Année politique Suisse 1981 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung
Hochschulen
Die Situation an den Hochschulen war auch im vergangenen Jahr gekennzeichnet durch die immer noch
steigende Zahl der Studierenden einerseits und durch das Fehlen der benötigten Mehraufwendungen andererseits. Die realen Bruttobetriebsausgaben aller Hochschulen pro Student sind seit 1973 rückläufig. Der Anteil des Bundes an den Hochschulausgaben ist zudem seit 1976 leicht zurückgegangen, da er mit der Zunahme in den Kantonen nicht Schritt hielt. Diese Umverteilung der Lasten wird durch die interkantonale Vereinbarung über Hochschulbeträge nur teilweise aufgefangen. Studentische Kreise warnten vor der Tendenz, gesamtschweizerisch schwierige Probleme beliebig zu «kantonalisieren», da sonst leicht die Bewohner der finanzschwächeren Kantone benachteiligt würden. Immerhin konnte mit dem Beitritt aller Kantone zum Konkordat die Gefahr, dass ausserkantonale Studierende höhere Zulassungsgebühren zu entrichten hätten, wie das der Kanton Zürich durch Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen bereits angedroht hatte, abgewendet werden. Auf seiner neuen Rechtsbasis erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich jedoch im September eine Ausländergebührenverordnung, nach der nach einer Übergangszeit alle ausländischen Studierenden zusätzliche Gebühren in der Höhe von 1000 Fr. pro Jahr zahlen müssen. Diese Verordnung hat innerhalb und ausserhalb der Universität Kritik ausgelöst, da insbesondere durch die Nichtgewährung gegenrechtlicher Ausnahmen, beispielsweise der Bundesrepublik Deutschland gegenüber, der akademische Austausch gefährdet werden könnte
[22].
Der Zwang für Hochschulbehörden und -verwaltungen, mit stagnierenden Mitteln die Ausbildung einer wachsenden Zahl von Studenten zu garantieren, sowie die — wenn auch geringe — Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen förderten die Bereitschaft, bei der Reform von Ausbildungsgängen verstärkt Anforderungen der Berufspraxis zu berücksichtigen. Der Schweizerische Wissenschaftsrat wies auf Spannungen zwischen individuellen Ausbildungswünschen und dem Arbeitsmarkt hin und zeigte in einer Broschüre Handlungsmöglichkeiten der Hochschulpolitik auf. Durch Förderung der Flexibilität und durch ergänzende berufsorientierte Kurse, insbesondere für Geistes- und Sozialwissenschafter (z.B. in EDV, Planungsverfahren und Verwaltungswissenschaften), durch einen Ausbau des Beratungswesens und die schrittweise Verwirklichung eines rekurrenten Hochschulsystems (mit Weiterbildungsmöglichkeiten) müsste versucht werden, Bildungs- und Beschäftigungsordnung besser in Einklang zu bringen
[23]. Eine bessere Abstimmung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse wird auch durch neue Akzente in Lehre und Forschung angestrebt. Der Schweizerische Schulrat schuf mit Wirkung auf Anfang Oktober eine Abteilung für Informatik an der ETH Zürich; einem Auftrag des Bundesrates entsprechend wird eine solche Abteilung auch an der ETH Lausanne eröffnet. In Lausanne wurde ferner ein Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung gegründet
[24]. An der ETH Zürich wurde die Abteilung für industrielle Forschung (AFIF) ausgebaut, die die Zusammenarbeit mit der Industrie in Forschung und Entwicklung fördert
[25].
Die neue
Medizinalprüfungsverordnung konnte nach rund zehnjährigen Revisionsarbeiten von den eidgenössischen Räten verabschiedet werden. Der erstbehandelnde Ständerat brachte am bundesrätlicben Entwurf einige Korrekturen an. Um eine bedürfnisgerechte medizinische Grundversorgung zu bieten und um der Kostenexplosion im Gesundheitswesen entgegenzusteuern, will man die Allgemeinmedizin in der Ausbildung der Ärzte vermehrt berücksichtigen
[26].
Nachdem die provisorische gesetzliche Grundlage der
Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Form einer Übergangsregelung 1980 nochmals verlängert worden war, wurde im Berichtsjahr wenigstens die Revision der Ausführungsverordnung in Angriff genommen. Für die Revision dieses Reglementes aus dem Jahre 1924 haben die Reformkommissionen der beiden ETH von Zürich und Lausanne ihre Thesen dem Schulrat, der direkt dem Bundesrat unterstehenden Oberbehörde dieser beiden Hochschulen, eingereicht. Hauptpunkt der vorgelegten Thesen ist das Mitspracherecht von Assistenten und Studierenden
[27].
