Année politique Suisse 1982 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Steuern
Von den Vorschlägen für Einnahmeerhöhungen konnte 1982 kein einziger verwirklicht werden. Hauptthemen waren die Belastung des Strassenverkehrs und die Besteuerung der Erträge aus Treuhandgeschäften. Nur gerade die geplante Lockerung der Zweckbindung der Treibstoffzölle vermochte das Stadium der parlamentarischen Behandlung zu überschreiten. Die zügige Verabschiedung der übrigen Vorlagen scheiterte an der bürgerlichen Mehrheit im Parlament und in den vorberatenden Kommissionen.
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Strassenverkehrsabgaben
In der Sommersession hiess der Ständerat die Einführung einer Autobahn-Vignette gut. Entgegen der Empfehlung von Bundesrat Schlumpf schloss er sich mit 21 zu 13 Stimmen einer parlamentarischen Initiative des Nationalrates an. Die Beschlüsse der beiden Kammern weisen allerdings einige geringfügige Abweichungen auf, was ein Bereinigungsverfahren nötig macht [10]. Während die Vignette als Einnahmequelle weiterhin in Frage kommt, besteht für die Tunnel-Gebühren kaum Aussicht auf Verwirklichung. Dem Begehren erwächst aus staatspolitischen Gründen — wegen der damit verbundenen Benachteiligung des Tessins — Widerstand [11].
Die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe steht nach einer Meinungsumfrage ganz oben in der Gunst des Schweizer Volkes [12]. Das Tauziehen um die Erhebung dieser Steuer dauert jedoch an. Im Juni gelangten durch eine Indiskretion einige Resultate aus dem Bericht einer Expertenkommission des EDI zum Strassenverkehr vorzeitig an die Öffentlichkeit. Sie legten den Schluss nahe, der Schwerverkehr decke die von ihm verursachten Kosten in einem höheren Masse als bisher angenommen. Da der Eigenwirtschaftlichkeitsgrad in der Diskussion um die Abgabe eine wichtige Rolle spielt, wurde die Indiskretion als Versuch zur Beeinflussung des Ständerates gewertet, welcher die Vorlage bald darauf zu behandeln hatte [13]. Der Versuch blieb jedoch erfolglos: die Ständeherren befürworteten mit grossem Mehr die Einführung der Abgabe. Sie folgten damit einem Antrag der Landesregierung [14].
Bei der Neuordnung der Treibstoffzölle ging es nicht primär um die Erhöhung der Bundeseinnahmen, sondern um deren Erhaltung. Die Lockerung der Zweckbindung der Zölle soll zudem`den Handlungsspielraum des Bundes erweitern. Es lag in der Natur des Geschäftes, dass sich die finanz- und verkehrspolitischen Aspekte des Problems kaum trennen liessen [15]. Die Botschaft des Bundesrates sah eine Erhöhung des für die Staatskasse frei verfügbaren Anteils am Grundzoll von 40% auf 50% vor. Die Zweckbindung der anderen Hälfte sowie des Zollzuschlages erfuhr im Vergleich zu bestehenden Regelung eine Erweiterung, fiel aber deutlich enger aus als in der Vernehmlassungsvorlage. Die Landesregierung nahm diese Einschränkung unter dem Druck der Automobilisten-Verbände vor. Dieser Druck verstärkte sich, als der Touring-Club der Schweiz (TCS) eine eidgenössische Volksinitiative für die Zweckbindung der Treibstoffzölle lancierte. Das Parlament brachte an der bundesrätlichen Vorlage eine finanzpolitisch bedeutsame Anderung an: Die Mehreinnahmen von ungefähr 400 Millionen Franken pro Jahr, welche den Kantonen durch die Neuordnung der Benzinzölle zufallen, müssen nicht durch entsprechende Entlastungen des Bundes in anderen Bereichen kompensiert werden [16]. Die offensichtliche Beeinflussung von Bundesrat und Parlament durch die Initiative des TCS gab in Presse und Öffentlichkeit Anlass zu Kritik [17]. Der TCS reichte seine Initiative nach nur dreimonatiger Unterschriftensammlung ein. Obwohl die Abstimmungsvorlage weitgehend seinen Forderungen entsprach, wollte er vorderhand nicht von der Rückzugsklausel Gebrauch machen; die Initiative soll offenbar auch in Zukunft — vor allem im Hinblick auf die Gesamtverkehrskonzeption — als Druckmittel dienen [18].
