Année politique Suisse 1982 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
 
Unternehmer
Die Begrenzung der staatlichen Aktivität bildete weiterhin das zentrale Postulat der führenden Exponenten der Unternehmerorganisationen von Industrie und Handel. Im Hinblick auf die schwindenden Auftragsbestände wurde allerdings der Schaffung optimaler wirtschaftlicher Rahmenbedingungen durch die Behörden besondere Beachtung geschenkt. Dazu gehören nach Auffassung des Vororts jedoch nicht künstliche Stützungsmassnahmen einer mit Staatshilfen gelenkten und marktfernen Strukturpolitik. Um den Unternehmen jenen Bewegungsraum zu erhalten, der für die bestmögliche Nutzung der Produktivkräfte erforderlich ist, müssten innenpolitisch die Inflationsbekämpfung und der Ausgleich der Staatsrechnung im Vordergrund stehen. Darüber hinaus bleibe es Aufgabe der Regierung, energisch jene internationalen Gremien zu unterstützen, welche protektionistische Handelshemmnisse verhindern wollten. Als aktiver Beitrag zur Erhaltung der eigenen Konkurrenzfähigkeit wäre schliesslich ebenfalls die Möglichkeit einer verbesserten Exportfinanzierung ernsthaft zu prüfen [6].
Mit Nachdruck wandte sich auch Vorortspräsident L. von Planta gegen zusätzliche Belastungen der Wirtschaft durch den Staat. Als einschränkend für den Freiheitsspielraum der Industrie nannte er nicht in erster Linie die Steuerbelastung, sondern Vorkehren im Zusammenhang mit der Kartellpolitik und der Energieerzeugung, dem Umweltschutz sowie einer falsch konzipierten Entwicklungspolitik. Staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme zur Bewältigung der Schwierigkeiten gelte es von vornherein auszuschliessen. Umso dringlicher sei die Suche nach neuen Wegen im Bereich der Forschungspolitik, wo nur eine zukunftsgerichtete Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Universitäten einen gezielteren Einsatz der Mittel zu gewährleisten vermöge [7]. Betont kritische Worte richtete der Präsident des Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, F. Halm, an Bund und Gewerkschaften, indem er nicht nur die Lohnpolitik der öffentlichen Hand, sondern ausdrücklich auch das «Tabu des Teuerungsausgleichs» in Frage stellte [8]. Dass anderseits eine leistungsfähige Wirtschaft ebenfalls der Öffentlichkeitsarbeit gegenüber aufgeschlossener und politisch aktiver Unternehmensleiter bedarf; wurde nicht nur von bundesrätlicher Warte aus, sondern erneut auch aus dem Kreis der Wirtschaftsführer selber deutlich geltend gemacht [9].
Um die Durchhaltekraft der Uhrenindustrie gegenüber der schärfer gewordenen Auslandskonkurrenz zu stärken, schlossen sich die beiden grossen Branchenvereinigungen — Schweizerische Uhrenkammer (La Chaux-de-Fonds) und Vereinigung schweizerischer Uhrenfabrikanten (Fédération Horlogère, Biel) — zu einer Einheitsorganisation, dem Verband der schweizerischen Uhrenindustrie mit Sitz in Biel, zusammen. Die beiden grössten Arbeitgeberverbände der grafischen Branche befürworteten grundsätzlich ebenfalls einen Schulterschluss. Dieser wurde seinerseits hauptsächlich auf die Vereinheitlichung der Produktionsverfahren zurückgeführt [10].
Als Voraussetzung dafür, dass das Bankwesen ein Maximum an Leistung zur Verbesserung der übrigen Wirtschaft erbringen könne, unterstrichen auch die Vertreter dieses Sektors die Notwendigkeit eines nicht ständig weiter eingeschränkten Handlungsspielraums durch die staatliche Politik. Abgelehnt wird nach wie vor eine Lockerung des Bankgeheimnisses, wie sie vor allem die Volksinitiative der SPS anstrebt. Nicht zuletzt auf das immer dichtere Netz an zusätzlichen Belastungen der Bankinstitute sei es zurückzuführen, dass im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz sogar von einer «relativen Redimensionierung» des Finanzplatzes Schweiz gesprochen werden müsse. Verbandspräsident A. E. Sarasin warnte zudem vor überspannten Erwartungen an die Banken. Mit der Devise «Mehr Kredit für die Unternehmen und mehr Steuern für den Staat» liessen sich weder die Probleme der Privatwirtschaft noch jene der öffentlichen Hand beheben. Die der krisengeschüttelten Uhrenindustrie gewährte massive Kredithilfe stelle das Resultat starker politischer Pressionen dar. Was die Banken als Kapitalvermittler tun könnten und was nicht, werde deshalb künftighin besser darzulegen sein [11].
Rasches Handeln seitens der Behörden forderte der Präsident des Dachverbandes anlässlich des Bankiertages bei der Ergänzung des Strafgesetzbuches durch eine Bestimmung gegen gewisse Börsentransaktionen (Insidergeschäfte) [12]. Ein Begehren, das der anwesende Justizminister, Bundesrat Furgler, ausdrücklich auch an die Adresse all jener gewürdigt haben wollte, die dem Bund gelegentlich vorwerfen, er suche sein Heil bloss in der Schaffung neuer Normen [13].
