Année politique Suisse 1982 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Freisinnig-demokratische Partei
Im Hinblick auf ihre Wahlparole «Mehr Freiheit und Selbstverantwortung — weniger Staat» von 1979 legte nun die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) einen Bericht vor, der den Slogan konkretisieren sollte. Vorgeschlagen wurden unter anderem eine Umwandlung der Wehrsteuer in eine Finanzausgleichsteuer, Privatisierungen — von der kommunalen Müllabfuhr bis zu den Kantonalbanken und der Krankenversicherung — sowie eine Stärkung des Föderalismus, der Sozialpartnerschaft und des Parlaments [26]. Am Tag der Arbeit trafen sich die Delegierten zur Diskussion und Verabschiedung der Grundsätze des modernen Liberalismus, dem weltanschaulichen Grundsatzteil aus den Rigi-Thesen von 1981. Die Behandlung konkret sachpolitischer Fragen wurde allerdings auf das Folgejahr verschoben. In der parteiinternen Vernehmlassung — zum erstenmal wurde die Parteibasis in dieser Art miteinbezogen — waren die liberalen Grundsätze etwas geglättet worden; insbesondere die Mitbestimmung wurde abgeschwächt und musste einer Mitwirkung weichen. Die Jungliberalen, deren Einfluss auf den Entwurf unverkennbar war, versuchten oft erfolglos der ursprünglichen Fassung zum Durchbruch zu verhelfen. Ihre explizite Stellungnahme gegen Berufsverbote wurde von der Mutterpartei nicht geteilt. Die überarbeiteten Grundsätze wurden schliesslich ohne Gegenstimme verabschiedet [27].
An der Präsidentinnenkonferenz der Freisinnigen Frauengruppen kamen die Spannungen, welche in einzelnen Kantonen zwischen der Partei und bestimmten Volksvertreterinnen aufgetreten waren zur Sprache. Mit.einem Aufruf zum gegenseitigen Verständnis wurde das Problem der Geschäftsleitung unterbreitet. Im Kanton Bern war der Konflikt mit einer auch umweltschützerisch engagierten Grossrätin offen ausgebrochen, als diese einen Polizeieinsatz vor dem Jugendzentrum als unverhältnismässig und brutal kritisierte. Im Thurgau geriet eine Kantonsrätin nicht zuletzt ins Schussfeld des "Subversivenjägers" Cincera, weil sie sich an Protestaktivitäten gegen die Frauenfelder Wehrschau beteiligt hatte. Der Politikerin wurde von der Partei zwar das Vertrauen entzogen, das Ausschlussverfahren jedoch sistiert [28].
An einer Delegiertenversammlung zur Friedensaussenpolitik bekräftigte EMD-Chef G.-A. Chevallaz, dass die schweizerische Landesverteidigung einen Beitrag zur Friedenssicherung darstelle und daher ausgebaut werden müsse. Die Tagung hatte aber auch eine Stärkung jener Kräfte zur Folge, die ein aktiveres Vorgehen in den Friedensbemühungen forderten. Unter der Federführung des Ende 1982 in den Bundesrat gewählten R. Friedrich (ZH) wurden anschliessend 40 Thesen für eine schweizerische Friedenspolitik formuliert [29]. Nach wie vor ausgiebige Diskussionen hatte anderseits auch die Finanzpolitik zur Folge. Der Volksinitiative zur — auch rückwirkenden — Ausgleichung der Kalten Progression standen die Freisinnigen allerdings vorerst ablehnend gegenüber. Nachdem aber die FDP-Motion in der gleichen Sache nur als Postulat überwiesen worden war, beschlossen die Delegierten, wie zuvor schon die Jungliberalen, die Initiative zu unterstützen [30].
 
[26] Presse vom 27.3.82; Freisinn, Nr. 3, März 1982, Vr, 66, 5.4.82; NZZ, 94, 24.4.82. Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Wirtschaftssystem).
[27] Baselbieter Post, 28/1982, Nr. 4; Lib., 176, 1.5.82; TLM, 121, 1.5.82; 122, 2.5.82; 24 Heures, 100, 2.5.82; Presse vom 3.5.82; SGT, 122, 28.5.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 204.
[28] Präsidentinnenkonferenz: NZZ, 266, 15.11.82. Bern: BZ, 261, 8.11.82; TA, 260, 8.11.82; Bund, 262, 9.11.82 ; NZZ, 262, 10.11.82 ; vgl. oben, Teil I, 7d (Jeunesse). Thurgau : Woche, 33,19.8.82 ; TA, 223, 25.9.82 ; SGT, 228, 30.9.82; Vat., 241, 16.10.82; NZZ, 253, 30.10.82.
[29] Suisse, 38, 7.2.82; TLM, 38, 7.2.82; Presse vom 8.2. u. 29.5.82; Freisinn,. Nr. 2 u. 6, Febr. u. Juni 1982; NZZ, 203, 2.9.82; Politische Rundschau, 61/1982, S.17 ff. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Principes).
[30] Freisinn, Nr. 2 u. 12, Febr. u. Dez. 1982; NZZ, 131, 10.6.82; 265, 13.11.82; vgl. auch oben, Teil I, 5 (Ausgleich der Kalten Progression). In den Leitgedanken für die Finanzpolitik 1982/83 wurde der Schwerpunkt auf die Disziplinierung der Ausgaben gelegt; vgl. Presse vom 8.5.82; Politische Rundschau, 61/1982, S. 1 ff.