Die im Zentrum der
kantonalen Hochschulpolitik stehenden Bemühungen,
neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, machten in Zürich und Bern Fortschritte. Angesichts des Verlangens der Behörden nach einer Straffung der Organisation und vermehrter Effizienz des Betriebes einerseits und der alten studentischen Forderung nach einem ausgebauten gesetzlichen Mitspracherecht anderseits hatte die 1978 in Zürich eingereichte CVP-Initiative «für eine zeitgenössische und volksnahe Organisation der Uni» vor dem Kantonsrat keine Chance. Eine vom Erziehungsdirektor als Gegenvorschlag dazu gedachte Revision des Unterrichtsgesetzes fand ebensowenig Zustimmung. Mittels einer Behördeninitiative des Erziehungsrates, der eine vorläufige Unterstützung im Parlament nicht versagt wurde, vermochte Erziehungsdirektor Gilgen seine Vorstellungen schliesslich doch noch einzubringen. Allerdings beschloss das Parlament, den Revisionsentwurf nicht gleichzeitig mit der CVP-Initiative zur Abstimmung gelangen zu lassen. Nachdem diese in der Volksabstimmung deutlich verworfen worden war, unterstützte der Rat die Behördeninitiative definitiv
[28].
In Bern kam der Behördenentwurf zu einer Teilrevision des Universitätsgesetzes, in dem eine Stärkung des Rektorats, eine Straffung der Organisation und ein beschränktes
Mitwirkungsrecht der
Studierenden vorgesehen sind, vor den Grossen Rat. In der umstrittensten Frage der obligatorischen Zugehörigkeit aller Studierenden zu einer offiziellen Studentenschaft stimmte der Rat einem Artikel zu, der den Begriff der verfassten Studentenschaft nicht enthält, aber Organe einer solchen bezeichnet und diesen bestimmte Dienstleistungsfunktionen zuweist. Die Studierenden hatten ihrerseits Ende Januar eine «Initiative für eine demokratische Hochschulbildung» lanciert, die u.a. eine paritätische Mitbestimmung und eine Stärkung der Institute auf Kosten der Fakultäten vorsieht sowie den Zugang zur Universität wesentlich erleichtern will. Der radikalere Teil der Studentenschaft zeigte sich gewillt, gegen das vom Parlament beratene Gesetz das Referendum zu ergreifen
[29].
Nachdem sich die oppositionellen privatrechtlichen Studentenschaften in Zürich und Basel auf einem gewissen Stand haben konsolidieren können, scheint die Neigung zu einer öffentlichrechtlichen Regelung, die in politischen Dingen den Studentenschaften einige Beschränkungen auferlegt, aber dafür einen allseitig anerkannten Gesprächspartner schafft, bei den Behörden wieder gewachsen zu sein. In diesem Sinne sprach sich der Zürcher Hochschulrektor Hilty an einer Feier der Zofingia aus
[30].
Der Verband der Schweizerischen Studentenschaften (VSS), der sein sechzigjähriges Bestehen feiern konnte, ist seit einigen Jahren hauptsächlich nur noch darum bemüht, den Stand der Organisation und der bildungspolitischen Aktivitäten zu wahren. Ein Höhepunkt der Krise wurde im Juli erreicht, als der Delegiertenrat mangels Kandidaten keinen Vorstand wählen konnte. Im Herbst wurde an einem «Standortseminar» festgestellt, dass die traditionelle Arbeitsweise und die bestehenden Stukturen bei den Studenten nicht mehr genügendes Interesse finden
[31].
Dem Ruf nach
Harmonisierung im Stipendienwesen ist nach Ansicht des Bundesrates durch Fortschritte in der Selbstkoordination der Kantone Rechnung zu tragen. In der Vorlage über erste Massnahmen zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen ist vorgesehen, dass die Finanzierung der Stipendien bis 1985 wieder ausschliesslich Sache der Kantone wird. Der Gesetzesentwurf beinhaltet lediglich allgemeine Grundsätze über die Berechtigung zum Bezug von Ausbildungsbeiträgen und die Festlegung des stipendienrechtlichen Wohnsitzes; der Bund soll aber keinerlei Einfluss auf die Höhe der Leistung haben. Die Vorschläge sind beim Grossteil der Kantone auf Zustimmung gestossen. Andere Kreise, darunter auch der VSS, befürchteten jedoch, dass durch die Neuregelung die regionalen Unterschiede noch grösser werden. In einem Brief an den Bundesrat forderte der VSS, dass die Eidgenossenschaft die Leitung im Stipendienwesen übernimmt und durch ein Gesetz ein für alle Kantone einheitliches Stipendienberechnungssystem schafft. Ferner forderte er das Parlament mit einer Petition auf, die Bundessubventionen an die Ausbildungsbeiträge beizubehalten und das vom Bundesrat vorgeschlagene Rahmengesetz zu einem wirksamen Harmonisierungsgesetz auszubauen
[32].
