Année politique Suisse 1981 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Verwaltung
Personenfragen spielen auch in der Verwaltung eine Rolle. Im Vordergrund des Interesses stand 1981 der
Wechsel in der Bundeskanzlei. Karl Huber, der als umsichtiger Vollzieher des Reformwillens der späten 60er Jahre sein Amt zur zentralen Stabsstelle der Bundesverwaltung entwickelt hatte, trat mitten in der Legislaturperiode zurück
[13]. Seine Partei, die CVP, die bereits im Vorjahr den Generalsekretär der Bundesversammlung verloren hatte, versuchte die Leitung der Bundeskanzlei zu behalten, wozu sie sich wegen ihrer Scharnierstellung in der Regierungskoalition legitimiert glaubte; ihr Kandidat war der um die Totalrevision der Bundesverfassung wie um die Lösung der Jurafrage verdiente Chef des Bundesamtes für Justiz, J. Voyame. Doch gestützt auf die Tatsache, dass sie noch nie einen Bundeskanzler gestellt hatten, erhoben auch die SP und die SVP Anspruch auf die Nachfolge. Dabei kam der ersteren zustatten, dass sie in Vizekanzler W. Buser einen mit der zu übernehmenden Aufgabe bereits eng vertrauten Kandidaten besass
[14]. Die übrigen Fraktionen bezogen nicht Stellung. Der FDP war ihre Vertretung in der Bundeskanzlei durch die Wahl F. Couchepins zum Vizekanzler kurz zuvor bestätigt worden
[15]. Bei einem namhaften Teil der Freisinnigen überwog die Neigung zu einer Geste gegenüber dem linken Gegenspieler. So erreichte Buser in der Vereinigten Bundesversammlung nach vier Wahlgängen das absolute Mehr
[16]. Die CVP wurde bei der Ersetzung Busers als Vizekanzler nur bedingt entschädigt. Im Vordergrund stand das Bestreben, den Kontakt zwischen Regierung und Medien zu verstärken; ausserdem sollte auch die dritte Sprachregion des Landes in der Bundeskanzlei vertreten sein. So wählte der Bundesrat den Tessiner Journalisten A. Casanova, welcher der CVP bloss nahestand
[17].
Die im Vorjahr angefochtene Stellung der persönlichen Mitarbeiter der Departementsvorsteher fand in einer Verordnung eine klarere Regelung. Sie wurde deutlich von derjenigen eines Beamten unterschieden, in bezug auf das Gehalt jedoch mit der bestehenden Besoldungsordnung in Einklang gebracht
[18].
In struktureller Hinsicht sah sich die Landesregierung veranlasst, über die Neuzuteilung von
Bundesämtern zu entscheiden, wie dies bei der Ausarbeitung des Organisationsgesetzes von 1978 vorgesehen worden war; der neue Erlass hatte dafür eine Frist von vier Jahren gesetzt. Der im Mai gefasste Beschluss, der noch der Genehmigung durch das Parlament bedurfte, beschränkte sich freilich auf minimale Verschiebungen. Vor allem wurde das Bundesamt für Strassenbau vom EDI gelöst und dem EVED zugeordnet; um eine einheitliche Zuständigkeit für die Verkehrswege zu schaffen. In entsprechendem Sinne trat das EFD die Getreideverwaltung an das EVD ab, dem bereits die Landwirtschaft untersteht. Dagegen blieb die Alkoholverwaltung im EFD. Vor allem aber verzichtete der Bundesrat auf eine Eingliederung des Bundesamtes für Aussenwirtschaft ins EDA, was von einem Kritiker als personen- und parteibedingter Aufschub gewertet wurde
[19].
Einen Rückschlag erlitt die Idee des
Ombudsmanns. Obwohl ein Bundesgesetzentwurf zu dessen Einführung seit 1979 bereitliegt, hatte der Bundesrat — vor allem aus finanziellen Gründen — noch gezögert, ihn den eidgenössischen Räten zuzuleiten. Die Nationalratskommission jedoch, die mit der Behandlung zweier parlamentarischer Initiativen Hubacher (sp, BS) zu diesem Gegenstand beauftragt war, wollte nicht länger zuwarten und schlug der Volkskammer vor, die Regierung in einer Motion zur unverzüglichen Unterbreitung ihres Entwurfs aufzufordern. Der Rat versagte ihr aber seine Unterstützung; die bürgerlichen Fraktionen wandten sich mehrheitlich gegen die Motion. So wurde diese, wie es auch der Bundesrat empfohlen hatte, nur als Postulat überwiesen, was in der Presse sarkastische Kommentare auslöstet
[20].
