Année politique Suisse 1981 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Konjunkturpolitik
Die sich in den ersten Monaten laufend akzentuierende Teuerungswelle war es, welche den Ruf nach einer Revision des in den vergangenen Jahren befolgten Konzeptes der Konjunkturpolitik ertönen liess. In den Augen der Kritiker genügte die von der Nationalbank in Übereinstimmung mit dem Bundesrat betriebene Geldmengensteuerung nicht mehr, um der Inflation Einhalt zu gebieten. CVP, SP, der Landesring und die extreme Linke forderten die sofortige Wiedereinführung der Preisüberwachung, wie sie von 1973 bis 1978 bestanden hatte. Die Landesregierung räumte zwar dem Kampf gegen die Teuerung erste Priorität ein, sie lehnte aber die geforderte interventionistische Massnahme ab. Neben ordnungspolitischen Überlegungen führte der Bundesrat auch an, dass es sich diesmal, im Gegensatz zu den siebziger Jahren, weniger um eine Nachfrage- als vielmehr um eine Kosteninflation handle. Da der Frankenkurs und die Zinssätze als Hauptverursacher dieser Kostensteigerung weitgehend auf internationalen Märkten bestimmt werden, könne eine Preisüberwachung wenig zur Inflationsbekämpfung beitragen. Obwohl der Politik der Nationalbank und des Bundesrates noch vor Jahresende einige Erfolge beschieden waren, zeigte sich, dass dabei kurzfristig unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. So gelang es zwar, durch eine Verknappung des Geldes den Franken attraktiver und teurer zu machen und als Konsequenz davon die Importgüter zu verbilligen. Die damit verbundenen Zinserhöhungen erfassten aber auch die Hypothekarzinsen, was zu einer Steigerung des Mietpreisindex führte. Ebenso reserviert wie auf die Forderung nach der Preisüberwachung reagierte der Bundesrat anderseits auf das Postulat von Ständerat Letsch (fdp, AG), der im Teuerungsausgleich auf den Löhnen eine der wichtigsten Inflationsursachen zu erkennen glaubt und deshalb von der Landesregierung eine entsprechende Intervention bei den Sozialpartnern verlangte
[8].
Zu heftigen Diskussionen gab auch die
Berechnungsmethode für den Konsumentenpreisindex Anlass. Die angewandte Methode, welche von den relativen Veränderungen gegenüber der letzten Erhebungsperiode ausgeht, führt bei Produkten mit saisonal stark schwankenden Preisen, wie etwa Gemüse und Früchte, zu einer Verzerrung nach oben. Da dieser Produktgruppe aber insgesamt kein bestimmendes Gewicht zukommt, wurde die Verwendung des Index als Massstab der Teuerung von den Sozialpartnern nicht ernsthaft in Frage gestellt; immerhin sicherten die Behörden eine rasche Überprüfung und eine allfällige Veränderung der Berechnungsweise zu
[9].
Über die von der aktuellen wirtschaftlichen Situation geprägte Diskussion hinaus musste sich der Bundesrat auch mit der Forderung nach einer dauerhaften Institutionalisierung der Preisüberwachung auseinandersetzen. Mit einer 1979 eingereichten Volksinitiative verlangte das Konsumentinnenforum, dass wenigstens in denjenigen Bereichen eine Preiskontrolle eingerichtet werde, in welchen Kartelle und marktmächtige Unternehmungen das normale Funktionieren des Preisbildungsmechanismus behindern. Dieses ebenfalls von der Expertenkommission für die Kartellgesetzrevision vorgebrachte Anliegen war bereits auf heftigen Widerstand seitens der Wirtschaftsverbände gestossen. Der Bundesrat empfahl deshalb — und auch mit der Begründung, dass der Marktmechanismus in den für die privaten Haushalte wichtigsten Bereichen voll funktioniert — das Volksbegehren zur Ablehnung, nachdem er bereits vorher den strittigen Artikel aus dem Kartellgesetzentwurf gestrichen hatte. Die Initiative für die im Volk sehr beliebte Preisüberwachung will er mit einem Gegenvorschlag bekämpfen. Dieser sieht eine Ergänzung des Konjunkturartikels in der Bundesverfassung durch einen Zusatz vor, der die Einführung der allgemeinen Preisüberwachung in Zeiten starker Teuerung und beim Scheitern der üblichen konjunkturpolitischen Instrumente ermöglicht
[10].
Als taugliches Instrument zur Milderung von konjunkturell bedingten Beschäftigungseinbrüchen hatten sich nach Ansicht der Behörden in der letzten Rezession die von der Privatwirtschaft in guten Zeiten gebildeten
Arbeitsbeschaffungsreserven erwiesen. Diese Reservenbildung stützte sich aufeinen Erlass aus dem Jahre 1951, welcher nun, auf der Basis des neuen Konjunkturartikels, an die heutigen Erfordernisse angepasst werden soll. Der vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Gesetzesentwurfbeinhaltet eine steuerliche Begünstigung von freiwillig gebildeten Reserven. Diese Rücklagen sind beim Bund anzulegen, welcher sie verzinst und bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten wieder freigibt. Aus vorwiegend administrativen Gründen sollen nur Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten von diesen Bestimmungen profitieren können. Für den Fall, dass die Reservebildung ungenügend ausfällt, könnte das Parlament ein Obligatorium einführen. Die bedeutendsten Veränderungen gegenüber der bisherigen Regelung bestehen in einer attraktiveren Form der Steuerbegünstigung und in der Möglichkeit, die Reserven auch präventiv gegen drohende konjunkturelle oder strukturelle Schwierigkeiten einzusetzen
[11].
[8] Preisüberwachung: BaZ, 137, 16.6.81; TA, 242, 19.10.81; TW, 256, 2.11.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1261 ff.; Ww, 40, 30.9.81. Teuerungsausgleich: Amtl. Bull. StR, 1981, S. 403 ff.; TA, 237, 13.10.81. Siehe ebenfalls K. Wild, «Preisüberwachungsillusionen», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 401 ff. Zur Preisüberwachung in den siebziger Jahren vgl. SPJ, 1973, S. 55 f. und 1978, S. 56.
[9] NZZ, 239, 15.10.81; 241, 17.10.81;249, 27.10.81; 257, 5.11.81; Ww, 46, 11.11.81; Gesch. ber., 1981, S. 237.
[10] SPJ, 1979, S. 67; BBl, 1981, III, S. 342 ff. ; Presse vom 22.10.81.
[11] BBl, 1981, II, S. 1269; BaZ, 157, 9.7.81; NZZ, 175, 31.7.81; Gewerkschaftliche Rundschau, 73/1981, S. 353 ff. Zum Effekt der Arbeitsbeschaffungsreserven während der letzten Rezession vgl. Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 37/1981, S. 2 ff.
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