Année politique Suisse 1981 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage war 1981 gesamthaft recht gut; im zweiten Halbjahr musste allerdings eine deutliche Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit in Kauf genommen werden. Die Zunahme des realen Bruttosozialproduktes fiel mit 1,4% (gemäss ersten offiziellen Schätzungen) zwar deutlich niedriger aus als im Vorjahr (+ 4,0%), übertraf aber die vergleichbaren Werte der wichtigsten Handelspartner. Trotz der weltweiten Stagnationserscheinungen konnte die schweizerische Exportindustrie ihre Verkäufe um real 3,2 % steigern. Begünstigt wurde sie dabei, wenigstens in der ersten Jahreshälfte, durch den relativ niedrigen Frankenkurs. Umgekehrt wurde für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen aus dem Ausland 2 % weniger ausgegeben. Wohl zum Teil infolge der sinkenden Reallöhne nahm der private Konsum nur noch um 1,0% zu, und auch die laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen wuchsen mit + 0,5% bloss unterdurchschnittlich. Die Wachstumsrate bei den Bau- und Ausrüstungsinvestitionen bildete sich gegenüber den beiden vorangegangenen Jahren stark zurück; sie blieb aber noch im positiven Bereich. Verantwortlich für die Abschwächung der Investitionsbereitschaft waren neben den getrübten Konjunkturaussichten auch die steigenden Zinssätze [4].
Die Gesamtbeschäftigung nahm im Jahresdurchschnitt um 0,9% zu, wobei das Wachstum im Dienstleistungsbereich mit 1,4% grösser ausfiel als im zweiten Sektor. Den relativ bedeutendsten Beschäftigungszuwachs meldeten die Banken mit + 5,7%. In der Industrie erzielte die Uhrenbranche mit + 2,0% ein überdurchschnittliches Resultat; eine Betrachtung der Quartalsziffern zeigt allerdings, dass sich dieser überraschende Beschäftigungsaufschwung nur über die ersten neun Monate erstreckte und dann wieder zum Erliegen kam. In der Textil-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelindustrie war die Beschäftigung erneut rückläufig. Die Zahl der Betriebseinstellungen im industriellen Bereich blieb mit 152 auf dem relativ niedrigen Niveau des Vorjahres; gut die Hälfte davon entfiel auf die Branchen Uhren, Textil und Bekleidung [5].
Die industrielle Produktion wuchs nur noch um 1% (1980: 5%). Die stärkste Expansion fand im Graphischen Gewerbe (+ 8%) und in der Chemie (+4%) statt. In der Maschinen- und Apparateindustrie konnte der Ausstoss um 2% gesteigert werden. Demgegenüber sank die mengenmässige Produktion in der Bekleidungs- und Textilindustrie um 2% und in der Uhrenindustrie gar um 11 %. Im letzten Quartal des Jahres 1981 nahm die Uhrenproduktion gegenüber dem Vorjahreswert sogar um 26% ab, was seinen Ausdruck auch darin fand, dass am Jahresende rund ein Fünftel der in dieser Branche Beschäftigten kurzarbeiteten. Dass die Uhrenindustrie ihre Exporte trotzdem wertmässig um ca. 10% steigern konnte, deutet darauf hin, dass der Umstrukturierungsprozess von der Herstellung von Billigwaren auf Qualitätserzeugnisse seinen Fortgang nahm. Im Baugewerbe kam es zu einer leichten realen Schrumpfung der Produktion, und überdies führten die stark steigenden Baukosten und -zinsen zu einem Auftragsrückgang. Im Tourismus wurde hingegen das gute Ergebnis des Vorjahres nochmals übertroffen und das beste je erreichte Resultat erzielt. Der günstige Frankenkurs und die im internationalen Vergleich bescheidene Inflation trugen nicht unwesentlich dazu bei, dass die Anzahl Hotelübernachtungen von Ausländern um weitere 6% anstieg [6].
Trotz der Konjunkturverflachung bildet die Arbeitslosigkeit in der Schweiz im Gegensatz zu den meisten übrigen Industriestaaten nach wie vor kein Problem. Nur gerade im Dezember übertraf die Zahl der Ganzarbeitslosen diejenige der offenen Stellen. Zu grösserer Besorgnis gab hingegen die Preisentwicklung Anlass. Die Verteuerung der Importe infolge des Rückgangs des Frankenkurses und die recht gute Inlandkonjunktur liessen den Konsumentenpreisindex im Jahresmittel um 6,5% (1980: 4,0%) ansteigen. Der Höhepunkt wurde im September mit 7,5 % Jahresteuerung erreicht; bis zum Jahresende bildete sich die Inflationsrate wieder auf 6,6% zurück. Auf Grosshandelsstufe erhöhten sich die Preise mit + 5,5% ebenfalls stärker als im Vorjahr; aber auch hier verhinderte die Verteuerung des Schweizer Frankens in den letzten Monaten einen noch grösseren Anstieg [7].
 
[4] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 273, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 55/1982 ; SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 16 ff. ; Gesch. ber., 1981, S. 236. Für die revidierten Sozialproduktstatistiken der Jahre 1978-80 siehe Die Volkswirtschaft 54/1981, S. 583 ff. Die Abkühlung des Konjunkturklimas gegen Jahresende hin äusserte sich auch im rückläufigen Bestellungseingang und in den wachsenden Fertiglagern im 4. Quartal (Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 172 ff.).
[5] Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 7 ff. und 119; Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 274, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 14.
[6] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 274, S. 12 f.; Die Volkswirtschaft, 55/1982, Heft 1, S. 11*. Zur Entwicklung der einzelnen Branchen vgl. ebenfalls Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 172 ff.; Bulletin/SKA, 87/1981, Nr.12 und 88/1982, Nr.1/2, 3 und 4; SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1981; «Tourismus in der Schweiz in Hotel- und Kurbetrieben », in Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 252 ff. Vgl. im weitem Bundesamt für Konjunkturfragen, Zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der Schweiz seit 1960, Bern 1981.
[7] Die Volkswirtschaft, 55/1982, S. 3 f.; SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 20 ff. Vgl. auch unten, Teil I, 4b (Geldmenge) und SPJ, 1980, S. 57. Längerfristig kann der Inflationsschub auch als späte Auswirkung der währungspolitisch begründeten Geldmengenexpansion durch die SNB im Jahre 1978 interpretiert werden (SNB, Geschäftsbericht, 74/1981, S. 6).