Gesamtschweizerisch blieb die Zahl der Hochschulstipendiaten in der Zeit von 1974 bis 1979 praktisch konstant, so dass ihr Anteil an der Gesamtstudentenschaft von 30 auf 25% gesunken ist. Das durchschnittliche Stipendium pro Bezüger hat im selben Zeitraum real um 2% abgenommen; dividiert man die gesamten Stipendienleistungen durch die Zahl der Hochschulstudenten, so ergibt sich eine reale Abnahme um 18%
[33]. Der Kanton Tessin kürzte die Stipendien um 25% und strich die Doktoratsvorbereitungsstipendien. In Basel-Stadt hatte eine Initiative der POCH für eine automatische Indexierung der Studienbeiträge keine Chance
[34].
[22] Bundesamt für Statistik, Hochschulen und Bildung im Überblick, Bem 1981, S. 95 und 101. Eine neue Studie des Bundesamtes für Bildung und Wissenschaft prognostiziert eine Zunahme der Studienanfänger bis 1986 und eine Zunahme der Zahl aller Studierenden bis 1990 (NZZ, 45, 24.2.82). Interkantonale Vereinbarung: Vat., 90, 18.4.81; TA, 136, 16.6.81; NZZ, 143, 24.6.81. Ausländergebühren: TA, 231, 7.10.81.
[23] Schweiz. Wissenschaftsrat, Hochschulbildung, Arbeitsmarkt, Beschäftigung. Probleme, Analysen, Perspektiven, Bern 1981.
[24] NZZ, 86, 13.4.81; 94, 24.4.81; 105, 8.5.81.
[25] NZZ, 97, 28.4.81. Dadurch konnte die Gesellschaft zur Förderung der industrieorientierten Forschung, deren Präsident zugleich Vorsitzender des Schweizerischen Schulrates ist, ihre Arbeit intensivieren.
[26] Zürcher Student/in, 25, 23.1.81; TLM, 118, 24.4.81; Wissenschaftspolitik, 10/1981, S. 23 ff. ; BBl, 1981, I, S. 119 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 421 ff. und 540; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1609 ff.; vgl. auch SPJ, 1980, S. 149 f. Kritik durch Verband der Schweizerischen Studentenschaften und Verband der Schweizer Medizinstudenten: Mitteilungen, 20/1981, Nr. 77, S. 57 f.
[27] Bund, 27, 3.2.81; Zürcher Student/in, 6, 21.5.81; 8/9, 5.6.81; 10, 9.6.81; TA, 126, 3.6.81; NZZ, 169, 24.7.81.
[28] Vgl SPJ, 1980, S. 149; TA, 9, 13.1.81; 48, 27.2.81; 51, 3.3.81; 61, 14.3.81; 87, 14.4.81; Presse vom 28.9.81; TA, 285, 8.12.81.
[29] Bund, 13, 17.1.81; 92, 22.4.81; 194, 21.8.81; 207, 5.9.81; 242, 16.10.81; 283, 3.12.81; 39, 17.2.82; Berner Student, 1, 22.1.81; 5, 15.5.81; 12, 17.12.81; Konzept, 10/1981, Nr.7;
[30] Zürcher Student/in, 19, 27.11.81; TA, 278, 30.11.81; Konzept, 10/1981, Nr. 7.
[31] Verband der Schweizerischen Studentenschaften, Studentenpolitik — Politik mit Studenten ? 60 Jahre VSS, Bern 1981; NZZ, 146, 27.6.81; Konzept, Nr. 102, Januar 1982.
[32] BBI, 1981, III, S. 783 ff., 858 ff.; TA, 208, 9.9.81; Vat., 262, 11.11.81; Konzept, Nr. 101, Dezember 1981; SGB, 41, 24.12.81. Vgl. SPJ, 1980, S. 151 sowie oben, Teil I, 1d (Confédération et cantons).
[33] Bundesamt für Statistik, Hochschulen und Bildung im Überblick, Bern 1981, 5.107 ff.
[34] Tessin: CdT, 66, 21.3.81; 91, 21.4.81. Basel-Stadt: BaZ, 7, 9.1.81; 136, 15.6.81.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.