Année politique Suisse 1982 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Konjunkturlage
Die Konjunkturlage
verschlechterte sich im Jahresverlauf zusehends. Die weltweite Rezession — in den USA handelte es sich um die schwerste der Nachkriegszeit — wirkte sich mit einiger Verspätung auch in der Schweiz aus, ohne dass es allerdings zu einem derart heftigen Einbruch wie 1975 kam. Das reale Bruttosozialprodukt bildete sich gemäss offiziellen Schätzungen um 1,7% zurück (1981: +0,5%). Der relativ gewichtigste Rückgang war bei den Exporten zu verzeichnen (– 5,0%), aber ebenfalls die Investitionstätigkeit blieb deutlich unter dem Vorjahresniveau (– 2,9%), wobei die Einbusse bei den Ausrüstungsvorhaben grösser ausfiel als bei den Bauten. Der private Konsum von Gütern und Dienstleistungen stagnierte nahezu (– 0,2%). Positive Impulse, die wegen der geringen Bedeutung dieses Sektors allerdings schwach blieben, gingen einzig von den um 2,1 % gesteigerten Käufen des Staates und der Sozialversicherungen aus
[5].
Die Konjunkturflaute machte sich auch bei der
Beschäftigungslage bemerkbar. Wie an anderer Stelle ausführlich dargestellt wird, nahm die Arbeitslosigkeit vom März an jeden Monat zu, und auch die Teilarbeitslosigkeit erreichte gegen Jahresende einen seit 1976 nicht mehr gekannten Höchststand. Im internationalen Vergleich blieb allerdings die Arbeitslosenrate mit maximal 0,8% (Dezember) gering, und dies obwohl es im Gegensatz zu 1975/76 zu keiner Rückwanderungswelle ausländischer Arbeiter kam. Die Gesamtbeschäftigung schrumpfte im Jahresdurchschnitt um 1,4% (1981: + 0,9%); dabei setzte sich die Verlagerung vom industriellen Bereich in den Dienstleistungssektor fort. Während die Beschäftigtenzahl des zweiten Sektors um 4,1 % abnahm, wuchs diejenige des dritten um 0,9%. Am expansivsten waren einmal mehr die Banken (+ 3,7%) und die Versicherungen (+ 3,6%). In Industrie und Gewerbe schlug sich der Beschäftigungsrückgang sehr ungleichmässig nieder. Besonders stark betroffen waren die Uhrenindustrie mit -12,0% (1981: + 2%) und das Baugewerbe mit – 9,2%. Relativ heftig wurde der Einbruch auch in den Branchen Maschinenbau und Textil mit je – 4,0% verspürt. Recht gut hielt sich die Chemie mit einer Abnahme von 1,9%
[6].
Bezüglich der
industriellen Produktion zeigt sich ein ähnliches Bild. Geradezu katastrophal wirkte sich die Krise in der Uhrenindustrie mit einem Rückgang um einen Drittel aus. Der Umstrukturierungsprozess, der eine Umstellung auf hochwertige Erzeugnisse unter Einbezug von elektronischen Komponenten mit sich bringt, ist hier immer noch in vollem Gang und wird wohl auch in den kommenden Jahren von einem Schrumpfungsprozess begleitet sein. In den übrigen Branchen hielt sich der Einbruch in Grenzen. Er betrug in den Bereichen Holz und Metall je 8%, im Maschinen- und Apparatebau 5 %, in der Bekleidungsindustrie 4%, in der Textilbranche 3% und in der Chemie 1%. Die mengenmässige Produktion von Lebens- und Genussmitteln konnte um 1% gesteigert werden, diejenige der grafischen Industrie gar um 4%. Die Bauproduktion erreichte das allerdings hohe Niveau des Vorjahres ebenfalls nicht mehr, der Rückgang um 2% wurde aber noch nicht als alarmierend empfunden. Beigetragen zu diesem doch recht ansprechenden Ergebnis auf dem Bau haben jedoch auch die günstigen Witterungsverhältnisse im vierten Quartal. Im Tourismus gelang es nicht, das Rekordergebnis des Vorjahres zu egalisieren. Es war im wesentlichen die Rezession, die zu einem Rückgang der Gäste aus dem Ausland führte; die Währungsrelationen spielten für einmal keine ausschlaggebende Rolle
[7].
