezielleren Inhalt von Abs. 3 nicht eingeschränkt werden. Nach einer anderen Interpretation gehört die Frage des Bürgerrechts eines Kindes zum Zivilrecht. das nach Art. 64. Abs. 2 BV Bundessache ist.
[34] NZZ, 149. 30.6.79; JdG, 152. 3.7.79. Das Bundesgericht bestätigte einen Entscheid des Genfer Verwaltungsgerichts. der vom EJPD angefochten worden war.
[35] BBl, 1979, III, S. 689 ff.; . Amt. Bull NR, 1979.S. 1477 ff.. 1495 ff.; Amtl. Bull. StR, 1979.S. 549 f. Vgl. dazu die von beiden Räten überwiesene Motion Christinat (sp. GE) (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 350 ff.; Amtl. Bull. StR, 1979. S. 445 f.). die darüber hinausgehende Parlamentarische Initiative Christinat (Verhandl. B.vers., 1979. III. S. 16 f.). die Parlamentarische Initiative A. Weber (fdp. UR) ( Verhandl. B.vers.. 1979. I. S. 16). die Dringliche Einfache Anfrage Blunschy (cvp. SZ) (Amtl. Bull NR, 1979. S. 1383) sowie die Motion von StR Miville (sp. BS) (Verhandl. B.vers.. 1979. IV. S.65 f.). Eine Parlamentarische Initiative von NR Pagani (cvp. TI) verlangte eine vom Ehemann unabhängige Einbürgerung der Ehefrau (Verhandl. B.vers., 1979. II. S. 17).
[36] Motion Christinat (sp. GE). vom NR gegen den Antrag des BR überwiesen (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1276 f). Vgl. SPJ, 1972. S. 15.