Année politique Suisse 1981 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Stellung der Frau
Die Volksabstimmung über den Gegenvorschlag der Bundesversammlung zur Gleichberechtigungsinitiative führte dazu, dass in den Auseinandersetzungen um die Stellung der Frau vorrangig Fragen der Ungleichbehandlung im Bundesrecht und das Problem des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit zur Sprache kamen. Anderseits wurde von Frauenseite die Aufmerksamkeit auf die Grundlage vieler Ungleichheiten, nämlich die unterschiedliche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, gelenkt. Eine Demonstration zum internationalen Tag der Frau richtete sich grundsätzlich gegen die Eingliederung der Frau in die Gesamtverteidigung, wie sie im Weitzel-Bericht vorgesehen ist. Von feministischer Seite wurde schliesslich die Diskussion über die Erniedrigung der Frauen im Alltag durch eine Klage gegen ein Offiziersschiessen auf Bilder nackter Frauen in Gang gehalten. Die im Juli gegründete schweizerische Frauenpartei «Stimme der Frau» hat bisher noch nicht viel von sich reden gemacht [36].
Nachdem 1980 beide Kammern dem bundesrätlichen Gegenvorschlag zur Initiative «Gleiche Rechte» zugestimmt hatten, hatte das Initiativkomitee sein Begehren zurückgezogen, so dass am 14. Juni 1981 nur über den Gegenvorschlag abgestimmt wurde. Zehn Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechtes auf eidgenössischer Ebene sollte mit dieser Verfassungsänderung ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung gemacht werden. Die Vorlage wurde nur schwach bekämpft; ein «Komitee gegen Gleichmacherei» argumentierte, soweit die Gesetzgebung noch Korrekturen brauche, könnten diese ohne Verfassungsänderung durchgeführt werden. Der SGB stellte den Tag der Arbeit unter das Motto «Gleiche Rechte — gleiche Chancen» [37]. In der Volksabstimmung wurde der Gegenvorschlag der Bundesversammlung bei einer Stimmbeteiligung von 33,9% mit 797 702 Ja zu 525 885 Nein und 151/2 : 71/2 Ständen klar angenommen. In ersten Kommentaren wurde mit einigem Erstaunen festgestellt, dass die Stimmgeographie ziemlich genau derjenigen von 1971 (Frauenstimmrecht) entsprach, obwohl damals nur die Männer zur Urne hatten gehen dürfen. Eine Nachanalyse zeigte, dass die Vorlage die Frauen zu überdurchschnittlicher Partizipation motiviert hatte und dass sie einen höheren Ja-Stimmenanteil als die Männer aufwiesen, dass jedoch Ehepartner in ihrem Stimmverhalten nur wenig voneinander abwichen [38].
Die nach der Abstimmung erwarteten Lohnprozesse stehen noch aus, was nicht zuletzt dem Umstand zugeschrieben wird, dass weder Gewerkschaften noch Frauenorganisationen klageberechtigt sind, sondern nur die von einer willkürlichen Lohndisparität betroffene Frau selbst. Zur Aufhebung eines der Gleichheitsnorm zuwiderlaufenden Passus in einem Einzelarbeitsvertrag bedarf es eines richterlichen Urteils, und die Beweislast liegt gewöhnlich beim Kläger. Einen Präzedenzfall gibt es noch nicht, und die Lohnúnterschiede bestehen weiter. Anderseits versuchen die Gewerkschaften, auf dem Verhandlungswege die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede aufzuheben. Ein Schritt zúm Abbau der beruflichen Benachteiligung der Frauen wurde auch durch die Schaffung einer Stabsstelle für Frauenfragen in der Bundesverwaltung getan [39].
Einige Umfragen unter arbeitenden Frauen zeigten, dass relativ viele von ihnen mit der Arbeit unzufrieden sind, sei es, weil sie weitgehend unqualifizierte Arbeiten verrichten müssen, sei es, weil sie lieber eine gesicherte Teilzeitbeschäftigung übernehmen würden. Das Problem des beruflichen Wiedereinstieges wurde stark diskutiert, und zahlreiche Vereinigungen und Firmen führten Kurse durch für Frauen, die nach mehrjähriger Inanspruchnahme durch die Familie wieder arbeiten gehen wollen. Aus feministischer Sicht wurde am sogenannten Dreiphasenmodell (Ausbildung — Haushalt — Wiedereinstieg) Kritik geübt, da es mehr den Bedürfnissen der Wirtschaft als denjenigen der Frauen gerecht werde [40].
