Année politique Suisse 1980 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Strassenverkehr
Trotz dem erneuten Anwachsen des Wagenbestandes und der Zunahme der Einreisen motorisierter ausländischer Touristen hat sich das Unfallgeschehen im Strassenverkehr nicht weiter verschlimmert
[28]. Die im Berichtsjahr gefällten Entscheide lassen für die nähere Zukunft gar eine Besserung erhoffen. Gegen den Beschluss des Parlamentes, der Landesregierung die Kompetenz zum Erlass der Tragpflicht für Sicherheitsgurten und Motorradfahrerhelme einzuräumen, war von Westschweizer Automobilisten das Referendum ergriffen worden. Dem sich «Vereinigung gegen technische Missbräuche» nennenden Referendumskomitee bereitete es keine Mühe, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubringen. Wie bereits anlässlich der Debatte im Parlament führten die Gegner die Gefahr des Verlustes persönlicher Freiheit durch Staatseingriffe als Hauptargument ins Feld. Der sehr emotional geführte Kampf um das
Gurtentragobligatorium (von den Helmen für Motorradfahrer war kaum die Rede) weitete sich in gewissen Gegenden der französischen Schweiz zu einer Ablehnung des Gurtentragens an sich aus. So sank der Anteil der Träger der Sicherheitsgurten in der Walliser Metropole Sitten auf ganze 3%. Die Volksabstimmung am 30. November ergab mit 841 946 Ja : 791 144 Nein eine knappe Annahme. Neben den Urkantonen (UR, SZ, OW, NW) sprachen sich das Tessin und die sechs vorwiegend französischsprachigen Stände mit zum Teil sehr deutlichen Mehrheiten gegen die neuen Bestimmungen aus. Trotz der grossen Meinungsunterschiede zwischen den einzelnen Landesteilen wandte sich Bundesrat Furgler gegen eine — staatsrechtlich unhaltbare — differenzierte Anwendung des Obligatoriums, wie sie nach der Abstimmung von Westschweizern gefordert worden war. Die ungefähr halbjährige Frist bis zur geplanten Inkraftsetzung der neuen Vorschriften sollte seiner Meinung nach auch den Gegnern die nötige Anpassung ermöglichen
[29].
Neben den Sicherheitsgurten sind aber auch
Geschwindigkeitsbeschränkungen als Unfallverhütungsmassnahme bei den französisch- und italienischsprachigen Schweizern bedeutend unbeliebter als bei den Deutschschweizern. Für den am 1. Juli begonnenen und auf höchstens 2 1/2 Jahre beschränkten Versuch mit der Innerortshöchstgeschwindigkeit 50 km/h gelang es dem EJPD nur mit äusserster Not, eine Region in der Westschweiz zum Mitmachen zu bewegen. Demgegenüber konnten in der Deutschschweiz nicht alle interessierten Regionen berücksichtigt werden; die drei Grossstädte Zürich, Basel und Bern führen deshalb den Versuch auf eigene Kosten durch. Obwohl bisher keine offiziellen, wissenschaftlich erhobenen Zahlen publiziert worden sind, deuten provisorische Unfallstatistiken aus den drei Grossstädten auf positive Auswirkungen hin
[30].
[28] Veränderung im Vergleich zum Vorjahr: Motorfahrzeugbestand: +4,9%. Unfälle: +0,3%. Tote: -2.2%. Verletzte: -0,7% (Bund, 39, 17.2.81).
[29] SPJ, 1979, S. 115 ; BBl, 1980, I, S. 1203 ; II, S. 1302 f. ; JdG, 81, 8.4.80; TLM, 183, 1.7.80; BaZ (ddp), 160, 11.7.80 ; Suisse, 194, 12.7.80. Von den politischen Parteien sprachen sich die LPS, die Republikaner, die CVP der Kantone GE, JU, VD und VS, die FDP der Kantone TI und VD sowie die SVP des Kantons VD gegen die Gesetzesrevision aus (BaZ, 280, 28.11.80). Abstimmungsresultat: Presse vom 1.12.80. Vgl. dazu auch Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 30.11.80. BR Furgler in: Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1493 f.
[30] AS, 1980, S.431 ff.; TA, 96.25.4.80 ; 245, 21.10.80; Presse vom 1.7.80 ; NZZ, 183, 9.8.80 ; 304, 31.12.80 ; vgl. auch SPJ, 1979, S. 115.
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