Nachdem in den Vorjahren die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments die Frage des Einsatzes von
Experten aufgegriffen und die Exekutive um grössere Zurückhaltung sowie um periodische Berichterstattung ersucht hatten, lag nun ein erster Rechenschaftsbericht der Bundeskanzlei vor. Er gab die Reduktion bzw. die Aufhebung einzelner Expertenkommissionen bekannt und begründete verschiedene Abweichungen von den 1974 und 1977 vom Bundesrat festgelegten Regeln. Die Vertreter der Geschäftsprüfungskommissionen zeigten sich von diesen Ergebnissen nur teilweise befriedigt
[21]. In beiden Räten unterstrichen persönliche Vorstösse das Interesse an der Kommissionsbildungspraxis, insbesondere auch an der wirksamen Vertretung benachteiligter Gruppen (Frauen, Welschschweizer, Junge)
[22]. Der Politologe R.E. Germann, der schon 1979 mit einer Untersuchung auf die Problematik des Kommissionenwesens hingewiesen hatte, empfahl in einer umfassenderen Analyse eine Entlastung der oft überforderten Experten und zugleich mehr Transparenz für ihre Tätigkeit und mehr Repräsentativität für ihre Auslese, auch wenn dadurch Regierung und Parlament häufiger veranlasst würden, selber zwischen politischen Alternativen zu wählen
[23].
[13] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 387; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 181 f.; Presse vom 21.3.81. Über das Wirken K. Hubers vgl. Amtl. Bull. NR, 1981, S. 953 f. ; Bund, 149, 30.6.81; LNN, 148, 30.6.81; NZZ, 148, 30.6.81. Vgl. auch A. Fisch, «Der schweizerische Bundeskanzler — eine Schlüsselstellung», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 357 ff. sowie SPJ, 1967, S.10.
[14] Presse vom 23.4. und 25.5.81; Ww, 18, 29.4.81; BZ, 99, 30.4.81; Vat., 107, 9.5.81; BaZ, 112, 15.5.81. Generalsekretär der Bundesversammlung: vgl. SPJ, 1980, S. 24. Die SVP nominierte H.-U. Ernst, Direktor der Eidg. Militärverwaltung.
[15] FDP: Presse vom 3.6.81. LdU/EVP: NZZ, 132, 11.6.81. Im Januar hatte der BR den 1980 zum Generalsekretär der Bundesversammlung gewählten freisinnigen Vizekanzler J.-M. Sauvant durch seinen Parteigenossen F. Couchepin ersetzt (Presse vom 22.1.81; vgl. SPJ, 1980, S. 24).
[16] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 953 f.; Presse vom 12.6.81. Im 4. Wahlgang erhielt Buser 124, Voyame 104 Stimmen.
[17] Presse vom 9.7.81. Infolge einer Neuverteilung der Aufgaben zwischen den beiden Vizekanzlern erhielt Casanova zum Informationsdienst noch den Sprach- und Ubersetzungsdienst, während der Jurist Couchepin den Rechtsdienst übernahm (Information der Bundeskanzlei; vgl. SZ, 152, 3.7.81 sowie unten, Teil I, 8c, Information).
[18] AS, 1981, S. 172 ff. Vgl. Bund, 31, 7.2.81 sowie SPJ, 1980, S. 23. Das Gehalt darf in der Regel nicht über die Besoldungsklasse 1a hinausgehen.
[19] Presse vom 7.5.81; Ww, 20, 13.5.81. Vgl. SPJ, 1978, S. 22. Umgeteilt wurden ferner die Militärversicherung und die Eidg. Turn- und Sportschule vom EMD zum EDI sowie das Bundesamt für Messwesen vom EFD zum EJPD.
[20] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 288 ff., 325 ff. Die Initiative Hubacher für einen allgemeinen Ombudsmann wurde abgeschrieben, diejenige für einen Armee-Ombudsmann zurückgezogen. Eine Motion Wilhelm (cvp, JU) wurde verworfen. Kommentare: BaZ, 66, 19.3.81; TA, 65, 19.3.81. Vgl. SPJ, 1973, S. 19; 1977, S. 20; 1979, S. 25; ferner den Erfahrungsbericht des Stadtzürcher Ombudsmanns: J. Vontobel, «Der Ombudsmann der Stadt Zürich: Mittler zwischen Bürger und Verwaltung», in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 82/1981, S. 1 ff.
[21] BBl, 1981, II, S. 216 ff. Vgl. Amtl. Bull. StR, 1981, S. 205 ff.; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 723 f.; ferner SPJ, 1974, S.18 f.; 1977, S. 20; 1980, S. 24.
[22] Amtl. Bull. StR, 1981, S. 242 ff. (Postulat Bauer, Ip, GE); Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1334 f. (Postulat Felber, sp, NE/Morel, sp, FR).
[23] R. E. Germann, Ausserparlamentarische Kommissionen: Die Milizverwaltung des Bundes, Bern 1981.
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