Année politique Suisse 1981 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Verkehrspolitik
Die schweizerische Verkehrspolitik präsentiert sich 1981 recht unübersichtlich. Einerseits scheint sich die Auffassung durchzusetzen, dass mit einzelnen verkehrspolitischen Massnahmen nicht bis zur Realisierung der Gesamtverkehrskonzeption (GVK) abgewartet werden darf. Andererseits gilt es, die vorgezogenen Massnahmen sowohl mit den Plänen der GVK als auch mit den Zielen der Finanzpolitik und der angestrebten Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen in Ubereinstimmung zu bringen. Während bei dem als Übergangsmassnahme konzipierten Leistungsauftrag für die SBB — wir werden weiter unten darauf eintreten — der Bundeshaushalt per saldo kaum berührt wird, geht es bei den sich im Gespräch befindenden Abgaben der Strassenbenützer um die Beschaffung von Mehreinnahmen. Nicht nur die Höhe und Form dieser Abgaben ist umstritten, sondern auch die Verteilung der Neueinnahmen auf Verwendungszwecke (Strassenbau und -unterhalt — öffentlicher Verkehr — allgemeine Finanzen) und auf die verschiedenen politischen Ebenen (Bund — Kantone — Gemeinden).
Zeitlich vordringlichstes Problem ist die Neuordnung der Treibstoffgrundzölle und -zuschläge. Der Zollzuschlag, welcher gegenwärtig 30 Rp. je Liter Benzin beträgt und 1981 rund 1,3 Mia Fr. einbrachte, ist gemäss Verfassung ausschliesslich für den Nationalstrassenbau bestimmt. Da der Bundesvorschuss an den N-Strassenbau voraussichtlich bis 1983 getilgt sein wird und eine Ausdehnung des Bauvolumens auch aus allgemein wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage kommt, wird der Zuschlag nicht mehr voll beansprucht werden. In Ubereinstimmung mit den massgeblichen politischen Parteien und Verkehrsverbänden beabsichtigt die Landesregierung, diese Geldquelle nicht versiegen zu lassen. Der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung zu seinem Vorschlag, den Treibstoffzollzuschlag in vollem Umfang beizubehalten, aber seine Zweckbindung von den Nationalstrassen auch auf andere Strassenbauten zu erweitern. Beim Grundzoll sollte gemäss dem deutlich von den Sorgen um den defizitären Bundeshaushalt geprägten Vorentwurf die bisherige teilweise Zweckbindung an Strassenbauausgaben (60%) ganz aufgehoben werden [1].
Relativ unumstritten ist das Prinzip der Einführung einer Sondersteuer für den schweren Strassenverkehr, deckt doch dieser nur etwa die Hälfte der von ihm verursachten Kosten. Über den Zeitpunkt der Einführung dieser Steuer sowie über deren Höhe herrscht allerdings weniger Einigkeit, opponieren doch die Strassentransportverbände der Erhebung einer voll kostendeckenden Schwerverkehrsabgabe vor der Realisierung der übrigen von der GVK vorgesehenen Massnahmen. Nachdem der Ständerat im Vorjahr auf die bundesrätliche Vorlage für die sofortige Einführung einer leistungsabhängigen Abgabe, welche das rund 350 Mio Fr. pro Jahr betragende Defizit des Schwerverkehrs voll decken würde, gar nicht eingetreten war, kam das Geschäft vor die Volkskammer. Diese stimmte zuerst dem von der Regierung vorgeschlagenen neuen Verfassungsartikel 36quater BV zu, kam dann aber auf ihren Entscheid zurück. In einer zweiten Abstimmung sprach sie sich für eine zeitlich beschränkte und in ihrem Umfang reduzierte Pauschalabgabe aus, die nur etwa 110—150 Mio Fr. einbringen soll. Auf die ursprünglich im Entwurf vorgesehene Aufteilung der Einkünfte zwischen Bund und Kantonen wurde verzichtet. Bei den Befürwortern des öffentlichen Verkehrs stiess das Verdikt des Nationalrats, das die Wegekostensubventionierung zugunsten des Strassenschwerverkehrs zwar etwas reduziert, aber doch weiterbestehen lässt, auf heftige Kritik. Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) lancierte im Verein mit verschiedenen Umweltschutzorganisationen eine Volksinitiative «für eine gerechte Besteuerung des Schwerverkehrs», welche inhaltlich weitgehend dem Vorschlag des Bundesrates entspricht. Um die Steuer sofort einziehen zu können, soll bis zur Inkraftsetzung der Ausführungsgesetzgebung eine sich bis zur vollen Kostendeckung jährlich um 10% erhöhende Pauschalabgabe erhoben werden [2].
