Année politique Suisse 1981 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
 
Strassenbau
Mit der Eröffnung des letzten Teilstücks der N12 nördlich von Vevey (VD) konnte eine wichtige Lücke im Netz der Nationalstrassen geschlossen werden. Die auch staatspolitisch bedeutsame Ost-West-Transversale kann nun — mit Ausnahme der Durchfahrt von Zürich — von St. Gallen bis Genf durchgehend auf Autobahnen befahren werden. Die verkehrsmässig noch wichtigere Nord-Süd-Verbindung N2 erfuhr durch die Inbetriebnahme des letzten bisher noch fehlenden Abschnitts nördlich des Gotthards (bei Sursee, LU) eine wesentliche Verbesserung [21].
Insgesamt wurden 1981 92,4 km Nationalstrassen für den Verkehr freigegeben (1980: 114 km). Somit waren zu Jahresende 1258 km oder rund 69% des geplanten Netzes in Betrieb. Die Strecken, an denen Ende 1981 gebaut wurde, umfassten 203 km (1980: 280 km) [22].
Die zur Überprüfung von sechs umstrittenen Nationalstrassenabschnitten eingesetzte Kommission (Vorsitz: NR Biel) brachte ihre Arbeit im Berichtsjahr noch nicht zum vollständigen Abschluss. Die Auseinandersetzungen über die Wünschbarkeit und Notwendigkeit dieser und auch weiterer geplanter Autobahnen ebbten allerdings nicht ab. Gegen den Bau der N1 am Neuenburgersee, der N6 im Simmental und der N5 zwischen Solothurn und Biel reichten Opponenten Petitionen mit zum Teil beachtlichen Unterschriftenzahlen ein (560 000 gegen die N1, 100 000 gegen die N6) [23]. Die Gegner des im Osten Lausannes projektierten Autobahnzubringers konnten einen Teilerfolg verbuchen. Mit der Annahme einer von Franz Weber lancierten Initiative gaben sich die Waadtländer Bürger das Recht, über die Einreichung von Standesinitiativen entscheiden zu können. Somit stehen einem Volksbegehren für eine Standesinitiative gegen den Autobahnzubringer keine verfassungsrechtlichen Schranken mehr im Wege [24]. In Basel-Stadt, wo dieses Recht nicht erst erkämpft werden musste, reichte die POCH ein Volksbegehren für eine Standesinitiative gegen die Nordtangente ein. Diese Stadtautobahn, die eine Verbindung zum französischen Strassennetz schaffen soll, wurde auch durch eine Volksinitiative der SP angefochten, jedoch ohne Erfolg bei den Stimmbürgern [25].
Die Aussichten für die Aufnahme einer «Transjurane» — d.h. einer Autostrasse von Boncourt (JU) nach Moutier (BE) und von dort in zwei Ästen nach Biel und Oensingen (SO) — ins Nationalstrassennetz haben sich weiter verbessert. Das vom EDI im Auftrag des Bundesrates ausgearbeitete generelle Projekt konnte noch vor Jahresende der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eine entsprechende Aufnahme des Strassenzuges Le Locle-La Chaux-de-Fonds-Neuenburg-Bern, wie sie der Kanton Neuenburg mit einer Standesinitiative verlangt, fand das Wohlwollen des Nationalrates [26].
Auch auf kantonaler Ebene erwächst grösseren Strassenbauprojekten — selbst wenn es sich um Umfahrungsstrassen für Ortschaften handelt— oft Opposition aus Kreisen der Landwirtschaft und des Umweltschutzes. Im Kanton Bern konnte der Souverän erstmals von dem im Vorjahr eingeführten Mitbestimmungsrecht im Strassenbau Gebrauch machen. Einer mit dem Referendum bekämpften Umfahrungsstrasse im Emmental (Ranflüh) stimmte eine knappe Mehrheit zu; das Projekt für eine Umfahrungsstrasse bei Ins kam hingegen gar nicht zur Abstimmung, da der Regierungsrat das Vorhaben angesichts der eindeutigen Opposition der betroffenen Gemeinde preisgab. Im Kanton Zürich lehnten es die Stimmbürger ab, die früher beschlossene Autobahnumfahrung von Uster rückwirkend dem seit 1977 geltenden Referendumsrecht zu unterstellen [27].
Das neue zürcherische Strassengesetz wurde von zwei gegensätzlichen Seiten her unter Beschuss genommen. Die SP bemängelte am Entwurf den Abbau der bisherigen Teilautonomie der Städte Zürich und Winterthur; die Sozialdemokraten befürchten, dass der Kanton den beiden Städten Strassenbauten aufdrängen werde, die sie nicht wünschen. Die SVP andererseits kritisierte die vorgesehene Verbesserung des Mitspracherechts der Bürger bereits in der Planungsphase als unnötige Erschwerung des Strassenbaus. Trotz dieser Einwände fand das neue Gesetz beim Volk mit 128 621 Ja zu 55 976 Nein deutliche Zustimmung [28].
