Année politique Suisse 1979 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
Bei der Beurteilung der Konjunkturlage im Jahre 1979 überwogen trotz des bescheiden gebliebenen Wachstums die positiven Töne. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm nur um 0,5% zu (der 1978 erzielte Zuwachs hatte laut genauerer Berechnungen 0,2% betragen). Während die Exportindustrie in der ersten Jahreshälfte noch mit den Nachwirkungen der Frankenaufwertung von 1978 zu kämpfen hatte, konnte sie anschliessend immer mehr von der guten Wirtschaftslage in den wichtigsten Absatzländern sowie von der nominalen Wechselkursstabilität profitieren, ja sie vermochte ihre Konkurrenzposition infolge der im internationalen Vergleich immer noch niedrigen Inflationsrate sogar zu verbessern. Den prozentual bedeutsamsten Wachstumsbeitrag leisteten aber nicht mehr wie in den Vorjahren die Exporte, sondern die Investitionen in Bauten und Ausrüstungen mit einer Steigerung um 7,2%. Das reale Wachstum des privaten Konsums sowie der laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen hat sich demgegenüber wieder verflacht [6].
Die Investitionsfreudigkeit der Wirtschaft hat sich also 1979 fortgesetzt, wozu diesmal auch der Wiederaufschwung im Wohnungsbau beigetragen hat. Bei den Ausrüstungsinvestitionen, bei denen es sich zu einem guten Teil um Anpassungen an den seit der Rezession stärker gewordenen Rationalisierungsdruck handeln dürfte, soll laut Prognosen der Aufwärtstrend auch in der näheren Zukunft vorherrschen [7]. Die Gesamtbeschäftigung litt in der ersten Jahreshälfte noch etwas unter der konjunkturellen Abschwächung, erholte sich dann aber und dürfte im Jahresdurchschnitt um 0,6% über derjenigen des Vorjahres gelegen haben. Der Zuwachs ging allerdings ausschliesslich auf das Konto des dritten Sektors. Von Betriebseinstellungen waren 178 Betriebe mit 4230 Beschäftigten betroffen; mehr als ein Viertel davon stammten aus der besonders krisengeplagten Uhrenindustrie [8].
Die industrielle Produktion (unter Ausschluss der Energieerzeugung) wurde um 1% gesteigert, Die grössten Fortschritte erzielten die Kunststoffverarbeitung, die Metallindustrie und die Papier- und Kartonherstellung. Die Uhrenindustrie musste mit -17% den grössten Rückgang in Kauf nehmen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieser mengenmässige Schrumpfungsprozess mitverursacht ist durch die Umstellung der Produktion von billigen Massenuhren auf teurere, in kleineren Serien hergestellte Erzeugnisse [9]. Im Baugewerbe hielt wegen des verstärkten Wohnungsbaus, an dem neuerdings auch die Mehrfamilienhäuser partizipieren, der leichte Aufwärtstrend an [10]. Im Tourismus setzte sich die seit 1972 herrschende Abwärtstendenz, welche nur 1977 unterbrochen werden konnte, fort. Infolge des währungsbedingten Ausbleibens ausländischer Gäste bildeten sich die Hotelaufenthalte um 3,5% zurück. Immerhin machte sich der Wertverlust des Frankens in der zweiten Jahreshälfte bereits positiv bemerkbar [11].
Der Konsumentenpreisindex hat sich 1979 wieder stärker nach oben bewegt; im Jahresdurchschnitt stieg er um 3,6% (1978: 1,0%). Dabei nahmen im Jahresverlauf die Monatsraten im Vergleich zum Vorjahresmonat regelmässig zu, um im Dezember 5,2% zu erreichen. Auf Grosshandelsstufe verlief die Teuerung weitgehend parallel und belief sich im Jahresdurchschnitt auf 3,8% (1978: -3,4%). Verursacht wurde diese Entwicklung in erster Linie durch Preiserhöhungen (auf Fremdwährungsbasis) bei importierten Rohstoffen — insbesondere beitn Erdöl —, welche durch den Wertverlust des Frankens noch verstärkt wurden [12]. Da im Schnitt etwa die Hälfte des Anstiegs des Konsumentenpreisindex auf die Verteuerung des Erdöls zurückzuführen war, regten der Arbeitgeberverband und die SVP die Berechnung von zwei verschiedenen Indexreihen an: einer mit und einer ohne Berücksichtigung der Erdölprodukte. Der Bundesrat betonte demgegenüber, dass der für die Berechnung des Teuerungsausgleichs massgebliche Index ein Verständigungswerk der Sozialpartner sei und es nicht angehe, einzelne Komponenten willkürlich auszuklammern. Zu Informationszwecken publizierte das BIGA immerhin auch die hypothetische Monatsteuerung, welche sich ohne Erdölpreise ergeben hätte; dem Begehren nach der Führung von zwei Indexreihen wurde aber nicht entsprochen. Die Landesregierung und mit ihr der Nationalrat lehnten es auch ab, aus gesundheitspolitischen Gründen die Preise für Alkohol- und Tabakwaren aus der Indexberechnung auszuklammern, wie dies V. Oehen (na, BE) gefordert hatte [13].
 
[6] Mitteilungen/Konjunkturfragen, Nr. 262. Vgl. ebenfalls SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1979. Zürich 1979; SKA, Bulletin, 85/1979. Nr. 12, S. 10 ff. Zu den BSP-Zahlen für 1978 vgl. Die Volkswirtschaft, 51/1979. S. 563 ff.
[7] Mitteilungen/Konjunkturfragen, Nr. 262, S. 6; Die Volkswirtschaft, 53/1980, S. 21 ff. Zum Wohnungsbau vgl. unten, Teil I, 6c (Construction de logements).
[8] Die Volkswirtschaft, 53/1980. S. 17 ff. und 99 ff. Siehe im weitem unten. Teil I, 7a (Marché du travail).
[9] Die Volkswirtschaft, 53/1980. S. 163 ff. Zur Uhrenindustrie vgl. auch SKA, Bulletin, 85/1979. Nr. 12. S. 14 f.; Bund (sda), 261, 7.11.79.
[10] Die Volkswirtschaft, 53/1980. S. 153 ff. Vgl. auch «Bautätigkeit 1978 und Bauvorhaben 1979», in Mitteilungsblatt des Delegierten für Konjunkturfragen, 35/1979. S. 45 ff.
[11] Die Volkswirtschaft, 53/1980, S. 165 ff.
[12] Mitteilungen/Konjunkturfragen, Nr. 262, S. 9 f. vgl. auch unten, Teil I, 6a (Erdöl).
[13] SAZ, 74/1979. S. 503 Amtl. Bull. NR, 1979, S. 134 f. Siehe auch Gewerkschaftliche Rundschau, 71/1979, S. 316 f. und TW, 188. 14.8.79. Vorstösse Oehen: Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1146 und 1624 ff. Vgl. auch S. Borner. «Droht wieder Inflation?», in Die Volkswirtschaft, 52/1979, S. 409 f.