Obwohl die leichten Motorfahrzeuge (bis 3,5 t) ihre Strassenkosten decken, beabsichtigt der Nationalrat nach wie vor, für diese eine Benutzungsgebühr für die N-Strassen in Form einer für 30 Fr. zu kaufenden Jahresvignette einzuführen. Diese Abgabe könnte nach Ansicht der vorberatenden Kommission einen jährlichen — nicht zweckgebundenen — Nettoertrag von etwa 200 Mio Fr. in die Bundeskasse bringen. Nicht zuletzt deshalb, weil rund 80% dieser Mehreinnahmen durch ausländische Automobilisten aufzubringen wären, scheint diese Vignette — wie übrigens auch die Schwerverkehrssteuer — als Mittel zur Sanierung des Bundeshaushaltes bei den Stimmbürgern recht populär zu sein [3]. Die gemäss Meinungsumfragen ebenfalls von einer Mehrheit akzeptierte Durchfahrtgebühr für die beiden Transitstrassentunnels durch die Alpen, wie sie Nationalrat Weber (cvp, AG) gefordert hatte, drang hingegen im Parlament nicht durch. Auschlaggebend war dabei das Argument, dass es staatspolitisch nicht haltbar sei, die beiden einzigen wintersicheren Verbindungsstrassen zum italienischsprachigen Landesteil mit einer Sonderabgabe zu belegen. Trotz der deutlichen Niederlage ihres Anliegens im Nationalrat setzte die CVP des Kantons Aargau die Unterschriftensammlung für eine entsprechende Volksinitiative fort. Deren politische Resonanz blieb allerdings gering, fanden die Aargauer doch nur gerade bei ihren Schwesterparteien der Kantone Basel-Stadt, Bern, Obwalden und Zürich sowie bei der Nationalen Aktion Unterstützung [4].
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Sommerzeit
Erstmals seit dem 2. Weltkrieg galt 1981 auch in der Schweiz die Sommerzeit. Da ausser Jugoslawien alle west- und mitteleuropäischen Staaten ihre Uhren während des Sommers (zumeist vom 29. März bis zum 27. September) um eine Stunde vorstellten, ergaben sich im Vergleich zu den Vorjahren für die Abwicklung von grenzüberschreitenden Aktivitäten zweifellos Vereinfachungen. Diese Vorteile waren vor allem im Bereich der Transporte und der Kommunikation spürbar und überwogen nach Ansicht des Bundesrates die von der Landwirtschaft beklagten Nachteile bei weitem. Die Sommerzeit wird deshalb auch 1982 durchgeführt. Allem Anschein nach wird aber diese Angelegenheit in Zukunft die politische Bühne weiterhin beleben, beschloss doch die SVP des Kantons Zürich die Lancierung einer Volksinitiative für ein Verbot der Sommerzeit [5].
 
[1] BaZ, 277, 26.11.81; 291, 12.12.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1204 f. Zur Diskussion über die Treibstoffzölle vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1202 ff und 1280 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 322 ff. ; SPJ, 1976, S. 102, sowie oben, Teil I, 5 (Nouvelles ressources). Zur Verkehrspolitik im allgemeinen siehe ebenfalls LITRA, Jahresbericht, 1980/81, S. 3 ff. Eine Lockerung der Zweckbindung der Abgaben des Strassenverkehrs strebt auf kantonaler Ebene die SP St. Gallen an. Sie beschloss die Lancierung einer Volksinitiative für die Verwendung eines Fünftels der Motorfahrzeugsteuern zugunsten des öffentlichen Verkehrs (TA, 267, 17.11.81).
[2] SPJ, 1980, S. 98 f.; Amtl. Bull. NR, 1981, 5.1202 ff. und 1280 ff. Volksinitiative: VCS-Zeitung, November 1981; Suisse, 230, 18.8.81; BB1, 1981, II, S.1077 ff. Siehe auch die Kritik der SBB am NR-Entscheid: 24 Heures, 153, 4.7.81; NZZ, 256, 4.11.81. Das Strassentransportgewerbe seinerseits erachtet den ihm in der Strassenrechnung angelasteten Fehlbetrag als zu hoch und verlangt eine Überprüfung der Berechnungsmethoden, was inzwischen vom EDI in die Wege geleitet worden ist (Bund, 50, 2.3.81; NZZ, 81, 7.4.81; TA, 260, 9.11.81).
[3] BBl, 1981, II, S. 1423 ff.; III, S. 282 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1981, 5.1202 ff. und 1280 ff.; vgl. auch SPJ, 1980, 5.99. Meinungsumfragen: Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 29.11.81; NZZ, 55, 7.3.81.
[4] SPJ, 1980, S. 99; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1202 ff. und 1297 ff.; AT, 36, 13.2.81; TA, 39, 17.2.81; NZZ, 41, 19.2.81. Der Grosse Rat von TI sprach sich mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution gegen die Tunnelgebühren aus (CdT, 63, 17.3.81).
[5] AS, 1981, S. 84 f., 86 ff. und 1905; Presse vom 30.3.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1182 und 1976; NZZ, 67, 21.3.81 ; 74, 30.3.81. Volksinitiative: NZZ, 293, 17.12.81. Gemäss einer Meinungsumfrage machte eine Mehrheit der Befragten mit der Sommerzeit positive Erfahrungen (Bund, 226, 28.9.81). Siehe auch SPJ, 1980, S. 99.