Wie wir bereits in unserem letzten Jahresbericht feststellen konnten, wird das Fahrrad wieder vermehrt als ernstzunehmendes Nahverkehrsmittel anerkannt. Im Kanton Zug sowie in den Städten Luzern und Schaffhausen reichten Vertreter der Interessengemeinschaft Velo und des VCS Volksinitiativen für die Schaffung eines zusammenhängenden Radwegnetzes ein. In der Stadt Zürich verabschiedete die Exekutive ein Konzept, das die Errichtung eines 150 km langen Radwegnetzes in den nächsten zehn Jahren vorsieht. Gemäss einem vom Nationalrat überwiesenen Postulat sollen auch auf Bundesebene Massnahmen zur Verbesserung der Stellung der Radfahrer und Fussgänger ergriffen werden [29].
 
[21] N12: Presse vom 24.11.81. N2: Vat., 151, 3.7.81.
[22] Gesch. ber., 1981, S. 62 ff.
[23] N1: Suisse, 351, 17.12.81. N6: Bund, 224, 25.9.81. Eine Woche vor der Petitionsübergabe führten Befürworter der N6 und des Rawiltunnels in Siders (VS) eine Kundgebung mit 10 000 Teilnehmern durch und übergaben den Behörden ebenfalls eine Petition mit 17 000 Unterschriften (TLM, 263, 20.9.81). Zum Rawiltunnel vgl. auch 24 Heures, 255, 3.11.81; 256, 4.11.81 und SPJ, 1980, S.103. N5: Suisse, 276, 3.10.81. Der NR überwies ein Postulat, das die Überprüfung des Ausbaustandards der N5, welche auch zwischen Neuenburg und Yverdon (VD) nicht unumstritten ist, anregt (Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1400 f. und 1748; BaZ, 40, 17.2.81; TLM, 79, 20.3.81). Dasselbe wird auch für die N4 bei Schaffhausen verlangt; die Unterschriftensammlung für eine entsprechende Standesinitiative wurde noch im Berichtsjahr gestartet (NZZ, 255, 3.11.81).
[24] 24 Heures, 196, 25.8.81; 290, 14.12.81 (40 156 Ja: 33 305 Nein). Eine gleichlautende Initiative war 1979 abgelehnt worden (SPJ, 1979, S. 114 und 1980, S. 102).
[25] POCH-Initiative: BaZ, 214, 14.9.81. SP-Initiative: BaZ, 43, 20.2.81; 205, 3.9.81; 214, 14.9.81 (12 211 Nein — 10 316 Ja). Vgl. auch SPJ, 1980, S.103.
[26] Transjurane: Amtl. Bull. StR, 1981, S. 514 f.; Suisse, 316, 12.11.81; TLM, 333, 29.11.81; 345, 11.12.81; siehe auch Amtl. Bull. NR, 1981, S. 893 f. Neuenburg: Amtl. Bull. NR, 1981, S. 365 f. und SPJ, 1979, S. 113 f.
[27] Ranflüh: Bund, 222, 23.9.81; 226, 28.9.81 (48 319 Ja: 46 932 Nein). Ins: Bund, 48, 27.2.81; 152, 3.7.81; 199, 27.8.81. Uster: TA, 66, 20.3.81; NZZ, 80, 6.4.81 (145 341 Nein: 125 999 Ja). Vgl. auch SPJ, 1980, S.104. Die im Vorjahr im Kanton LU lancierte Volksinitiative für die Referendumsunterstellung von Strassenbaugrosskrediten konnte im Berichtsjahr eingereicht werden (SPJ, 1980, S. 103 f.; Vat., 110, 13.5.81).
[28] NZZ, 27, 3.2.81; 97, 28.4.81; 221, 24.9.81; 224, 28.9.81; vgl. ebenfalls SPJ, 1979, S. 114.
[29] Zug: TA, 117, 22.5.81; Vat., 148, 30.6.81. Luzern: Vat., 77, 2.4.81; 176, 1.8.81. Schaffhausen: Ldb, 105, 9.5.81; NZZ, 194, 22.8.81. Zürich : TA, 127, 4.6.81. Postulat Bircher (sp, AG): Amtl. Bull. NR, 1981, S. 407 f. Vgl. auch NZZ, 223, 26.9.81; SPJ, 1980, S. 104, sowie die Berichte in der Presse vom 25.5.81 über die in einer Vielzahl von Städten durchgeführten Velo-Demonstrationen. Der Vorentwurf zum Bundesgesetz über Wanderwege ging in die Vernehmlassung (SGT, 209, 8.9.91; vgl. auch SPJ, 1978, S. 104).