Année politique Suisse 1980 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage war im Berichtsjahr gut. Der Wirtschaftsaufschwung setzte sich insbesondere in der ersten Jahreshälfte verstärkt fort. Gegen Jahresende deuteten allerdings verschiedene Anzeichen darauf hin, dass der obere Wendepunkt des Konjunkturzyklus erreicht war. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm schätzungsweise um 3% (1979: 2,2%) zu. Die Exportindustrie wurde begünstigt vom realen Wertverlust des Schweizerfrankens und, wenigstens in der ersten Jahreshälfte, von der guten Konjunkturlage in den meisten Absatzländern. Die verbesserte Beschäftigungs- und Einkommenssituation führte aber auch zu einem realen Wachstum der Inlandnachfrage. Den relativ grössten Wachstumsbeitrag leisteten wie bereits ein Jahr zuvor die Investitionen. Der Boom im privaten Wohnungsbau hielt weiter an; zudem schuf der allgemein gute Geschäftsgang die Voraussetzungen Kir eine deutliche Zunahme der Investitionen im industriellen und gewerblichen Bereich. Von der öffentlichen Hand gingen demgegenüber kaum Wachstumsimpulse aus [4].
Die Gesamtbeschäftigung nahm 1980 um 2% zu. Im Widerspruch zum langfristigen Trend fiel dabei die Zunahme im zweiten Sektor stärker aus als im Dienstleistungssektor. Entsprechend der grossen Nachfrage nach Bauleistungen war die grösste Beschäftigungssteigerung im Baugewerbe zu verzeichnen (+6,7%). Auch die Banken wiesen mit +4,5% eine deutlich überdurchschnittliche Personalzunahme aus. Rückläufig war die Beschäftigung hingegen bei der Herstellung von Bekleidung, Getränken und Uhren (zwischen -0,4 und -0,8%). Auf diese drei Branchen entfielen denn auch fast die Hälfte der im industriellen Bereich registrierten Betriebseinstellungen. Deren Gesamtzahl ging auf 152 zurück und erreichte damit den niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren [5].
Die industrielle Produktion (ohne Energieerzeugung) wurde um 5% gesteigert. Die grössten Zuwachsraten erzielten die Maschinen- und Apparateindustrie und das graphische Gewerbe mit je 9%. Dass die Uhrenindustrie ihren mengenmässigen Ausstoss um 4% ausweiten konnte und auch der Wert ihrer Exporte anstieg, deutet an, dass sie nach einem radikalen Schrumpfungsprozess im Begriffe ist, die Herausforderung der neuen Technologie (Elektronik) zu meistern. Nur noch ein geringes Produktionswachstum erzielte der Spitzenreiter des vorigen Jahres, die Chemie. Hier wirkten sich, anders als etwa in der Maschinenindustrie, die rezessiven Erscheinungen im Ausland schnell auf den Geschäftsgang a»s. Dass sich die weltweite Konjunkturabkühlung aber in naher Zukunft auch in den übrigen exportorientierten Branchen bemerkbar machen wird, lässt sich am gebremsten Wachstum der Auftragseingänge ablesen. Im Tourismus bestätigte sich die bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 1979 eingeleitete aufsteigende Tendenz. Die im internationalen Vergleich tiefe Inflationsrate und die Verbilligung des Schweizer Frankens liessen die Ferienreisenden nicht unbeeindruckt. Die Zahl der Übernachtungen nahm um 12,1% zu (bei den Ausländern lag der Zuwachs gar bei 19,7%); damit wurde das beste Ergebnis nach der Rezession von 1975 erzielt. Die starke Produktionszunahme im Baugewerbe führte zu Warnungen vor einer Konjunkturüberhitzung in diesem Bereich, welche zu einer erneuten Uberkapazitätskrise führen könnte [6].
Die Teuerung beschleunigte sich weiter, blieb aber niedriger als in der Mehrzahl der übrigen Industriestaaten. Der Konsumentenpreisindex nahm im Jahresdurchschnitt um 4% zu (1979: 3,6%). Während noch zu Jahresbeginn die Erdölimporte für die Teuerung ausschlaggebend gewesen waren, wurde in der zweiten Jahreshälfte der Index durch Preisaufschläge bei den Lebensmitteln und im Bereich Bildung und Erziehung in die Höhe getrieben. Noch stärker als die Konsumentenpreise stiegen die Grosshandelspreise an. Zu der jahresdurchschnittlichen Steigerung um 5,1% (1979: 3,8%) trugen inländische und importierte Güter gleichermassen bei [7].
 
[4] SNB, Geschäftsbericht, 73/1980, S. 16 ff. ; Gesch.ber., 1980, S. 241 f. Zum Sozialprodukt für 1979 siehe Die Volkswirtschaft, 53/1980, S. 625 ff.
[5] Die Volkswirtschaft, 54/1981, S. 151 ff. Zur Lage der einzelnen Branchen siehe auch Die Volkswirtschaft, 54/1981, S. 163 ff; Bulletin/SKA, 86/1980, Nr. 12, S. 11 ff.; 87/1981, Nr. 3, S. 7 und Nr.4, S.6 f. SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1980, Zürich 1980. Speziell zur Baukonjunktur vgl. Bund, 170, 23.7.80; 110, 13.5.81. Uhrenindustrie: Ww, 15, 9.4.80; Bulletin/SKA. 86/1980, Nr. 7, S. 8.
[6] Die Volkswirtschaft, 54/1981, S.7 ff. u. 87 ff.
[7] Die Volkswirtschaft, 54/1981, S. 4; SNB, Geschä/isbericht, 73/1980, S. 22. Vgl. auch SPJ, 1979, S. 66 und unten, Teil I, 4b (Geldmenge).