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Andere Steuern
Die Ausdehnung der Warenumsatzsteuer auf Energieträger behielt man zwar auch 1982 als mögliche Einnahmequelle im Auge; es geschah jedoch nichts, was deren Verwirklichung hätte näherrücken können. Die zuständige nationalrätliche Kommission verschob die Beratung dieses Geschäfts [19]. Der vom Parlament zuhanden der Volksabstimmung verabschiedete Energieartikel enthält keine Finanzbestimmung. Eine von den Sozialdemokraten beantragte Energiesteuer wurde abgelehnt [20].
Eine ausgeprägte Polarisierung im politischen Spektrum liess sich anlässlich der Kontroverse um eine Besteuerung der Zinsen aus Treuhandguthaben erkennen. 1981 hatte der Nationalrat überraschend Eintreten auf die von der Landesregierung vorgeschlagene Einführung einer Verrechnungssteuer von 5% beschlossen [21]. 1982 prüfte nun die vorberatende Kommission des Nationalrates aufgrund eines Antrags von Feigenwinter (cvp, BL) eine weitere Steuervariante, nämlich die Ausdehnung der Stempelabgabe von 1 Promille auf Treuhandanlagen. Die sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder bezeichneten dies als politische Alibi-Übung der Bürgerlichen; die Kommission prüfe eine Variante, welche zum vorneherein keine Aussicht auf Erfolg habe; seit 1977 werde eine Verschleppungstaktik betrieben [22]. Im November zeigte sich, dass die Kommission nicht in der Lage war, dem Plenum einen klaren Mehrheitsantrag zu unterbreiten [23].
Die Argumente von Befürwortern und Gegnern einer Verrechnungssteuer auf Zinsen aus Treuhandguthaben blieben dieselben wie in den Vorjahren [24]. Die Gegner befürchten eine Abwanderung von Kapitalanlegern ins Ausland und eine Schädigung des Finanzplatzes Schweiz. Die Befürworter erhoffen sich zweierlei : erstens eine Einnahmeerhöhung für den Bund in der Höhe von rund einer halben Milliarde Franken. und zweitens eine Waffe gegen die Steuerhinterziehung [25].
Ein neues Politikum fand sich in der Verwendung des Gewinnes der Schweizerischen Nationalbank, der 1982 hauptsächlich aus Zinserträgen aus Devisenanlagen stammte. Es entspann sich in der Presse eine Kontroverse darüber, ob diese Gewinne zur Deckung der Rechnungsdefizite von Bund und Kantonen heranzuziehen seien. Die Nationalbank verwendete jedoch auch dieses Jahr den Überschuss in erster Linie zur Erhöhung ihrer Reserven für Währungsrisiken [26].
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Ausgleich der Kalten Progression
Gegenläufig zu den Bemühungen um die Erschliessung neuer Einnahmequellen war der 1982 mit viel Nachdruck geführte Kampf um die Verwirklichung des verfassungsmässigen Anspruchs auf den Ausgleich der Kalten Progression. Eine Motion, welche den Bundesrat aufforderte, die Folgen der Kalten Progression periodisch auszugleichen, wurde im Ständerat zurückgewiesen [27]. Der Nationalrat wandelte drei Motionen zum selben Thema in Postulate um; im Falle des Vorstosses der FDP-Fraktion bedurfte es dazu allerdings des Stichentscheides der Präsidentin [28]. Diese ablehnende Haltung richtete sich nicht gegen den Grundsatz des Ausgleichs der Kalten Progression, sondern gegen dessen Verwirklichung zu einem Zeitpunkt, in dem die Lage der öffentlichen Finanzen eine Minderung der Steuereinnahmen als unangebracht erscheinen lässt. Der Verpflichtung des Bundes, die Folgen der Kalten Progression auszugleichen, steht nämlich eine andere, ebenfalls verfassungsmässige Verpflichtung gegenüber: diejenige, einen defizitfreien Staatshaushalt herbeizuführen. Angesichts der Konkurrenz dieser beiden Bestimmungen der Bundesverfassung mussten die eidgenössischen Räte Prioritäten setzen. Für einen dem Redressement National nahestehenden Teil des Bürgertums stand jedoch der Wunsch nach dem Ausgleich der Kalten Progression im Vordergrund. Aus diesen Kreisen formierte sich ein Komitee, welches eine eidgenössische Volksinitiative lancierte. Dem Komitee gehörten auch 30 Parlamentarier aus allen bürgerlichen Fraktionen an. Der Initiativtext sieht vor, dass der Bundesrat die Wehrsteuer ab 1984 um 15% ermässigen und danach die Inflation bei jeder Steuerveranlagung voll in Rechnung stellen muss; er lässt aber die Möglichkeit offen, anstelle der linearen Reduktion um 15% eine Senkung vorzunehmen, welche nach den tatsächlichen Auswirkungen der Kalten Progression auf die Steuerpflichtigen abgestuft wäre. Die Initiative ist insofern ungewöhnlich, als sie eine bereits bestehende Verfassungsbestimmung interpretiert [29]. Sozialdemokraten und Gewerkschafter kritisierten an der Initiative vor allem die Linearität der geplanten Senkung der direkten Bundessteuer. Ein solches Vorgehen komme einem Steuergeschenk an die Bezüger der höchsten Einkommen gleich, da diese — wenn sie bereits der obersten Steuerklasse angehören — die Kalte Progression gar nicht verspürten. Zudem bleibt die Initiative gemäss SPS und Gewerkschaften die Antwort auf die Frage schuldig, wie die Ausfälle an Steuereinnahmen zu kompensieren seien [30].
