Année politique Suisse 1982 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Parteiensystem
Die Parteienlandschaft der Schweiz war gekennzeichnet durch die Wahlerfolge der zusammengerückten bürgerlichen Parteien einerseits, durch die teilweise verlustreichen Abwehrkämpfe der Sozialdemokraten anderseits. Die starke Profilierung des Freisinns bedrängte aber auch die kleineren Gruppierungen und führte bei Parteien, die für sich eine Art mittlere Position in Anspruch nehmen, vermehrt zu Abgrenzungsbestrebungen [1]. Die SP ihrerseits ist in der Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie der Kultur- und Bildungspolitik in die Rolle des Verteidigers des Bestehenden geraten und auch in der Frage der Staatstätigkeit und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen setzte sie sich für das Bisherige ein [2]. Diese Politik wurde aber nicht nur von den bürgerlichen Parteien in Frage gestellt, sondern stand auch zu den Selbstverwaltungsideen der Parteilinkem in Opposition [3]. Stärkere Flügelkämpfe und mangelnde Geschlossenheit waren allerdings Erscheinungen, die auch den bürgerlichen Parteien zu schaffen machten, am augenfälligsten bei der Abstimmung über die Preisüberwachung. Die alten ideologischen Gegensätze zwischen Radikalen und Konservativen, zwischen Bürgertum und Sozialismus werden zudem heute gerade auch innerhalb der einzelnen Parteien überlagert durch Spannungen zwischen sogenannt materiell-technokratischen und ökologisch-postmaterialistischen Tendenzen [4].
Die parlamentarische Einzelinitiative Hubacher (sp, BS) für eine staatliche Parteienfinanzierung gelangte vor die zuständige Kommission. Diese sprach sich gegen das Begehren aus, prüfte aber, ob der Bundesrat mit einer Motion beauftragt werden soll, die bereits bestehenden Möglichkeiten zur Unterstützung der Parteien besser zu nutzen. Verschiedentlich wurde darauf hingewiesen, dass eine staatliche Regelung und Förderung die Parteien noch mehr zu bürgerfernen Gebilden machen könnten, womit dem politischen Desinteresse nur noch Vorschub geleistet würde [5].
Einiges Aufsehen erregte der politische Stil der sozialdemokratischen Parlamentarier, die aus Protest die Nationalratskommission zur Vorbereitung der Bankkundensteuer verliessen. Kritisiert wurde auch der sozialdemokratische Finanzminister, da dieser mit seinem Engagement in der Hypothekarzinsfrage Werbung für die Bankeninitiative der SP betrieben habe und an die Grenzen der Konkordanz gestossen sei [6].
In traditioneller Weise fanden hingegen die Von-Wattenwyl-Gespräche zwischen Bundesrat und Regierungsparteien statt. Wenn auch vor der Sommersession noch einige Differenzen zu den anstehenden Verkehrssteuer- und Energiefragen bestanden, so konnte doch eine weitgehende Übereinkunft über die Prioritätenliste zur parlamentarischen Behandlung erzielt werden [7]. Vor der Herbstsession lag das Hauptinteresse auf der Wirtschaftslage. Namentlich bürgerlicherseits warnte man vor einer Dramatisierung der Situation, während die SP den Akzent vermehrt auch auf Massnahmen wie Arbeitsbeschaffungs- und Investitionsprogramme legte. Nach den ausgiebigen Diskussionen im Nationalrat markierten die Bundesratsparteien Einigkeit und legten ein Papier «Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen» vor. Darin sind der Ausbau der Exportrisikogarantie, die Förderrung der Risikokapitalbildung, das Vorziehen bundeseigener Investitionen und eine Verbesserung des regionalpolitischen Instrumentariums vorgesehen [8].
 
[1] Die CVP fragte sich nach den Wahlen in Zürich und der Waadt, ob sie Steigbügelhalterpolitik für die FDP betrieben habe (Vat., 59, 12.3.82). Zu den Wahlen vgl. oben, Teil I, 1e.
[2] NZZ, 60, 13.3.82. Zur Auseinandersetzung der SP mit dem freisinnigen « Mehr Freiheit – Weniger Staat »-Slogan siehe die 1. Mai-Rede von BR W. Ritschard in Documenta, 1982, Nr. 2, S. 17 ff.
[3] Vgl. A.-C. Ménetrey, Ex-Grossrätin des waadtländischen POP über die Krise der Linksparteien, in Suisse, 178, 27.6.82.
[4] TA, 157, 10.7.82. Zur Preisüberwachung vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[5] BaZ, 11, 14.1.82; SZ, 10, 14.1.82; NZZ, 85, 14.4.82; 162, 16.7.82; Bund, 219, 20.9.82. Vgl. SPJ, 1979, S. 195.
[6] AT, 196, 24.8.82; Vat., 196, 25.8.82. Vgl. auch oben, Teil I, 4b (Geld- und Kapitalmarkt).
[7] NZZ, 109, 13.5.82; 120, 27.5.82.
[8] Bund, 210, 9.9.82; Vat., 268, 18.11.82; Presse vom 19.11.82. Vgl. auch oben, Teilt 4a (Konjunkturpolitik).