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Schwangerschaftsabbruch
Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation in der Frage des Schwangerschaftsabbruches öffnete sich auch im Jahre 1981 nicht. Nach dem Scheitern der Fristenlösungsinitiative und des Schwangerschaftsgesetzes mit einer sozialmedizinischen Indikation in den Volksabstimmungen von 1977 und 1978 hatten vier Standesinitiativen und einige parlamentarische Einzelinitiativen das Thema wieder aufgenommen, indem sie eine föderalistische Regelung des Problems anvisierten [41]. Im Februar kam die vom Nationalrat mit der Behandlung der Initiativen beauftragte Kommission mit knappem Mehr auf eine föderalistische Variante zurück, nachdem sie vorher das Konzept einer gesamtschweizerischen sozialmedizinischen Indikation befürwortet hatte. Während im Rat eine Minderheit aus Kreisen der SVP und der FDP am Status quo, d.h. an der geltenden medizinischen Indikation, festhalten wollte und daher für Nichteintreten votierte und eine zweite, christlichdemokratische Minderheit weiterhin das Konzept der sozialmedizinischen Indikation vertrat, setzte sich der Antrag der Kommission in der Schlussabstimmung mit 94 zu 75 Stimmen durch [42]. Unbestritten war ferner die Vorlage des Bundesrates zur Schaffung von Stellen für eine umfassende Schwangerschaftsberatung. Dieses zweite Gesetz fand auch im Ständerat Zustimmung, hingegen vereitelte die kleine Kammer die Möglichkeit einer Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruches im Sinne der föderalistischen Regelung, indem sie mit 26 zu 14 Stimmen für Nichteintreten entschied [43]. Der Bundesrat und die übrigen Gegner einer föderalistischen Lösung führten vor allem das Argument ins Feld, dass mit der Zuerkennung der Kompetenz zur Legalisierung der Fristenlösung an die Kantone die Einheit des Strafrechts in einer Weise untergraben werde, die unliebsame Nachfolgeerscheinungen zeitigen könnte. Die Befürworter sahen dagegen keinen anderen Weg, die gegensätzlichen Interessen bei einer Neuregelung zu berücksichtigen.
 
[36] Ungleichbehandlung im Bundesrecht: BaZ-Magazin, 11, 14.3.81; G. Nanchen, Hommes et femmes, le partage, (Lausanne) 1981; G. Haller, Frauen und Männer — Partnerschaft oder Gleichmacherei? Versorgungsunabhängigkeit für alle, Bem 1981. Gesamtverteidigung: vgl. SPJ, 1980, S. 52 und oben, Teil I, 3 (La femme dans la défense générale). Offiziersschiessen : TW, 35, 12.2.81; 293, 15.12.81; BaZ, 141, 20.6.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 558 f. Einen weiteren Beitrag zur Förderung der sachlichen Diskussion und Meinungsbildung wollte eine Publikation der Eidg. Kommission für Frauenfragen leisten, indem sie eine stichwortartige Sammlung von Fakten zur Emanzipation von Mann und Frau veröffentlichte: L. Nabholz-Haidegger / Ch. Reichenau (Hrsg.), Ausgelaugt bis Zärtlichkeit, Bern 1981. Frauenpartei: vgl. unten, Teil Illa (Einleitung).
[37] Vgl. SPJ, 1980, S. 140 f. Stimmrechtsjubiläum: Presse vom 6., 7. u. 9.2.81. Nein-Komitee: NZZ, 94, 24.2.81.
[38] BBl, 1981, II, S. 1266 f. Nein-Parolen hatten nur die Republikaner, die NA, das Redressement national sowie einige Kantonalparteien der FDP und SVP ausgegeben. Abstimmungskommentare: Presse vom 15.6.81. Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 14.6.81.
[39] Lohngleichheit: S. Hegner, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Zürich 1981; NZZ, 174, 30.7.81; Woche, 11, 20.11.81 ; SGB, 1, 14.1.82 ; SMUV-Zeitung, 14, 7.4.82. Stabsstelle: BaZ, 110, 13.5.81. Die Neuerung geht auf ein Postulat Hubacher (sp, BS) von 1979 zurück, das den Aufbau einer Verwaltungsabteilung für Frauenpolitik anregte, die für Probleme in der ganzen Schweiz zuständig sein sollte (Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1433; vgl. SPJ, 1979, S. 138).
[40] Umfragen: NZZ, 127, 4.6.81; TW, 155, 7.7.81; Vr, 144, 28.7.81; TA, 280, 2.12.81. Wiedereinstiegskurse: NZZ, 31, 7.2.81; Ww, 24, 10.6.81; Lib., 241, 21.7.81. Kritik: TA, 219, 22.9.81.
[41] Vgl. SPJ, 1980, 5.141 f. Zu den Abstimmungen vgl. SPJ, 1977, S. 129 f. und 1978, S.126.
[42] NZZ, 36, 13.2.81; BaZ, 57, 9.3.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 128 ff.; Presse v. 10. u.11.3.81.
[43] Schwangerschaftsberatung: BBl, 1981, III, S. 242; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 167 f.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 359 ff.; Presse v. 24.9.81.