Année politique Suisse 1981 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Arbeitnehmer
In der Politik der Arbeitnehmerverbände treten die sogenannten immateriellen Werte zunehmend in den Vordergrund. Einen Hinweis auf die Auffassungen an der Basis bot eine Umfrage des Christlichen Holz- und Bauarbeiterverbandes, die freilich keinen repräsentativen Charakter besitzt. Unter den Antwortenden überwog der Anteil derer, die einer Verkürzung der Arbeitszeit erste Priorität zumassen, über die Gruppe der vor allem nach einer Einkommenserhöhung Strebenden. Dass die meisten Mitbestimmung und Kündigungsschutz noch weniger hoch einstuften, wurde mit den relativ günstigen Verhältnissen im Baugewerbe erklärt
[21]. Das Postulat der Arbeitszeitverkürzung (40-Stunden-Woche) stand auch in mehreren Verbandsresolutionen obenan
[22]. Bundespersonalverbände verlangten aber zugleich eine Reallohnerhöhung, andere beharrten nur auf dem Teuerungsausgleich
[23]. Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) stellte seinen Kongress unter das Stichwort «Humanisierung der Arbeitswelt» und behandelte Thesen, die neben der Arbeitszeitfrage auch der Arbeitsmedizin und der Arbeitsgestaltung galten. In Ergänzung seines 1980 genehmigten Arbeitsprogramms veröffentlichte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ein Leitbild zum selben Themenbereich
[24].
Wie wir bereits in anderem Zusammenhang festgestellt haben, erhält die Forderung nach Mitbestimmung durch die Einführung elektronischer Rationalisierungsmethoden neue Aktualität. Auf gewerkschaftlicher Seite hofft man ihr mit einer Integration der Angestellten vermehrten Nachdruck zu verleihen, da man gerade bei den mittleren Industriekadern ein besonderes Interesse für eine Beteiligung an den Entscheiden erkennt
[25]. Wie eine Vereinbarung zwischen drei in der Maschinenindustrie tätigen Angestelltenverbänden zeigt, legt man in diesen Kreisen wohl erhebliches Gewicht auf betriebliche Mitwirkung und Mitbestimmung; zugleich betont man aber die Eigenständigkeit der Kaderschicht
[26].
Eine materielle Forderung besonderer Art wurde an
gewerkschaftlichen Frauentagungen erhoben: nach der Annahme der Verfassungsbestimmung über gleiche Rechte für beide Geschlechter ging es nun um die praktische Durchsetzung der grundsätzlich anerkannten Lohngleichheit. Die weiblichen Delegierten des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeitnehmer-Verbandes (SMUV) forderten, dass der neue Grundsatz in jeden Gesamtarbeitsvertrag aufgenommen werde. Dem Ruf nach Gleichberechtigung konnte sich auch der Vorstand des SGB nicht verschliessen: durch die Wahl von Ruth Dreifuss besetzte er erstmals einen der fünf Verbandssekretärposten mit einer Frau
[27]. Die Frauenkonferenz des VPOD stiess in der Arbeitszeitfrage vor und setzte die 35-Stunden-Woche als neues Ziel
[28].
In organisatorischer Hinsicht versucht der SGB durch die Aufwertung und Aktivierung der sogenannten Kartelle der Herausforderung neuer, alternativer Gruppen zu begegnen. Als kantonale (oder lokale) Gewerkschaftsbünde sollen die Kartelle für mehr politische Initiative und Koordination besorgt sein, und zwar sowohl im Kreis der Sektionen der verschiedenen Branchenverbände des SGB als auch darüber hinaus in Partnerschaft mit anderen Arbeitnehmerorganisationen
[29].
Im erst 1980 durch Fusion entstandenen Branchenverband Gewerkschaft Druck und Papier (GDP) kam es zu einem bewegten Nachspiel der Auseinandersetzungen um den Streik des Vorjahres. Die Anhänger des kämpferischen Vizepräsidenten F. Aeberli wandten sich gegen eine Wiederwahl des Streikgegners E. Gerster als Präsident. Angesichts der gespannten Lage übertrugen die Delegierten die Wahl den Mitgliedern. Als man aber beim Auszählen der Stimmen zahlreiche gefälschte Zettel auf den Namen Aeberli feststellte, wurde der Vizepräsident von mehreren Sektionsvorsitzenden zum Rückzug seiner Kandidatur aufgefordert. Aeberli folgte der Mahnung, und die Delegierten bestätigten darauf Gerster in seinem Amt. Ohne Zwischenfälle wählte der Schweizerische Eisenbahner-Verband als Nachfolger von W. Meier den welschen SGB-Sekretär J. Clivaz zum Präsidenten
[30].
