Année politique Suisse 1981 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Öffentliche Ordnung
Jugendunruhen und intensiverer ausländischer Terrorismus boten Anlass, die Bemühungen um eine
gesamtschweizerische Zusammenfassung der Sicherheitskräfte, die Ende 1978 am Referendum gescheitert waren, wieder aufzunehmen. Die interkantonale Kooperation erwies sich erneut als ein unsicherer Weg, lehnten doch die Urner Stimmbürger im April den Beitritt ihres Standes zum Zentralschweizerischen Polizeikonkordat ab
[26]. Mitte Juli forderte der Pressedienst der SVP die Landesregierung auf, einen neuen Anlauf zu versuchen, und kurz vor dem Nationalfeiertag bekundete Bundespräsident Furgler im Fernsehen eine entsprechende Bereitschaft
[27]. Noch vor Jahresende wurde diese in der Antwort auf eine Interpellation der SVP-Fraktion präzisiert : das EJPD sei beauftragt, mit den Kantonen Möglichkeiten einer Schliessung der sicherheitspolizeilichen Lücken zu besprechen. Ob für den Schutz der öffentlichen Ordnung eine Bundes- oder eine Konkordatslösung getroffen werden solle, liess der Bundesrat offen ; inoffiziell verlautete, dass die zweite Variante im Vordergrund stehe. Von sozialdemokratischer Seite wurde gegen eine Neuauflage der Busipo entschieden Front gemacht
[28].
Inzwischen war man verschiedenenorts bestrebt, die kantonale oder die lokale Polizei zu verstärken. Zur Begründung wurde in erster Linie die Zunahme der Kriminalität geltend gemacht
[29]. Auch im nicht von Krawallen betroffenen Kanton Genf sah man eine Erhöhung der Bestände vor; zugleich beabsichtigte man hier, polizeiliche Kontrollmassnahmen, die sich bisher nur auf gerichtliche Anerkennung stützen konnten, gesetzlich zu verankern. Obwohl das neue Gesetz von den Sozialdemokraten unterstützt wurde, ergriffen verschiedene Linksgruppen das Referendum
[30].
Die Verwirklichung eines landesweiten
kriminalpolizeilichen Informationssystems (KIS) auf elektronischer Grundlage rückte in weitere Ferne. Die im EJPD vorgenommene Überprüfung, die namentlich die rechtlichen Aspekte des Projekts betraf, liess wesentliche Änderungen erforderlich erscheinen. Die waadtländische Regierung sah sich dadurch veranlasst, ihren Beitritt zurückzunehmen, um so mehr als sie mit den übrigen nicht-deutschsprachigen Kantonen (ohne Jura) den Aufbau eines regionalen Systems hatte vereinbaren können
[31]. Die Vorbereitungen für eine einheitliche Regelung des inländischen Waffenhandels gediehen dagegen einen Schritt weiter. Der Bundesrat erklärte im Herbst in seinem Zwischenbericht über die Regierungsrichtlinien die Sache für dringlich und kündigte an, er werde noch in der laufenden Legislaturperiode die erforderliche Verfassungsgrundlage unterbreiten. Es wurde bekannt, dass nach dem vorgesehenen Gesetz das Waffentragen — mit Ausnahme von Jagd und Schiessanlässen — bewilligungspflichtig werden solle und ebenso jeder Waffenkauf. Für Ausländer ist eine besondere Ausweispflicht geplant, für Waffen mit besonderer Wirkungskraft (Serienfeuer usw.) ein Verbot
[32].
[26] LNN, 80, 6.4.81; vgl. SPJ, 1980, S. 19.
[27] SVP-Pressedienst, 28, 15.7.81; BaZ, 176, 31.7.81 (Furgler). Vgl. dazu SPJ, 1978, S. 18 f.
[28] Interpellation: Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1778; vgl. dazu BaZ, 240, 14.10.81. Vgl. auch kritische Kommentare in BZ, 164, 17.7.81; 24 Heures, 166, 20.7.81.
[29] Der Kanton BE beschloss eine schrittweise Vergrösserung der Bestände (Bund, 210, 9.9.81); Neueinstellungen sind in Zürich bei der Stadtpolizei bereits vorgenommen worden (NZZ, 199, 29.8.81) und wurden für die Kantonspolizei erwogen (NZZ, 166, 21.7.81).
[30] JdG, 35, 12.2.81; 219, 21.9.81; Suisse, 283, 10.10.81; vgl. unten, Teil II, le. Auch die Zürcher Regierung legte ein umfassendes Polizeigesetz vor (TA, 303, 31.12.81).
[31] Gesch. ber., 1981, S. 147; Suisse, 295, 22.10.81; 296, 23.10.81; TLM, 296, 23.10.81. Vgl. auch Interpellationen Bäumlin (sp, BE) und Jaggi (sp, VD) im NR (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 853 f. bzw. 1762 f.), ferner SPJ, 1980, S.19 f.
[32] Zwischenbericht: BBl, 1981, III, S. 665 ff.; vgl. unten, Regierung. Gesetzesinhalt: Ww, 45, 4.11.81; Woche, 9, 6.11.81; SZ, 272, 20.11.81; TLM, 343, 9.12.81. Vgl. dazu SPJ, 1980, S. 20.
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