Année politique Suisse 1979 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung
 
Zivildienst
Nach wie vor bleibt die Frage der Dienstverweigerer aktuell. Mit rund 113 000 gültigen Unterschriften wurde im Dezember eine Initiative für einen echten Zivildienst eingereicht. Absicht dieses Volksbegehrens ist es, die Gewissensprüfung durch den «Tatbeweis» zu ersetzen, indem der Verweigerer die Ernsthaftigkeit seiner Motive dadurch glaubwürdig macht, dass er einen Ersatzdienst aufsich nimmt, der um die Hälfte länger dauert als die Militärpflicht. Die Urheber des Vorstosses erachten diese Lösung als gangbaren Kompromiss zwischen den Bedürnissen der Armee und den Wünschen der Betroffenen [42]. Auf eine Entschärfung des Problems der Dienstverweigerer, deren Zahl sich 1979 von 391 im Vorjahr auf 340 verringerte [43], zielten neben der Volksinitiative auch zwei Motionen, mit denen die FDP und die SP die Regierung ersuchten, die Möglichkeit des waffenlosen Militärdienstes auszubauen. Nachdem der Vorsteher des EMD ausdrücklich zugesichert hatte, dem Parlament im kommenden Jahr eine Vorlage zu diesem Geschäft zu unterbreiten, stimmten die Unterzeichner einer Umwandlung in ein Postulat zu [44]. Das Militärdepartement versuchte jedoch, dem Widerstand gegen die Armee auch dadurch beizukommen, dass es einen Bericht ausarbeiten liess, der sich mit der Frage befasste, wie die Lehrer vermehrt von der Notwendigkeit der Streitkräfte überzeugt und zu einer entsprechenden Beeinflussung der Schüler veranlasst werden könnten. Dieser Versuch erntete auf der Linken scharfe Kritik [45].
Neugeregelt wurde 1979 der Militärpflichtersatz. Die Vorlage des Bundesrates von 1978, die in der Veranlagung verschiedene Erleichterungen brachte, anderseits aber den Steuersatz erhöhte, vermochte nicht alle Kreise zu befriedigen. Insbesondere die Invalidenverbände zeigten sich von der Vorlage enttäuscht, weil sie keine Befreiung aller geistig und körperlich Behinderten vorsah, während gleichzeitig die aus beruflichen Gründen nicht militärdienstpflichtigen SBB-Beamten davon ausgenommen wurden. Sozialdemokratische Vorstösse, die sich die Forderungen der Invaliden zu eigen machten, wurden in beiden Kammern, im Nationalrat allerdings nur knapp, abgelehnt. Die Mehrheit stellte sich auf den Standpunkt, auch unter den Behinderten gebe es Gutgestellte, die zur Leistung des Beitrags imstande seien. Sie versuchte immerhin der Kritik die Spitze zu nehmen, indem sie, über die Anträge des Bundesrates weit hinausgehend, den grössten Teil der Invaliden von der Leistung der Abgabe entband [46].
 
[42] NZZ, 292. 15.12.79; TA, 292, 15.12.79; TW, 294, 15.12.79.
[43] Gesch. ber., 1979, S. 184.
[44] Amtl. Bull. NR, 1979, S. 528 ff.
[45] Lehrer. vorwärts marsch! Militärs greifen nach der Schule, Zürich 1979; vgl. auch TA, 286, 8.12.79.
[46] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 53 ff.. 622 ff.. 872; Amtl. Bull. StR, 1979. S. 204 f.. 209 ff.. 315; AS, 1979, S. 1733 ff.: vgl. auch SPJ, 1978. S. 52. Zur Kritik der Invaliden vgl. Stellungnahme des Schweiz. Invalidenverbandes in TA, 65, 19.3.79; ferner siehe P. Walti, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Zürich 1979.