Année politique Suisse 1981 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Grundrechte
In einer Zeit andauernder innenpolitischer Spannungen erfordert die Erhaltung oder gar Erweiterung der Grundrechte besondere Anstrengungen. In der Praxis des Bundesgerichts wird seit den 60er Jahren eine Tendenz festgestellt, den Bereich der persönlichen Freiheit gegenüber dem Staat auszudehnen. Die weitere Entwicklung erscheint jedoch ungewiss [1]. Sozialdemokratische Juristen glauben sogar in der Zürcher Justiz seit 1980 einen rückläufigen Trend erkennen zu können; in Präventivverhaftungen, in Einschränkungen der Verteidigerrechte bei Krawallprozessen und in der Bestrafung von blossen Zuschauern bei Ausschreitungen sehen sie eine Gefährdung des Rechtsstaates [2]. Anderseits lässt die Tatsache, dass von den Beschwerdemöglichkeiten allgemein mehr Gebrauch gemacht wird, ein gesteigertes Empfinden der Bürger für Rechtsverletzungen annehmen [3].
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Datenschutz
Die umsichtige Vorbereitung einer eidgenössischen Gesetzgebung über den Datenschutz zog sich länger hin als erwartet. Deshalb erliess der Bundesrat im Frühjahr Richtlinien für die Handhabung von Daten durch die Bundesverwaltung. Darin wurden Aufbewahrung und Weitergabe an das Bestehen einer Rechtsgrundlage geknüpft und ein Anspruch der Betroffenen auf Auskunft über gespeicherte Daten anerkannt. Grenzen findet der Datenschutz an den Erfordernissen des Verwaltungsablaufs und der Rechtspflege sowie an internationalen Vereinbarungen. Die Organe des Bundes sind gehalten, bei der Erteilung von Aufträgen an andere Gemeinwesen oder an Private den Schutz der Daten sicherzustellen. Für den privatrechtlichen Bereich wurde die Frage aufgeworfen, wieweit auch Wirtschaftsunternehmen Betroffenen gegenüber zur Auskunft über gesammelte Daten verpflichtet werden sollten [4].
Die erhöhte Sensibilität für den Schutz der Persönlichkeitssphäre hatte Ende 1980 in bisher nicht bekanntem Ausmass zu Widerständen gegen die eidgenössische Volkszählung geführt. Dies gab Anlass zu Vorstössen bei den Bundesbehörden, in denen eine Benützung der kommunalen Einwohnerkontrollen für die Bevölkerungsstatistik empfohlen wurde, damit man auf das kostspielige und die Diskretion nicht immer wahrende Einsammeln von Fragebogen durch Hilfspersonal verzichten könne. Bundesrat Hürlimann stellte für 1990 ein zeitgemässeres Verfahren in Aussicht [5]. Ein Bürger aus Littau (LU), der seinen Bogen zwar ausgefüllt, aber bei einem Anwalt hinterlegt hatte und deshalb von der kantonalen Justiz gebüsst worden war, erzielte mit einer Beschwerde beim Bundesgericht einen Freispruch [6].
 
[1] Vgl. Vat., 228, 2.10.81; ferner Bund, 204, 2.9.81; 248, 23.10.81.
[2] TA, 214, 16.9.81. Das Bundesgericht hat inzwischen seinerseits den Anschluss an eine friedensbedrohende Zusammenrottung auch ohne Beteiligung an Gewaltakten für strafbar erklärt (NZZ, 54, 6.3.82).
[3] Vgl. SGT, 165, 18.7.81; ferner SPJ, 1978, S. 23.
[4] Richtlinien: BBl, 1981, I, S. 1298 fl.; vgl. dazu NZZ, 143, 24.6.81; 148, 30.6.81. Wirtschaftsunternehmen: NZZ, 93, 23.4.81. Vgl. ferner Berichte von Tagungen auf dem Mont-Pèlerin (JdG, 96, 27.4.81; 97, 28.4.81; Referate in Revue économique et sociale, 39/1981, S. 284 ff.) und in St. Gallen (NZZ, 273, 24.11.81). Auch der Kanton VD gab sich nun ein Datenschutzgesetz (vgl. unten, Teil II, 1e).
[5] Widerstände: 24 Heures, 28, 4.2.81; Bund, 39, 17.2.81. Vorstösse: Direktion des Innern von ZH (NZZ, 103, 6.5.81); Interpellation Dillier (cvp, OW) im StR (Amtl. Bull. StR, 1981, S. 389 f. ; hier auch BR Hürlimann ). Vgl. auch BaZ, 20, 24.1.81; NZZ, 107, 11.5.81; ferner SPJ, 1980, S. 118 f.
[6] Vat., 132, 10.6.81; 237, 13.10.81; NZZ, 54, 6.3.82. Nach dem Erlass von Datenschutzbestimmungen für die Bundesverwaltung und für Littau liess der Verweigerer die Weiterleitung des Fragenbogens an das Bundesamt für Statistik zu.