Année politique Suisse 1980 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Verkehrspolitik
Das
Vernehmlassungsverfahren zur
Gesamtverkehrskonzeption (GVK) hatte gezeigt, dass zwar der Leitgedanke, die zukünftige Verkehrsplanung und -politik von einem umfassenden und unwidersprüchlichen Zielsystem her zu betreiben, auf breite Zustimmung stiess. Über wichtige Einzelelemente, wie etwa die Aufteilung der Kompetenzen und Lasten zwischen Bund und Kantonen oder die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs, gehen allerdings die Meinungen weit auseinander. Der Bundesrat beauftragte das EVED mit der Abklärung insbesondere dieser beiden Fragenkomplexe und mit der Ausarbeitung des Botschaftsentwurfs für eine Verfassungsrevision, welche die Grundlage für die Verwirklichung der GVK bilden soll. Bei den zusätzlichen Untersuchungen über die sogenannte Hierarchisierung der Verkehrsnetze geht es nicht zuletzt um die Koordinierung der Vorschläge der GVK mit denjenigen der Studiengruppe des EJPD für die allgemeine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Bund und Kantonen. Auch die Postulate der GVK zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs müssen in engeren Zusammenhang mit der gesamten Finanzpolitik des Bundes gebracht werden. Da nach der zweimaligen Ablehnung der Mehrwertsteuer die Speisung des Fonds für den öffentlichen Verkehr durch einen Zuschlag zu dieser Steuer in naher Zukunft kaum zu verwirklichen sein wird, müssen unter Umständen neue Geldquellen gefunden werden
[1]. Angesichts des zu erwartenden Rückgangs des Bauvolumens im Nationalstrassenbau schlagen Vertreter des öffentlichen Verkehrs die Zuweisung eines Teils des bisher für den Nationalstrassenbau und -unterhalt reservierten Treibstoffzollzuschlagertrags an diesen Fonds vor. Gemäss den Worten des Vorstehers des Finanzdepartementes muss dieser Vorschlag zu einem späteren Zeitpunkt sicher überprüft werden, als Sofortmassnahme hat er aber noch keine Realisierungschance. Der Nationalrat lehnte eine Motion Herczog (poch, ZH), welche die totale Aufhebung der Zweckbindung der Treibstoffzölle forderte, deutlich ab. Auch der Vorstoss von Ständerat Hefti (fdp, GL) für eine zeitlich befristete Teilaufhebung der Zweckbindung der Treibstoffzollzuschläge zugunsten der Defizitminderung bei den SBB fand keine Unterstützung
[2].
Der Bundesrat beabsichtigte ursprünglich im Einvernehmen mit der Kommission für die GVK, die
Neuordnung der Verkehrspolitik als Gesamtvorlage zu präsentieren. Nachdem ihn aber beide Kammern des Parlaments mit einer Motion dazu aufgefordert hatten, musste er die Einführung einer Schwerverkehrssteuer und einer Autobahnvignette aus dem Gesamtpaket herausbrechen und als Sofortmassnahme vorschlagen. Angesichts des geringen Kostendeckungsgrades des Schwerverkehrs erscheint auch der Landesregierung das zeitliche Vorziehen seiner Belastung gerechtfertigt. Laut Strassenrechnung deckte der Strassenschwertransport 1978 je nach Berechnungsweise höchstens 54% der von ihm verursachten Kosten. Der Bundesrat schlägt zur Deckung dieses rund 345 Mio Fr. betragenden Defizits die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe vor, welche für inländische Fahrzeuge kilometerabhängig, für ausländische eventuell pauschal zu berechnen wäre. Der Ertrag soll gemäss der Botschaft vom 16. Januar 1980 im Verhältnis 30:70 zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt werden, wobei nur für den Kantonsanteil eine Zweckbindung vorgesehen ist. In dem die Vorlage als erster behandelnden Ständerat, welcher sich 1978 für die sofortige Einführung der Schwerverkehrssteuer ausgesprochen hatte, fand in der Zwischenzeit offenbar ein Meinungsumschwung statt: mit knapper Mehrheit entschied man sich für die Rückweisung an den Bundesrat. Damit wurden die Forderungen der Strassenverkehrsverbände erfüllt, die eine gleichzeitige Inkraftsetzung aller Massnahmen der GVK verlangen. Der Rückweisungsbeschluss hätte nun eigentlich die grosse Kammer von der Behandlung der Vorlage dispensiert. Eine Unklarheit in der Formulierung des Geschäftsreglementes erlaubte es aber dem Ständerat, seinen Entscheid als Nichteintretensbeschluss zu deklarieren und so dem zur Schwerverkehrssteuer positiver eingestellten Nationalrat doch noch Gelegenheit zu geben, sich zum Vorschlag des Bundesrates zu äussern
[3].
