Année politique Suisse 1981 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerb
Der kleingewerbliche Detailhandel sieht seit Jahren seine Existenz durch die Verkaufs- und Preispolitik der Grossverteiler bedroht. In der Vernehmlassung erntete der Vorentwurf für ein revidiertes Bundesgesetz über den
unlauteren Wettbewerb (UWG), der unter anderem rechtliche Handhaben gegen die im Gewerbe Anstoss erregenden «Lockvogelpreise» (Verkaufspreise, die aus werbepolitischen Gründen sehr tief angesetzt sind) enthält, bei den grösseren politischen Parteien weitgehend Zustimmung. Ausserst kontrovers fiel hingegen die Reaktion der Wirtschaftsverbände aus. Während der Gewerbeverband, die selbständigen Detaillisten und die Konsumentenverbände den Vorschlag begrüssten, erhob der Vorort prinzipielle Einwände. Seine Opposition richtet sich sowohl gegen die erwähnte Intervention in die Preispolitik als auch gegen die ebenfalls angestrebte Regelung der Nachfragemacht, welche seiner Ansicht nach ins Kartellgesetz gehört. Angesichts dieser Uneinigkeit im bürgerlichen Lager erteilte der Bundesrat dem EVD den Auftrag, innerhalb eines Jahres Antrag zu stellen, ob — und wenn ja in welcher Form — das Revisionsprojekt weiter verfolgt werden soll
[17].
Nachdem sich die Republikaner mit ihrer
Volksinitiative «gegen das Ladensterben» der Anliegen der Kleinhändler erfolgreich angenommen hatten, wurden nun auch andere bürgerliche Parteien aktiver. Die FDP erarbeitete ein Konzept, welches das Heil der Detaillisten allerdings nicht in staatlicher Intervention, sondern in Selbsthilfe und Kooperation erblickt
[18]. Eine Verbesserung seiner Lage verspricht sich der gewerbliche Detailhandel von einer stärkeren Besteuerung der als Genossenschaften organisierten Grossverteiler. Der Nationalrat lehnte zwar die vom Gewerbevertreter Schärli (cvp, LU) eingebrachte Forderung nach einer Minimalsteuer für Grossgenossenschaften ab. In beiden Räten stimmte aber die bürgerliche Mehrheit einer von der zuständigen Nationalratskommission ausgearbeiteten Motion zu, worin die Revision der Berechnungsgrundlagen für den steuerbaren Reinertrag der Genossenschaften gefordert wird. Insbesondere sollten Zuwendungen der beiden Grossverteiler Migros und Coop an Institutionen im Bereich von Kultur und Freizeitgestaltung vollständig dem steuerbaren Ertrag zugeschlagen werden. Mit einem Postulat wird zudem angeregt, diese Subventionen auch noch durch die Begünstigten versteuern zu lassen. Das von Vertretern der SP und des Landesring vorgebrachte Gegenargument, dass die den Genossenschaften steuerlich gleichgestellten Kapitalgesellschaften derartige Leistungen als Werbeaufwand und ähnliches deklarieren und ebenfalls nicht voll versteuern, vermochte in den Räten ebensowenig zu überzeugen wie die Tatsache, dass die besonders erfolgreiche Migros-Genossenschaft bereits heute, gemessen am Umsatz, höhere Abgaben entrichtet als die Mehrzahl der andern Detailhandelsgesellschaften
[19].
Wie wir bereits in unserem letzten Bericht erwähnt haben, wird die Migros nicht nur von aussen kritisiert. Die im Verein «
Migros-Frühling» zusammengeschlossenen oppositionellen Genossenschafter gaben ihren Kampf für eine radikale Veränderung der Konzernpolitik nicht auf und lancierten zwei Genossenschaftsinitiativen. Die eine wollte durch die Einführung des Proportionalwahlrechts in den regionalen Gremien die Einflussmöglichkeiten alternativer Gruppen, welche bei den letzten Wahlen rund einen Fünftel der Stimmen auf sich vereinigt hatten, verbessern. Das andere Begehren strebte den stufenweisen Verzicht auf den Verkauf von Fleisch und Eiern aus industrieller Tierhaltung an
[20].
[17] SPJ, 1980, S. 59; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1061; Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 1980/81, S. 109 f.; TA, 77, 2.4.81. Das Bundesgericht entschied, dass aufgrund der bestehenden Rechtslage gegen sogenannte Lockvogelpreise nicht vorgegangen werden kann (NZZ, 109, 13.5.81; 240, 16.10.81). Zur UWG-Revision siehe auch M. Kummer, «Lauterkeitsschutz und Marktwirtschaft», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 609 ff. 1981 setzte der Detailhandel real 1,6% weniger um als im Vorjahr (Schweiz. Detaillistenzeitung, 2, 22.2.82).
[18] Initiative: SPJ, 1980, S. 59. FDP: Politische Rundschau, 60/1981, Nr. 2; NZZ, 178, 5.8.81. Der NR überwies ein Postulat, worin ein Bericht über den Strukturwandel im Detailhandel und dessen Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung sowie eventuell zu ergreifende Massnahmen angeregt werden (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 456 ff.) In AG verlangt das Kantonsparlament mit einer Motion die Einführung der Bewilligungspflicht für die Errichtung von Einkaufszentren (AT, 246, 21.10.81).
[19] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 456 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 543 ff. Vgl. auch SGT, 61, 14.3.81; W. Biel, Dichtung und Wahrheit — Migros und Steuern, Zürich 1981; SPJ, 1980, S. 59. Ahnliche Interventionen zulasten der Grossgenossenschaften regt auch die SVP mit einem vom NR überwiesenen Postulat an (BaZ, 37, 12.2.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 870).
[20] NZZ, 63, 17.3.81. Vgl. ebenfalls Bund, 59, 12.3.81 und SPJ, 1980, S. 59 f. sowie unten, Teil I, 4c (Tierische Produktion). Infolge ungenügender Unterschriftenzahl kam keine der beiden Initiativen zustande (NZZ, 6, 9.1.82; 16, 21.1.82).
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