[21] Presse vom 8.4.81; Aktiv, 8, 29.4.81. Von 20000 Fragebogen wurden 17% beantwortet.
[22] So beim Schweiz. Eisenbahner-Verband (SEV) (BaZ, 118, 22.5.81), bei der PTT-Union (Bund, 253, 29.10.81), beim CNG (Vat., 260, 9.11.81) und beim Schweiz. Kaufmännischen Verband (SKV) (TA, 218, 21.9.81); vgl. auch Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) (NZZ, 212, 14.9.81).
[23] Reallohnerhöhung: SEV (BaZ, 118, 22.5.81), PTT-Union (Bund, 253, 29.10.81). Teuerungsausgleich: CNG (Vat., 260, 9.11.81), VHTL (NZZ, 212, 14.9.81).
[24] CNG: Presse vom 7. u. 9.11.81; Aktiv, 21-24, 11.11.-23.12.81. SGB: Gewerkschaftliche Rundschau, 73/1981, S. 249 ff.; vgl. SPJ, 1980, S. 201. Einen Ausbau der arbeitsmedizinischen Versorgung forderte auch der Schweiz. Metall- und Uhrenarbeitnehmer-Verband (SMUV) (SMUV-Zeitung, 49, 9.12.81; 50, 16.12.81).
[25] So J. P. Ghelfi, Vizepräsident des SMUV (BaZ, 140, 19.6.81). Zur Mitbestimmung in Rationalisierungsfragen vgl. oben, Teil I, 7a (Marché du travail). Als strategisches Hauptziel der Gewerkschaften erscheint die Mitbestimmung bei J.-N. Rey, «Die Gewerkschaftsbewegung in einer fortgeschrittenen industriellen Gesellschaft», in Gewerkschaftliche Rundschau, 73/1981, S. 217 ff.
[26] Die Vereinbarung verbindet den Schweiz. Verband technischer Betriebskader (SVTB), den Verband schweiz. Angestelltenvereine der Maschinen- und Elektroindustrie (VSAM) und den Schweiz. Kaufmännischen Verband (SKV) (Werkmeister, 87/1981, S. 361). Eigenständigkeit: Werkmeister, 87/1981, S. 427 f. (SVTB); NZZ, 134, 13.6.81 (SKV); 147, 29.6.81 (VSAM). Zum Konkurrenzkampf um die Angestellten vgl. BaZ, 263, 10.11.81; 265, 12.11.81.
[27] SMUV: SMUV-Zeitung, 27/28, 15.7.81. SGB: Presse vom 9.7.81. R. Dreifuss wurde Nachfolgerin von J. Clivaz. Für Lohngleichheit setzte sich auch der VHTL (SGB, 27, 17.9.81) und die Frauenkonferenz des LFSA (NZZ, 249, 27.10.81) ein. Zur Stellung der Frauen in den Gewerkschaften vgl. BaZ, 242, 244, 247, 248, 16.-23.10.81. dber die Verfassungsbestimmung vgl. oben, Teil I, 7d (Stellung der Frau).
[28] BaZ, 250, 26.10.81; TA, 249, 27.10.81. Ruth Dreifuss, Präsidentin der Frauenkommission des VPOD, erklärte, erst bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden werde sich das Leben wirklich ändern (TLM, 198, 17.7.81).
[29] Gewerkschaftliche Rundschau, 73/1981, S. 313 ff. Vgl. SPJ, 1975, S. 182; 1978, S.180. Eine Stärkung der Regionalverbände sehen auch die neuen Statuten des VHTL vor (NZZ, 212, 14.9.81).
[30] GDP: NZZ, 112, 16.5.81; 290, 14.12.81; TA, 119, 25.5.81; 228, 2.10.81; vgl. SPJ, 1980, S. 201. Auch im SEV gab es eine Kampfwahl (Presse vom 22.5.81).
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