Année politique Suisse 1980 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Strukturpolitik
Die Massnahmen der Strukturpolitik sehen sich in der Regel weniger grossen Einwänden ausgesetzt als die konjunkturpolitisch motivierten Staatsinterventionen. Die Notwendigkeit der teilweisen Behebung der Standortnachteile von Berg- und Randregionen wird aus staats- und raumordnungspolitischen Gründen in weiten Kreisen anerkannt. Von den Bundesunterstützungen für Diversifikationsvorhaben in wirtschaftlich einseitig strukturierten Gegenden profitiert nun auch das südöstliche Bodenseeufer (Teile der Kantone St. Gallen und Thurgau). Das Schwergewicht dieser Massnahmen entfällt aber immer noch auf die Uhrenregionen, befinden sich doch mehr als drei Viertel der 41 bisher unterstützten Projekte in diesem Raum. Eine direkte Massnahme zur Förderung der Uhrenindustrie — die den Bund allerdings nichts kostet — besteht in der staatlich verbürgten Qualitätskontrolle, deren Fortführung um zehn Jahre der Bundesrat dem Parlament vorschlägt. Weitere acht Bergregionen erhielten durch die Genehmigung ihrer Entwicklungskonzepte die Berechtigung, finanzielle Beihilfe gemäss dem Investitionshilfegesetz für Berggebiete (IHG) zu beziehen [12].
In Basel-Land und Uri stimmte der Souverän kantonalen Wirtschaftsförderungsgesetzen zu. Dass sich auch der wirtschaftlich prosperierende Kanton Basel-Land ein Förderungsgesetz gegeben hat, liegt darin begründet, dass die Regierung sich durch eine noch weiter gehende Volksinitiative der SP und des Gewerkschaftskartells zu einem Gegenvorschlag veranlasst sah [13]. Im Thurgau legte die Regierung den Entwurf zu einem entsprechenden Gesetz vor. Im Aargau reichten SP und Gewerkschaften eine Volksinitiative ein, worin sie eine kantonale Strukturpolitik fordern. Um zu verhindern, dass sich die diversen Stellen bei ihren Bemühungen um die Ansiedelung von neuen Unternehmen gegenseitig übermässig konkurrenzieren, riefen die kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren eine Arbeitsgruppe ins Leben [14].
Eine andere, bisher in der Schweiz noch nicht praktizierte Strukturpolitik besteht darin, mittels staatlicher Massnahmen die Unternehmensgrösse zu beeinflussen. Mit der Überweisung eines Postulats Binder (cvp, AG) ersuchte der Ständerat die Landesregierung, einen Bericht über die Lage der kleinen und mittelgrossen Unternehmen zu erstellen und unter Umständen Massnahmen zur Förderung dieser Betriebe vorzuschlagen. Dabei dachten die Ständeräte weniger an eine Subventionierung von Kleinbetrieben als an die Entlastung von administrativem Aufwand, welcher durch staatliche Vorschriften erzeugt wird [15].
 
[12] Wirtschaftlich einseitige Strukturen: BBl, 1980, I, S. 1337; Ldb, 83, 11.4.80; Gesch.ber.. 1980. S. 263. Uhrenkontrolle: BBl, 1980, 111, S. 1333 ff.; Suisse, 169, 17.6.80. IHG: Gesch.ber., 1980, S. 264 f. Siehe auch F. Mühlemann, «Zur Beurteilung der Effizienz regionaler Wirtschaftsförderung», in Dokumente und Informationen zur schweiz. Orts-, Regional- und Landesplanung, 1980, Nr. 58, S. 11 ff.; E. Brugger und F. Mühlemann (Hrsg.), Regionale Disparitäten, Bern 1980; G. Fischer, Der Wohlstand der Kantone, Band I, Bern 1980. Für eine aktivere regionale Strukturpolitik mit Lohnsubventionen für Arbeitsplätze in Randregionen wird plädiert in H. Hollenstein / R. Lörtscher, Die Struktur- und Regionalpolitik des Bundes, Diessenhofen 1980.
[13] Basel-Land: BaZ, 6, 8.1.80; 7, 9.1.80; 132, 9.6.80 (13 001 Ja : 8861 Nein). Der Landrat erachtete damit auch die 1978 von der POCH eingereichte Volksinitiative zur Sicherung von Arbeitsplätzen als erledigt. Die Initianten reichten gegen diesen Beschluss Beschwerde beim Bundesgericht ein (BaZ, 55, 5.3.80). Vgl. auch SPJ, 1979, S. 68 und 1978, S. 57 f. Uri: Vat., 96, 25.4.80; 101, 1.5.80; 226, 29.9.80.
[14] Thurgau: Ldb, 194, 23.8.80. Aargau: LNN, 239, 14.10.80. Arbeitsgruppe: BaZ, 112, 14.5.80; Bund, 156, 7.7.80.
[15] Amtl. Bull StR, 1980. S. 239 f.; Vat., 75, 29.3.80. Die Lage der Klein- und Mittelbetriebe wird auch von einer speziellen Studiengruppe des Vororts erörtert (wf, Dok., 34, 25.8.80).