Année politique Suisse 1982 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung
 
Rüstung
Für das Rüstungsprogramm 1982 hatte der Bundesrat ursprünglich einen Betrag von 681 Millionen Fr. eingesetzt. Dieser erhöhte sich schliesslich auf 961 Millionen, als das Parlament entschied, statt 400 (wie zuerst vorgesehen) gleich 1200 Militärlastwagen zu bestellen, um so die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Firma Saurer zu unterstützen. Diese hatte sich kurz zuvor mit der deutschen Daimler-Benz zusammengeschlossen und auf längere Sicht die Aufgabe der Nutzfahrzeugproduktion in Arbon ins Auge gefasst, so dass zum Beispiel unklar bleibt, wer für die Erfüllung von Garantieleistungen die Verantwortung tragen wird. Rein von den Kosten her wäre ein Konkurrenzmodell der österreichischen Steyr-Werke um 12% vorteilhafter gewesen. Seine Nichtberücksichtigung verstimmte da und dort in unserem östlichen Nachbarland, und es tauchten sogar Bedenken auf, dieses könnte seinerseits Schweizer Angebote für andere Aufträge abweisen. Welsche Zeitungen verglichen zudem die Grosszügigkeit gegenüber Saurer tadelnd mit der knauserigen Subventionierung für den Ausbau des Flughafens Genf-Cointrin. Schliesslich fragten einzelne Blätter, ob es richtig sei, nun plötzlich derart viele Lastwagen anzuschaffen, welche doch bisher in der Dringlichkeitsliste des EMD weit hinten gestanden hätten. Dieses gab zudem nicht konsequent Gesichtspunkten der Arbeitsbeschaffung den Vorzug. Bei kleineren Geschäften kaufte es vielmehr auch im Ausland ein, wenn dieses günstiger offerierte, und sogar Saurer selber überging für Zulieferungen ebenfalls einheimische Kleinbetriebe [7].
Erstaunlich wenig Widerspruch fand in den eidgenössischen Räten der Kredit von 160 Millionen Fr. für amerikanische Luft-Boden-Raketen des Typs Maverick, die den Kampfwert der alten Hunter-Flugzeuge steigern sollen. In den USA bestritten hohe Offiziere die Tauglichkeit dieser Lenkwaffe vor allem bei schlechten Wetter- und Sichtverhältnissen, doch bezog sich ihre Kritik vorwiegend auf das Modell mit Infrarot-Steuerung und weniger auf jenes mit TV-Steuerung, das die Schweiz kaufen will [8].
Noch kein Entscheid fiel 1982 über ein neues Sturmgewehr, dessen Beschaffung hohe Offiziere als nicht dringlich bezeichneten. Im Auftrag der Gruppe für Rüstungsdienste des EMD hatten die SIG Neuhausen und die Waffenfabrik Bern je zwei Versionen eines Modells mit kleinerem Kaliber entwickelt (5,6 mm statt 7,5 mm wie bisher), was das Gewicht und den Lärm reduziert. Müsste aber nicht auch das «Wundergewehr» der deutschen Firma Heckler und Koch in die Evaluation einbezogen werden? Es bringt einen «Generationsschritt» für die Erneuerung der Handfeuerwaffen und verwendet beispielsweise hülsenlose Munition, doch ist seine technische Erprobung noch nicht abgeschlossen [9].
Die Affäre um die Mängel beim Schweizer Panzer 68 zeigte einige späte Nachwirkungen. So bestellte das EMD eine Expertenkommission unter der Leitung von Walter Hess, ehemaligem Direktionspräsidenten der Zellweger AG in Uster, um Rolle und Stellung der eidgenössischen Rüstungsbetriebe zu durchleuchten. Sie schlug vor, die Belegschaft zu reduzieren und das Schwergewicht fortan statt auf Entwicklungsaufgaben auf den Reparaturdienst und etwa noch auf die Erprobung und die Endmontage von Kriegsmaterial zu verlegen. Diese Aussichten lösten beim betroffenen Personal Besorgnisse und heftige Reaktionen aus, umso mehr, als vorübergehend auch die eidgenössischen Räte darauf zu tendieren schienen, zum Beispiel beim Lizenzbau des Tigers den eidgenössischen Flugzeugwerken Emmen Teilaufträge zu entziehen und sie privaten Konkurrenzfirmen zuzuweisen. Schliesslich setzten sich solche Strömungen vorderhand nicht durch, doch besteht anderseits auch noch keine Klarheit über die langfristige Zukunft der Rüstungsbetriebe [10].
