Année politique Suisse 1980 : Wirtschaft / Landwirtschaft
Pflanzliche Produktion
Dem Problemkreis «Rückstände im Fleisch» und der Forderung nach einer «tiergerechten Landwirtschaft» entspricht bei der pflanzlichen Produktion die Frage der chemischen Behandlung der Kulturen (Überdüngung, giftige Pflanzenschutzmittel) und das Bedürfnis nach naturgemässen Anbaumethoden. Obschon ein vermehrtes Umstellen auf den
biologischen Land- und Gartenbau nicht nur ökologischen, gesundheitlichen und konsumentenpolitischen Erfordernissen, sondern auch der Bewältigung agrarpolitischer Krisensymptome (Überproduktion und Abnahme der bäuerlichen Betriebe mit hofeigener Futterbasis) gerecht zu werden verspricht, haben die Vertreter dieser Produktionsrichtung weiterhin Schwierigkeiten. Da man die Rentabilität des Bio-Anbaus nicht gewährleistet sah, gaben sich Behörden und Bauernvertreter nach wie vor überwiegend skeptisch. Demgegenüber verwiesen die sich organisierenden Promotoren landwirtschaftlicher Alternativen auf eine stetig steigende Nachfrage der Konsumenten nach biologisch wertvollen Produkten. Deutlich bleibe freilich das Angebot zurück, was zur fälschlichen Anpreisung von Erzeugnissen führe, die nicht als «biologisch» gelten könnten
[46]. Die in der Schweizerischen Stiftung zur Förderung des biologischen Landbaus zusammengeschlossenen Bio-Bauernorganisationen setzten sich deshalb zusammen mit den Umweltschutz- und Konsumentenvertretern vorab für den Schutz der rückstandsfrei produzierten Nahrungsmittel durch Deklarationsvorschriften ein. Dem behördlichen Einwand, «biologische Produkte» liessen sich gar nicht von den üblichen Erzeugnissen abgrenzen, begegneten die Interessierten mit der Erarbeitung von Richtlinien. Im Vordergrund steht das Verbot chemischer Hilfsmittel. Die beabsichtigte Schaffung eines speziellen Gütezeichens für den Anforderungen entsprechende Produkte wurde von Konsumentenkreisen als Pioniertat unterstützt. Nachdem die Richtlinien zunächst als privatrechtliche Vereinbarung der Produzenten aufgestellt worden sind, wollen sich diese nun für den Erlass allgemeinverbindlicher Regelungen auf eidgenössischer Ebene einsetzen
[47].
Einstweilen beherrschte allerdings weniger der Schutz des ökologisch orientierten Pflanzenbaus, sondern vielmehr der Schutz der einheimischen Produktion vor der ausländischen Konkurrenz die Szene
[48]. Ausdruck derartiger Bestrebungen waren neben Vorstössen zugunsten des Obst-, Gemüse- und Weinbaus
[49] hauptsächlich Bemühungen, die versorgungspolitisch begründete Sicherstellung des relativ kostspieligen Getreideanbaus in der Schweiz auf einen Nenner mit den Sparanstrengungen des Bundes zu bringen. Im Zuge der Sparmassnahmen 80 wurde deshalb auch eine Änderung der Getreideordnung vorgeschlagen. Demnach kann nun der Bund das von den Produzenten zu kostendeckenden Preisen erworbene Inlandgetreide zum Selbstkostenpreis an die Mühlen verkaufen statt wie bisher nur zum Preis von gleichwertigem, aber kostengünstigerem Auslandgetreide. Mit dieser als «Aufhebung der Brotpreisverbilligung» betitelten Uberwälzung der Subvention auf die Konsumenten spart der Bund jährlich 100 Mio Fr. Damit steigt der Ladenpreis des Mehles um 29, derjenige des Brotes um 22 Rp. pro kgs
[50]. Auf die Auseinandersetzungen um diese auch von Volk und Ständen gutgeheissene Verfassungsänderung sind wir an anderer Stelle eingegangen
[51]. In der nun angelaufenen Revision des Getreidegesetzes handelt es sich vor allem um die Festsetzung der Preise für den Verkauf des inländischen Getreides an die Mühlen. Der Vorsteher des EFD, Bundesrat Ritschard, hatte den Müllern bereits vor der Volksabstimmung Ausgleichsabgaben auf ausländischen Teigen und Backwaren an der Grenze zugesichert
[52].
Wie der revidierte Getreideartikel wurde auch der Zuckerbeschluss zur Entlastung der Bundesfinanzen abgeändert. Als Folge der allgemeinen 10prozentigen Subventionskürzung wird auch hier der Konsument den entstehenden, je nach Weltmarktpreis variierenden Ausfall zu berappen haben. Im Gegensatz zur Verteuerung des Brotes ging diese bis 1984 befristete Anderung praktisch diskussionslos über die Bühne
[53].
[46] Ldb, 8, 11.1.80 ; 24 Heures, 108, 9.5.80; SGT, 285, 4.12.80 ; Lib., 61, 12.12.80. Zum Missbrauch vgl. NZZ, 57, 8.3.80, zu alternativen Methoden vgl. auch SPJ, 1979, S. 98 f.
[47] BaZ, 108, 9.5.80; NZZ (ddp), 174, 29.7.80; 24 Heures, 289, 12.12.80; TA, 290, 12.12.80. Zum Einwand des Bundesamtes für Gesundheitswesen vgl. NZZ (ddp), 57, 8.3.80.
[48] Vgl. immerhin die Konferenz der kantonalen Forstdirektoren, die Massnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Wälder verlangte (NZZ, sda, 208. 8.9.80). Vgl. auch eine entsprechende, gegen den Willen des BR überwiesene Motion Houmard (fdp, BE) in Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1363 ff.
[49] Früchte- und Gemüsebau : vgl. verschiedene Motionen und Postulate von Vertretern aus VS in Amtl. Bull. NR, 1980. S. 247 f., 393 ff.; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 19 ff.; vgl. auch Union. 23, 27.8.80. Weinbau: Zu einem überwiesenen Postulat vgl. Amtl. Bull. StR, 1980, S. 181 f.; vgl. auch eine entsprechende Änderung des Weinstatuts in AS, 1980, S. 1743 f.
[50] BBl, 1980, I, S. 494 ff. und 550 f.; vgl. auch LNN, 61, 13.3.80; 24 Heures, 271. 21.11.80. Zur Kritik an der als irreführend empfundenen Betitelung vgl. BaZ, 274, 21.1 1.80.
[51] Vgl. unten, Teil I, 5 (Mesures d'économie).
[52] Revision: NZZ (sda). 283, 4.12.80. Ritschard: NZZ (sda), 217, 18.9.80.
[53] BBl, 1980, I, S. 526 und 584 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1980, S. 571 ; Amtl. Bull StR, 1980, S. 123, 306; AS, 1980. S. 1800 f. Zur Erhöhung der Zuckerrübenmenge vgl. oben, Einkommenssicherung.
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