Année politique Suisse 1979 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerb
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Konsumentenschutz
Anlässlich der Beratungen der zuständigen Nationalratskommission ist ein weiterer Vorschlag für einen Verfassungsartikel über den Konsumentenschutz ausgearbeitet worden. Die Kommissionsmehrheit schlägt ein weitgehendes Festhalten an der auch von der Volksinitiative und der gleichlautenden parlamentarischen Initiative Waldner (sp, BL) geforderten Generalklausel vor, möchte aber ausdrücklich erwähnen, dass bei Massnahmen zugunsten der Konsumenten die Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzt werden darf. Dem Bundesrat geht diese allgemeine Bevollmächtigung zum Erlass von konsumentenschützerischen Gesetzen zu weit. Er verlangt, dass neue Bundesaufgaben bereits auf Verfassungsstufe genau definiert sein müssen und beantragt deshalb die Zustimmung zu dem von den Konsumentenorganisationen kritisierten Entwurf der Expertenkommission des EVD unter dem Vorsitz von Prof. Nef. Dieser Entwurfzählt die allfälligen neuen Befugnisse abschliessend auf. Die grosse Kammer entschied sich, vorerst die parlamentarische Initiative Waldner zu behandeln und die Volksinitiative mit dem dazugehörigen bundesrätlichen Gegenvorschlag zurückzustellen. Dies um zu verhindern, dass — bei einer Annahme des Gegenvorschlags durch das Parlament — die Schaffung eines Konsumentenartikels in der Volksabstimmung an einem doppelten Nein scheitert. In der eigentlichen Beratung setzte sich gegen den Widerstand des Freisinns und der SVP, welche sich den Argumenten der Regierung anschlossen, die Fassung der Kommissionsmehrheit (Generalklausel unter Wahrung der Handels- und Gewerbefreiheit) mit 83:60 Stimmen durcit [27].
Oft werden Konsumenten durch spezielle Abmachungen in Kaufverträgen (auch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder «Kleingedrucktes» genannt) übervorteilt. Mit einer Motion verlangte Nationalrat Alder (ldu, BL), dass man die Grundsätze dieser Geschäftsbedingungen durch das Obligationenrecht regle, um missbräuchliche Formulierungen verbieten zu können. Gegen den Bundesrat, der sich nicht darauf festlegen lassen wollte, in welches Gesetzeswerk diese an sich unbestrittene Neuerung aufzunehmen sei, und deshalb die Umwandlung in ein Postulat empfahl, beschloss derNationalrat Festhalten an der Motionsform. Die kleine Kammer korrigierte daraufhin diesen Entscheid und stellte sich hinter den Antrag der Exekutive [28]. In verschiedenen Staaten sind zur Zeit Bestrebungen im Gange, eine sogenannte Produktehaftpflicht einzuführen. Diese Kausalhaftung macht die Herstellerfirmen für Schäden, die dem Letztabnehmer durch fehlerhafte Erzeugnisse zugefügt werden, verantwortlich und entschädigungspflichtig. Wohl erkannte der Bundesrat dem von Nationalrat Neukomm (sp, BE) als Motion eingereichten Begehren seine Bedeutung zu. Da er diese Frage aber international geregelt sehen möchte und ein Vorprellen der Schweiz ablehnt, sprach er sich für die Umwandlung in ein Postulat aus und erhielt dabei die Unterstützung der Mehrheit der Volkskammer [29].
 
[27] BBl, 1979, II, S. 53 ff. (Bericht der NR-Kommission) und 745 ff. (Botschaft und Gegenvorschlag zur Volksinitiative); Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1082 ff.; NZZ, 220. 22.9.79. VgI. auch SPJ, 1978. S. 59; Ernst. A. Kramer. «Konsumentenschutz als neue Dimension des Privat- und Wettbewerbsrechts», in Zeitschrift für Schweiz. Recht, 98/1979, I, S. 49 ff und F. J. Albrecht, Konsumerismus und Konsumenteninformation als verbraucherpolitisches Instrument, Zürich 1979.
[28] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 596 tT. ; Amtl. Bull. StR, 1979, S. 344 ff.
[29] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1155 ff Der StR lehnte eine gleichlautende Motion Lieberherr (sp, ZH) ab (Amtl. Bull. StR, 1979. S. 352 ff.).