Hingegen verabschiedeten die eidgenössischen Räte eine Reorganisation der Zentralverwaltung Gruppe für Rüstungsdienst: die Bundesämter für Rüstungsbeschaffung und für Rüstungstechnik werden aufgehoben und durch drei Rüstungsämter ersetzt. Dazu entstehen zentrale Dienste unter der Leitung des Stellvertreters des Rüstungschefs. Von dieser Neugliederung nach Produktebereichen statt nach Funktionen erhofft man sich eine straffere Führung und eine entsprechend gesteigerte Effizienz [11].
Einen gewissen Popularitätstest wird die militärische Mittel- und Materialbeschaffung zu bestehen haben, wenn die Volksinitiative der SPS für ein fakultatives Referendum bei Rüstungsausgaben zustandekommt. Allerdings lief 1982 erst die Unterschriftensammlung dafür, und zwar eher harziger, als es ihre Urheber erwartet hatten, weshalb gewisse Spannungen unter den Gruppen der politischen Linken zutage traten. Dennoch schlossen sich bürgerliche Politiker bereits zusammen, um schon jetzt den Kampf gegen dieses Begehren aufzunehmen, das eine glaubwürdige Landesverteidigung gefährde [12].
In die Vernehmlassung ging der Vorentwurf für eine Teilrevision des Bundesgesetzes über die Militärorganisation. Sie würde ein zentrales Computersystem PISA ermöglichen, welches personelle Daten für Truppe und Militärverwaltung speichert. Ferner könnten Auslandeinsätze, namentlich im Rahmen der Katastrophenhilfe, Wehrmännern künftig unter bestimmten Voraussetzungen- als Diensttage angerechnet werden, und schliesslich erhielte der bisherige FHD als «Militärischer Frauendienst» ein eigenes Statut und gälte nicht mehr als blosser Hilfsdienst, wodurch er vielleicht an Attraktivität gewänne [13].
 
[7] BBl, 1982, I, S. 1082 ff.; Amtl. Bull. NR, 1981, S.1203 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 213 ff. Zu Cointrin : TLM, 164, 13.6.82. Zu übergangenen Schweizer Firmen: Bund, 244, 29.10.82; Blick, 259, 6.11.82; TLM, 337, 3.12.82; Vat., 289, 14.12.82; BZ, 40, 17.2.83. Vgl. SPJ 1981, S. 50.
[8] Presse vom 24.-27.2:82 und vom 20./21.3.82 ; Woche, 24,17.6.82 ; NZZ, 226, 29.9.82 ; Amtl. Bull., StR 1982, S. 213 ff ; Amtl. Bull. NR 1982, S. 1203 ff.
[9] Suisse, 58, 27.2.82; TLM, 216, 4.8.82; SGT, 206, 4.9.82; NZZ, 254, 1.11.82; TA, 259, 6.11.82; BZ 272, 20.11.82; Ww, 49, 8.12.82.
[10] Presse vom 4.-6.5.82; LNN, 226, 29.9.82 und 261, 10.4.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 50.
[11] BBl, 1982, 11, S. 814 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1222 ff.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 692 ff.; Bund, 193, 20.8.82; Presse vom 27.-30.9.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 50.
[12] NZZ, 76, 1.4.82; 229, 2.10.82; 264, 12.11.82; 297, 21.12.82; BaZ, 302, 27.12.82; TW, 298, 21.12.82; 304, 29.12.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 50 f.
[13] NZZ, 40, 18.12.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 52 f.