In der Zwischenzeit befasste sich die Volkskammer mit der
Einführung einer Autobahngebühr in Form einer Vignette, wie dies ihr verstorbenes Mitglied R. Schatz (fdp, SG) mit einer parlamentarischen Initiative gefordert hatte. Der Bundesrat selbst war bei seiner Botschaft zur Schwerverkehrsabgabe auch auf die Vignette für Autobahnbenützer eingegangen. Er bezifferte dabei die zu erwartenden Einnahmen auf 2–300 Mio Fr. pro Jahr, wovon rund 80% durch Ausländer aufgebracht würden. Unter der Voraussetzung der Einführung der Schwerverkehrssteuer, welche dazu führen würde, dass der Strassenschwerverkehr die ihm angerechneten Kosten voll deckt, drängt sich nach Ansicht der Landesregierung die Erhebung einer Autobahngebühr nicht auf. Trotz diesen Argumenten entschied sich die Volkskammer grundsätzlich für die Anzapfung dieser neuen Geldquelle. Mit deutlicher Mehrheit stimmte sie den Forderungen der Initiative Schatz zu und beauftragte ihre zuständige Kommission mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für die erforderliche Verfassungsrevision
[4]. Eine andere Möglichkeit der Mehrbelastung der Autobahnbenützer — insbesondere derjenigen, welche die Schweiz als Transitachse befahren — würde in der Erhebung von Durchfahrtsgebühren für die Alpentunnel bestehen. Da von dieser Gebühr ausschliesslich die Zufahrtstrassen zum Kanton Tessin betroffen wären, lehnten der Bundesrat und die Nationalratskommission, die sich mit einer entsprechenden Initiative Weber (cvp, AG) zu befassen hatte, ihre Einführung aus staatspolitischen Gründen ab. Die aargauische CVP lancierte nach diesem parlamentarischen Misserfolg eine Volksinitiative mit gleicher Zielsetzung
[5].
Namhafte Probleme ergaben sich 1980 für den Eisenbahnverkehr, aber auch für andere Lebensbereiche durch die Tatsache, dass die Schweiz im Gegensatz zu den, meisten europäischen Staaten auf die Einführung der Sommerzeit verzichtete. Nachdem sie zuerst gezögert hatte, den Volksentscheid aus dem Jahre 1978 zu desavouieren,
stimmte nun auch die grosse Kammer dem neuen Zeitgesetz zu, welches die Exekutive ermächtigt, die Sommerzeit einzuführen. Die bäuerlichen Kreise, welche den Abstimmungskampf gegen die erste Zeitgesetzvorlage siegreich geführt hatten, lehnen zwar die Einführung der Sommerzeit nach wie vor ab,
verzichteten diesmal aber auf die Ergreifung des Referendums. Somit steht ab 1981, zur grossen Erleichterung des internationalen Verkehrs- und Geschäftsbetriebs, einer Gleichstellung der Schweizer Uhren mit denjenigen der Nachbarstaaten nichts mehr im Wege
[6].
[1] Zur Vernehmlassung vgl. SPJ, 1979, S. 109; Schweiz. Zeitschrift für Verkehrswirtschaft, 35/1980, Nr. 3, S. 33; NZZ, 154, 5.7.80; Gesch.ber., 1980. S. 299.
[2] LITRA, Jahresbericht, 1979/80, S. 12 f. ; Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1317 ff.; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 443 ff. Siehe dazu auch NZZ, 136, 14.6.80. Für die Strassentransportverbände vgl. NZZ, 293, 16.12.80.
[3] BBl, 1980, I, S. 1113 ff.; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 413 ff. und 698 ff. Stellung des Transportgewerbes: Bund, 28, 4.2.80; NZZ, 84, 11.4.80. Vgl. auch SPJ, 1979, S. 109 f.
[4] Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1584 ff. Bundesrat : BBl, 1980, I, S. 1113 ff. Vgl. ebenfalls SPJ, 1978, S. 100 und 1979, S. 110.
[5] Parlamentarische Initiative Weber: Verhandl. B.vers., 1980, IV, S. 17; BaZ, 268, 14.11.80; Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1600; Gesch.ber., 1980, S. 300. Volksinitiative: NZZ, 262, 10.11.80; BBl, 1981, I, S. 315 f. Dasselbe Ziel verfolgt auch Nationalrat Jaeger (Idu, SG) mit einer Motion ( Verhandl. B.vers., 1980, IV, S. 56). Siehe auch SPJ, 1966, S. 81.
[6] Amtl. Bull. NR, 1980, S. 2 ff.; AS, 1981,S. 84 ff.; SPJ, 1979, S. 111 f. ; NZZ, 211, 11.9.80.Opposition: TA, 79, 3.4.80; Vat., 80, 5.4.80; LNN, 112, 14.5.80. SBB: Bund, 72, 26.3.80; BaZ (ddp), 220, 19.9.80.
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