Année politique Suisse 1981 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Bürgerrecht
Die Bemühungen um eine Reform auf dem Gebiet des Bürgerrechts haben sich in Verfahrensstreitigkeiten verwickelt, hinter denen freilich Prioritätsprobleme stehen. Das EJPD, das sich schon seit langem mit der Materie befasst, strebt eine möglichst breite Neuordnung an; sie soll sowohl die Einbürgerung von Flüchtlingen, Staatenlosen und in der Schweiz aufgewachsenen Kindern von Einwanderern erleichtern wie auch jede Ungleichheit der Geschlechter bei der Zuerkennung des Bürgerrechts an Ehegatten oder Nachkommen von Schweizern beseitigen. Dazu bedarf es einer neuen verfassungsrechtlichen Grundlage. Seit 1979 ist nun der Verwaltung in der Bürgerrechtsfrage eine parlamentarische Konkurrenz erwachsen, die auf eine raschere Verwirklichung von Teillösungen hinzielt. Ein solches Vorgehen empfiehlt sich am ehesten für Neuerungen, die keine Verfassungsänderung erfordern. Darüber aber, was nach dem geltenden Verfassungsrecht zulässig ist und was nicht, gibt es keine einheitliche Doktrin. Schon 1979 wurde die Meinung vertreten, aufgrund einzelner Bestimmungen der Bundesverfassung könne den Kindern einer Schweizerin unter allen Umständen das Bürgerrecht gewährt werden. Seit der Annahme des Verfassungsgrundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau wird nun, namentlich von der Linken, überhaupt jede rechtliche Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts als verfassungswidrig und ihre Beseitigung als geboten betrachtet.
Bei der Behandlung von mehreren parlamentarischen Initiativen im Nationalrat stiessen die verschiedenen Auffassungen aufeinander. Der Rat folgte dem bereits 1980 bekanntgegebenen Antrag seiner vorberatenden Kommission, vorerst in Art. 44, Abs. 3 BV der Bundesgesetzgebung freie Hand zu geben, wie sie die Bürgerrechtsfrage für Kinder aus einer Ehe mit nur einem schweizerischen Partner regeln will. Der Bundesrat wandte sich vergeblich dagegen, dass man nur einen Teil der Bürgerrechtsreform Volk und Ständen zum Entscheid vorlege und damit eine umfänglichere Neuordnung gefährde. Mit dem Hinweis auf das ungewisse Schicksal einer solchen gab die Volkskammer dem kleineren Schritt den Vorzug; ein sozialdemokratischer Vorschlag, die Neuerung durch eine blosse Gesetzesrevision einzuführen, erschien dagegen zu kühn [13].
 
[13] Zur Vorgeschichte vgl. SPJ, 1978, S. 17; 1979, S. 19; 1980, S. 17. Standpunkt der NR-Kommission: BBl, 1980, II, S. 1424 ff ; Amtl. Bull. NR, S. 967 ff. Standpunkt des BR: BBl, 1981, I, S. 1172 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 982 ff. Standpunkt der SP-Fraktion : ebenda, S. 974 f. Der NR erfüllte und erweiterte das Anliegen der Initiative Weber (fdp, UR) und setzte die Behandlung der Initiative Christinat (sp, GE) für eine blosse Gesetzesrevision aus; den Inhalt der Initiative Pagani (cvp, TI) für die selbständige Einbürgerung eines einzelnen ausländischen Ehegatten überwies er als Motion (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 967 ff.).