Die
Preisentwicklung geriet zwar wieder etwas besser unter Kontrolle, die Inflationsrate der Konsumentenpreise war aber mit einem Jahresdurchschnitt von 5,7% (1981: 6,5%) nach Ansicht der Behörden immer noch zu gross. Die stärksten Teuerungsimpulse gingen von den Wohnungsmieten aus (+ 9,4% im Jahresmittel), womit sich die aus monetären Gründen betriebene Hochzinspolitik kurzfristig kontraproduktiv auswirkte. Raschere positive Folgen zeigte die Geldmengensteuerung auf der Ebene der Grosshandelspreise. Deren Index nahm im Mittel nur noch um 2,5% zu (1981: + 5,8%), wobei die Preise für Importwaren gar stabil blieben
[8].
Die 1981 heftig unter Beschuss geratene Me
thode zur Ermittlung des Indexes der Konsumentenpreise wurde im Berichtsjahr korrigiert. Ab 1. Januar 1983 werden 'die relativen Preisveränderungen in bezug auf einen Basiswert (Dezember 1982) und nicht mehr zum letzten Erhebungszeitpunkt errechnet. Damit können Verzerrungen bei saisonal stark schwankenden Preisen vermieden werden. Der seit 1978 durch die Verwendung der alten Methode entstandene Fehler beläuft sich auf ungefähr 2%; er wurde von den Unternehmern anlässlich der Lohnverhandlungsrunden als Argument für eine Mässigung ins Feld geführt
[9].
[5] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 279, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 55/1982, Dezember; SNB, Geschäftsbericht, 75/1982, S. 17 ff.; Gesch. ber., 1982, S. 224.
[6] Die Volkswirtschaft, 56/1983, 5.134 W. Mit 220 Betriebseinstellungen, davon allein ein Drittel in der Uhrenindustrie, wurde das Vorjahresergebnis um ca. 20% überboten (Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 7 ff.). Bei den Konkursen wurde gar die höchste Ziffer der Nachkriegszeit registriert; trotzdem übertraf die Anzahl der Geschäftsneugründungen die Konkurse um beinahe das Doppelte (NZZ, 92, 21.4.83, SHZ, 17, 28.4.83). Siehe auch unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[7] Mitteilungen der Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 280, S. 14, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 56/1983, März. Zur Lage in den einzelnen Branchen siehe auch SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1982 Bulletin/SKA, 88/1982, Jahresendausgabe und 89/1983, März; Die Volkswirtschaft, 56/1983, S.156 ff.; «Tourismus in der Schweiz in Hotel- und Kurbetrieben», in Die Volkswirtschaft, 56/1983, S.242 ff. (Die Zahl der registrierten Logiernächte bildete sich um 4,5% zurück, bei den Ausländern betrug die Einbusse 6%).
[8] Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 3 f. und S. 4*. Vgl. auch unten, Teil I, 4b (Geldmenge).
[9] BIGA, «Die Neuberechnung des Landesindexes der Konsumentenpreise auf der Basis Dezember 1982=0», in Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 84 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 391 ff.; Bund, 220, 21.9.82; TA, 223, 25.9.82 und SPJ, 1981, S. 59. Vgl. auch unten, Teil I, 7a (Salaires). Siehe im weitern A. Keel, «Zur Diskussion um den Landesindex der Konsumentenpreise», in Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 118/1982, Nr.1, S. 59 ff. Eine Motion von NR Räz (svp, BE), welche die Unterteilung des Index in einen ersten für lebensnotwendige Güter und einen zweiten für solche des Wahlbedarfs verlangt, ist noch nicht behandelt worden (Verh. B. vers., 1982, V, S. 66).
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