Année politique Suisse 1979 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Volksrechte
Die Inanspruchnahme der Volksrechte nahm erneut zu. Zwar kam im Wahljahr nur 1 Referendum (1978: 3) zustande, doch wurden 5 (1) neue Volksbegehren eingereicht und für fünf weitere Initiativen lief die Unterschriftensammlung an. Der Abstimmungskalender wurde angesichts der Wahlen entlastet: nur 6 (14) Gegenstände gelangten zum Entscheid, darunter 2 Initiativen. So stieg die Zahl der hängigen Volksbegehren wieder an (von 8 auf 10; eines wurde zurückgezogen)
[36].
Die Probleme der Information und der Beteiligung der Stimmbürger beschäftigten Behörden und Öffentlichkeit weiterhin. Die seit 1978 den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen beigegebenen offiziellen Erläuterungen, das sogenannte «
Bundesbüchlein», wurden vielfach kritisch beurteilt. Besonderen Unwillen erregte es bei den Befürwortern der Atomschutzinitiative. als deren Formulierung «Zustimmung der Stimmberechtigten» vom Bundesrat dahin interpretiert wurde, dass die vorgesehenen Abstimmungen über Atomanlagen nicht durch einfache Stimmenmehrheit. sondern nur mit dem absoluten Mehr aller Stimmberechtigten positiv entschieden werden könnten und deshalb prohibitiv wären
[37]. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und eine sozialdemokratische Motion verlangten darauf, dass den Urhebern einer Initiative oder eines Referendurns im «Bundesbüchlein» Raum für eine eigene Darstellung ihres Standpunktes gewährt werde. Der Bundesrat erklärte sich aber nur bereit, künftig jeweils Vertreter des gegnerischen Standpunktes zu einem Gespräch zu empfangen, um so der Vorschrift, dass die Erläuterung den Auffassungen wesentlicher Minderheiten Rechnung tragen müsse, besser genügen zu können
[38].
Aufgrund der 1977 veröffentlichten Untersuchung der Politologen Neidhart und Hoby über die
Stimmabstinenz hat eine Arbeitsgruppe des EJPD Vorschläge zu Gegenmassnahmen aufgestellt. Da diese jedoch von tiefgreifenden institutionellen Anderungen absehen, wirken sie wenig spektakulär. Behördliche Beteiligungswerbung, Auszeichnung regelmässiger Urnengänger, Erleichterungen der Stimmabgabe sowie Verbesserung von Information und Gesetzessprache bilden die hauptsächlichen Anregungen, die den Behörden aller Stufen, den Parteien und den Massenmedien nahegelegt worden sind
[39]. Als wesentliche Ursachen der geringen Stimmbeteiligung in der Schweiz nennt eine neue wissenschaftliche Studie namentlich die Überforderung der Bürger durch zu viele Sachfragen sowie das Konkordanzsystem, das die Konflikte zu eliminieren sucht und nur minimale Neuerungen zulässt
[40].
[36] Vgl. SPJ, 1978. S. 23 f.; Gesch.ber., 1979. S. 4 f.; NZZ, 274. 24.1 1.79. Referendum: vgl. unten, Teil I. 6a (Kernenergie). Eingereichte Initiativen: vgl. unten, Teil I, 3 (Dienstverweigerer). 4a (Konjunkturpolitik), 4b (Banken). 6c (Droit foncier). 7a (Durée du travail). Zurückgezogene Initiative: vgl. unten, Teil I, 6d (Bruit).
[37] Kritik: BaZ, 15. 18.1.79; TA, 14. 18.1.79; Ldb, 171. 27.7.79. Atomschutzinitiative: TA (ddp/sda). 4. 6.1.79; (ddp). 8. 11.1.79; vgl. unten, Teil I, 6a (Kernenergie). Vgl. auch SPJ, 1977. S. 22; Vox. Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 28.5.78. S. 15 f.; Gesch.ber., 1979, S. 2.
[38] SGB: TW, 155. 6.7.79. Motion Euler (sp. BS). als Postulat überwiesen: Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1679 f. Bundesrat: Presse vom 10.10.79. Vgl. auch BaZ, 182. 7.8.79.
[39] Massnahmen zur Erhöhung der Stimm- und Wahlbeteiligung in der Schweiz, Bern 1979. Vgl. Gesch.ber.. 1979. S. 110 ff. sowie Kritik in Bund, 72. 27.3.79 u. TA, 72. 27.3.79.
[40] A. Riklin, Stimmabstinenz und direkte Demokratie, hrsg. vom Schweiz. Aufklärungsdienst. Zürich 1979.
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