Année politique Suisse 1980 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Hochschulen
Die Jugendunruhen von 1980 standen nicht in direktem Zusammenhang mit einer
studentischen Opposition. Immerhin boten sie an der Universität Zürich Anlass zu einem Konflikt, der die fortdauernden Spannungen neu verschärfte. Erziehungsdirektor A. Gilgen untersagte die öffentliche Vorführung eines am Ethnologischen Seminar entstandenen Films über den Zürcher Opernhauskrawall, da dieser in seiner Einseitigkeit politisch missbraucht worden sei. Das Verbot führte zu studentischen Grossdemonstrationen, an denen auch Klagen über eine Verschulung des Studiums und eine härtere Selektionspraxis laut wurden. Der Leiter des Seminars, Prof. L. Löffler, rechtfertigte die auf Aktionsforschung ausgerichtete Tätigkeit seiner Studenten und verweigerte die Herausgabe des Dokumentationsmaterials, was ihm eine administrative Untersuchung und eine Verwarnung eintrug. Ein Lehrbeauftragter wurde entgegen einer Empfehlung der Fakultät entlassen. Die Auseinandersetzung übertrug sich auf das Kantonsparlament, wo es zu einer Debatte über die Wertbedingtheit der Wissenschaft kam
[56]. An der Berner Universität wirkte die Unruhe um das neue wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Prüfungsreglement noch nach
[57]. Dazu belebte das Auftreten einer rechtsgerichteten und betont militärfreundlichen Gruppe die Studentenratswahlen; diese bestätigten allerdings die Mehrheit der Linken
[58]. In Genf dagegen, wo der Mittelbau und die Studenten seit 1973 weitgehende Mitbestimmungsrechte besitzen, waren es der Rektor und Professorenkreise, die an der geltenden Ordnung öffentliche Kritik übten. Sie machten dem Universitätsrat, in welchem die Professoren in der Minderheit sind, eine Blockierung der Geschäfte zum Vorwurf und verlangten eine grundlegende Revision des Universitätsgesetzes
[59].
Die Zahl der Studenten an den schweizerischen Hochschulen nimmt unvermindert zu. Dasselbe gilt freilich kaum für die Studienanfänger; diese sind seit 1974 praktisch stationär geblieben. Somit hat sich die Studiendauer — mindestens in einigen Bereichen — verlängert, was mit Anderungen in der Studiengestaltung und vermehrten Schwièrigkeiten der Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt erklärt wird. Auch werden häufiger Doktorate oder Zweitstudien angestrebt. Eine Zunahme ist dagegen bei den Maturitätsprüfungen zu verzeichnen. Doch ein wachsender Teil der Maturanden begibt sich nach der Gymnasialzeit nicht mehr oder nicht mehr unmittelbar an eine Hochschule
[60].
[56] Verbot und Demonstrationen: TA, 132, 10.6.80; 133, 11.6.80; 135, 13.6.80; 150, 1.7.80; NZZ, 139. 18.6.80. Löffler: NZZ, 137, 16.6.80; 177, 2.8.80; 299, 23.12.80. Lehrbeauftragter: TA, 195, 23.8.80. Parlament: TA, 269, 18.11.80. Zur Entwicklung der Ethnologie vgl. NZZ, 273, 22.11.80; BaZ, 285, 4.12.80. Zu den Jugendunruhen vgl. oben. Teil I, 7d (Jeunesse).
[57] Die Verurteilung von zehn Studenten, die 1979 eine Fakultätssitzung gestört hatten, führte zu einem neuen Streik (TA, 134, 12.6.80; Bund, 142, 20.6.80; 299, 20.12.80; vgl. SPJ, 1979, S. 157).
[58] TW, 12, 16.1.80; Bund, 23, 29. I.80 ; 34, 11.2.80. Die Beteiligung stieg von 30 auf 41%. Die «Wehrhaften Berner Studenten» gewannen 4 von 40 Sitzen und gründeten darauf eine eigene Zeitung (TW, 145, 24.6.80).
[59] Anlass zur Kritik bot die knappe Wiederwahl des Rektors durch den Universitätsrat (JdG, 44, 22.2.80; 45, 23.2.80; 66, 19.3.80; 130, 6.6.80). Eine Revision des Gesetzes ist im Gang. Vgl. SPJ, 1973, S. 158.
[60] Studierende total 1979: 58 953 (1974: 50 663); Studienanfänger (auch Ausländer): 11 700 (11 554); Maturitätsprüfungen (nur eidgenössisch anerkannte): 8947 (7199). Vgl. Bundesamt für Statistik (BFS), Statistik des Hochschulwesens in der Schweiz 1978/79, Bern 1980, S. 10 ff., 28 f. ; ferner BFS, Statistik des Hochschulwesens in der Schweiz 1977/78, Bern 1979, S. 7 ; Statistisches Jahrbuch der Schweiz. 88/1980, S. 467.480 ; NZZ (sda ), 231, 4.10.80. Zum Verhalten der Maturanden vgl. NZZ, 66, 19.3.80; Bund, 80, 5.4.80.
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