Das wichtigste Geschäft der nur alle drei Jahre stattfindenden grössten Veranstaltung der Spitzenorganisation des Gewerbes bildete die Wahl eines neuen Verbandspräsidenten [14]. Einziger und unbestrittener Kandidat für dieses Amt war der Zuger Ständerat M. Kündig. Der ebenfalls für die Ablösung von Bundesrat Hürlimann ins Gespräch gekommene Christlichdemokrat trat damit die Nachfolge des SVP-Politikers R. Etter an, der einige Monate zuvor aus dem Leben geschieden war [15]. Nicht zuletzt in Anbetracht der für ihn eigenartigen Situation, dass das Gewerbe einerseits den Schutz des Staates zugunsten kleinerer Unternehmen sucht, anderseits aber für sich die absolute Freiheit möchte, nahm der neue Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes für seine eigene Position unbedingt eine gemässigtere und versöhnlichere Haltung dem Staat gegenüber in Anspruch, als sie hauptsächlich der unlängst als Verbandsdirektor zurückgetretene O. Fischer markiert hatte. Die Notwendigkeit einer gewissen, standespolitisch bedingten Abwehrhaltung der staatlichen Intervention gegenüber wurde immerhin auch vorn neuen Verbandsführer nicht in Abrede gestellt. Aber statt vorab durch Agieren und Reagieren in der Politik Einfluss zu nehmen, sehe er die Schwerpunkte der künftigen Verbandsarbeit vermehrt in der prospektiven Richtung zur Planung der Zukunft [16]. Während der personelle Führungswechsel in der Presse zu Erwartungen über einen kompromissfreundlicheren Kurs des mittelständischen Dachverbandes Anlass gab [17], vertrat der Direktor des SGV, M. Kamber, eine prononciert antietatistische Linie. In einem gewerbepolitischen Grundsatzreferat, das Erinnerungen an seinen kämpferischen Vorgänger O. Fischer aufkommen liess, rief er die Delegierten am Gewerbekongress hauptsächlich zum Widerstand gegen einen weiteren Ausbau der Sozialwerke und der Bürokratie sowie gegen neue Steuern auf. Die Gewerbler forderten für sich keine Subventionen, sondern Freiraum und Entfaltungmöglichkeit [18]. Im Hinblick auf die Parolen zur Abstimmung über die Preisüberwachungsinitiative fand man denn auch am Gegenvorschlag der Bundesversammlung kein Gefallen; das neue Ausländergesetz wurde hingegen bejaht [19].
 
[6] Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 1981-82, insbes. S. 9-14. Vgl. ferner L. von Planta, «Die Aufgabe der Vororts im Spannungsfeld zwischen Staat und Wirtschaft», in Ordo et Libertas, Festschrift zum 60. Geburtstag von Dr. Gerhard Winterberger, Bern 1982, S. 251-255.
[7] L. von Planta, Die Wirtschaft vor einer neuen Herausforderung, Schriftenreihe des Vororts, Nr. 31, Zürich 1982 (Präsidialansprache an der Delegiertenversammlung des Schweiz. Handels- und Industrie-Vereins).
[8] SAZ, 22, 3.6.82 (Ansprache an der Delegiertenversammlung des Zentralverbandes). Siehe ebenfalls SAZ, 3, 21.1.82 (H. Allenspach).
[9] Zu einer Rede BR Hürlimanns über das Thema «Unternehmer und Staat » vgl. Vat., 248, 25.10.82; vgl. auch G. Winterberger, Der Unternehmer in Wirtschaft und Politik, Schriftenreihe des Vororts, Nr. 30, Zürich 1982.
[10] Uhrenindustrie : TA, 271, 20.11.82. Grafische Branche : NZZ, 139, 19.6.82; 285, 7.12.82.
[11] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 70/1981-82, insbes. S. 6-9; Presse vom 23.9.82 (Pressekonferenz). Vgl. überdies A. Schwietert, « Informationspolitik der Banken», in Wirtschaft und Recht, 34/1982, S. 253 ff. Siehe auch oben, Teil I, 4b (Banken).
[12] Presse von 9.10.82. Zu den Insidergeschäften vgl. auch SPJ, 1981, S. 66 f. sowie oben, Teilt, 4b (Banken).
[13] Vgl. Documenta, 1982, Nr. 4, S. 4 f.
[14] SGZ, 38, 23.9.82 (Gewerbekongress der Delegierten des SGV). Zum Gastreferat von BR Honegger über «Die Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe» vgl. Documenta, 1982, Nr. 3, S. 15-19.
[15] Zu den erst später bekannt gewordenen geschäftlichen Unregelmässigkeiten Etters in seinem Mostereibetrieb und zum finanziellen Engagement des SGV der Witwe des früheren Nationalratspräsidenten gegenüber vgl. TA, 266, 15.11.82; 275, 25.11.82; Vat., 267, 17.11.82.
[16] Vgl. die Kündig-Interviews in Ww, 37, 15.9.82; BaZ, 217, 17.9.82; Vat., 216, 17.9.82.
[17] Bund, 217, 17.9.82; LNN, 216, 17.9.82; SZ, 217, 17.9.82; TA, 216, 17.9.82.
[18] Chef-Magazin für Klein- und Mittelbetriebe, 14/1982, Nr. 4, S. 37 ff. (zu einem Grundsatzreferat des Vizedirektors des SGV vgl. a.a.O., Nr. 2, S. 33-37); Presse vom 17.9.82.
[19] NZZ, 252, 29.10.82 (Preisüberwachungsinitiative); 93, 23.4.82 (Ausländergesetz). Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik) und 7d (Politique à l'égard des étrangers).