Année politique Suisse 1980 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerb
Der Detailhandel profitierte von der guten Konjunkturlage und steigerte seinen Umsatz real um 2%. Dies konnte aber nicht ausreichen, die Existenzängste der Kleinladenbesitzer zum Verschwinden zu bringen. Eine gewisse Verbesserung in ihrem Kampf mit den Discountgeschäften und den Grossverteilern erhoffen sie sich von der
Totalrevision des Bundesgesetzes über den unlautern Wettbewerb (UWG). Der vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Entwurf sieht insbesondere Massnahmen gegen aggressive Werbemethoden, gegen Produktimitationen und gegen die — allerdings schwer definierbaren — sogenannten Lockvogelpreise vor. Da eine allgemeine Festlegung von Minimalverkaufspreisen schon aus ordnungspolitischen Gründen kaum in Frage kommt, wird sich die Frage stellen, unter welchen Bedingungen jeweils ein Preis als Lockvogelpreis zu gelten hat
[17]. Die im Detaillistenverband zusammengeschlossenen Händler wurden aber auch selbst politisch aktiv und trugen wesentlich bei zum Zustandekommen der
von der Republikanischen Bewegung lancierten Volksinitiative gegen das Ladensterben. Dem Gewerbeverband hingegen, dem auch die Detaillisten angehören, ist das als allgemeine Anregung formulierte Begehren mit seiner Forderung nach einem Bedarfsnachweis für Einkaufszentren und nach der Entflechtung von Grossbetrieben zu interventionistisch
[18]. Wie diese Volksinitiative ist auch die parlamentarische Initiative von Nationalrat Schärli (cvp, LU) in erster Linie gegen die beiden grössten Detailhändler, die als Konsumentengenossenschaften organisierten Migros und Coop, gerichtet. Der vorberatenden Nationalratskommission geht zwar die von Schärli geforderte Sondersteuer für Grossgenossenschaften zu weit, sie kündigte aber eine Motion an, mit der die Veränderung der Besteuerungsprinzipien für Genossenschaften angestrebt wird. Nach dem Willen einer knappen Kommissionsmehrheit sollen in Zukunft die Ausgaben für Vergünstigungen an Genossenschafter dem versteuerbaren Reingewinn zugeschlagen werden
[19].
Grundsätzliche
Kritik an der Geschäftspolitik der Migros wurde ebenfalls von einem Teil ihrer Genossenschafter geübt, welche sich 1979 zu einem Verein «Migros-Frühling» zusammengeschlossen hatten. Erklärtes Ziel dieser Opposition ist es, unter Wahrung der demokratischen genossenschaftlichen Strukturen den viertgrössten Konzern der Schweiz zu einem Beispiel der sogenannten alternativen Wirtschaft umzuwandeln. Nicht mehr uneingeschränkte Konsumbedürfnisbefriedigung und Umsatzsteigerung• sollen die Geschäftspolitik bestimmen, sondern die möglichst umfassende Schonung der Umwelt und der menschlichen Gesundheit. Durch die Dezentralisierung des Konzerns und der einzelnen Produktions- und Verkaufsbetriebe soll — dies vielleicht als wichtigstes Ziel der Bewegung — die Grundlage für die Selbstverwaltung geschaffen werden. Obwohl die Wahlerfolgschancen infolge des herrschenden Majorzsystems gering waren, bewarben sich die Oppositionellen in allen Regionalgenossenschaften mit Ausnahme des Wallis um Sitze in den Vorständen und in der Konzernspitze. Für diese erste Kampfwahl um die Leitung der Migros schritten 36% der rund 1,1 Mio Genossenschafter zur Urne; etwa 20% davon gaben ihre Stimme der «grünen» Opposition. Durch den Achtungserfolg ermutigt, beschloss diese die Fortsetzung ihrer Bemühungen um die Reform der Migros. Gestützt auf die Genossenschaftsstatuten lancierte sie Initiativen fir die Einführung des Proportionalwahlrechts sowie für den Verzicht auf den Verkauf von Produkten aus industrieller Tierhaltung
[20].
Die Errichtung von
Einkaufszentren vor den Toren der grossen Städte stösst auf wachsende Widerstände. Mit verkehrs- und raumordnungspolitischen Argumenten verweigerten Gemeinden in den Regionen Basel und Bern die Baubewilligung fir geplante Zentren. In Glarus erliess die Regierung, gestützt auf das neurevidierte Baugesetz, die Bewilligungspflicht für Einkaufszentren. Der Zürcher Kantonsrat überwies eine Motion der SVP, welche verlangt, dass anlässlich der nächsten Revision des Planungsgesetzes Bestimmungen zur Verhinderung raumplanerisch unerwünschter Verkaufsstätten geschaffen werden
[21].
[17] Detailhandelsumsatz: NZZ (ddp), 24, 30.1.81 ; SNB, Geschäftsbericht, 73/1980, S. 16. UWG: Bund, 133, 10.6.80; NZZ, 136, 14.6.80; TLM (ats), 365, 31.12.80. Vgl. auch R. P. Jetzer, «Lockvogelwerbung», in Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 5, 12.5.80.
[18] BBl, 1980, III, S. 1297 ff. ; LNN, 204, 3.9.80; Schweiz. Detaillisten-Zeitung, 1, 21.1.80;10, 22.10.80. Siehe auch SPJ, 1979, S. 69.
[19] Bund, 217, 16.9.80; BaZ (ddp). 280, 27.11.80; vgl. auch SPJ, 1979, S. 69 sowie P. Böckli, «Reform der Genossenschaftsbesteuerung», in Steuer-Revue, 35/1980, S. 235 ff.
[20] Ww, 7, 13.2.80; Bund, 70, 24.3.80; 114, 17.5.80; 119, 23.5.80; TA, 142, 21.6.80; LNN, 164, 17.7.80; 24 Heures, 284, 6.12.80. H. A. Pestalozzi (Hrsg.), M-Frühling — Vom Migrosaurier zum menschlichen Mass, Bern 1980. Je nach Region erhielt die Opposition zwischen 14% (St. Gallen) und 26% (Zürich) der Stimmen (Jahresbericht des Migros-Genossenschafts-Bundes. 1980, S. 39 ff.). Vgl. auch M-Sozialbilanz. Zürich 1980 sowie SPJ, 1979, S. 69.
[21] Basel: BaZ, 223, 23.9.80; 228, 29.9.80. Bern: Bund, 224, 24.9.80. Glarus: NZZ (ddp), 166, 19.7.80. Zürich: Vr, 156, 12.8.80.
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