Kurz nach der Ankündigung des Volksbegehrens beauftragte der Bundesrat das Finanzdepartement, Massnahmen für einen Ausgleich der Kalten Progression auszuarbeiten. Im Herbst lag ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Dieser sieht keine Kompensation der bisherigen Wirkungen der Kalten Progression vor. Der Bundesrat hält die Angelegenheit für durch die neue Finanzordnung von 1981 erledigt, hatte doch diese eine teilweise Erleichterung gebracht. Die Landesregierung will künftig den Ausgleich nur dann vornehmen, wenn die Preissteigerung 10% beträgt, während die Initiative den Ausgleich bei jeder Veranlagung verlangt. Aus dem Initiativ-Komitee verlautete, man vermisse in der Gesetzesvorlage die Automatik des Ausgleichs. Die Christlichdemokratische Volkspartei, die Sozialdemokraten und der Landesring hiessen den bundesrätlichen Vorschlag gut [31].
 
[10] Bund, 144, 24.6.82; CdT, 141, 24.6.82; Suisse, 175, 24.6.82; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 312 ff. und 339ff.
[11] Vgl. unten, Teil I, 6a (Gesamtverkehrskonzeption).
[12] Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 29.11.81; vgl. TA, 34, 11.2.82 und JdG, 35, 12.2.82.
[13] Presse vom 16.6.82.
[14] Amtl. Bull. StR, 1982, S. 322 ff. ; Presse vom 23.6.82. Der Verkehrs-Club der Schweiz reichte eine sich an den Vorschlag des Bundesrates von 1980 anlehnende Volksinitiative «für eine gerechte Besteuerung des Schwerverkehrs» ein: BBl, 1982, III, S. 1007. Vgl. auch unten, Teil I, 6a (Gesamtverkehrskonzeption).
[15] Vgl. SPJ, 1981, S. 77. Zu den Ergebnissen der Vernehmlassung zum Vorschlag des Bundesrates siehe BaZ, 33, 9.2.82; NZZ, 33, 10.2.82; 34, 11.2.82; Presse vom 2.3.82; vgl. SP-Info, 111, 1.2.82 und das Communiqué des SGB vom 1.2.82 sowie SAZ, 9, 4.3.82. Ungefähr 18% der Einnahmen des Bundes sind zweckgebunden; vgl. Botschaft Voranschlag 1983, S. 46* ff.
[16] Botschaft: BBl, 1982, I, 5.1345 ff.; NZZ, 70, 25.3.82; 78, 3.4.82. Verhandlungen im NR: Amtl. Bull. NR, 1982, S. 820 ff. und 859 ff. (Die Ablehnung der Kompensationspflicht der Kantonekam auf Antrag von Barchi, fdp, TI, zustande); 24 Heures, 144, 24.6.82; BaZ, 144, 24.6.82. Verhandlungen im StR: Amtl. Bull. StR, 1982, S. 387 ff. und 491 ff.; TA, 220, 22.9.82. Verfassungsvorlage : BBl, 1982,111, S. 125 ff.; LNN, 227, 30.9.82 ; NZZ, 227, 30.9.82 ; 229, 2.10.82; 235, 9.10.82.
[17] Vgl. 24 Heures, 141, 21.6.82; Presse vom 22.9.82; NZZ, 229, 2.10.82.
[18] BBl, 1982, II, 492 ff. ; Bund, 140, 19.6.82; TA, 253, 30.10.82; 284, 6.12.82; Suisse, 339, 5.12.82. Vgl. unten, Teil I, 6b (Gesamtverkehrskonzeption).
[19] Suisse, 99, 9.4.82; 24 Heures, 83, 10.4.82; TA, 83, 10.4.82.
[20] Amtl. Bull. StR, 1982, S. 89 ff. (Der StR lehnte die Energiesteuer mit 26 zu 11 Stimmen ab); Suisse, 63, 4.3.82; SGT, 52, 4.3.82; vgl. SPJ, 1981, S. 77 und unten, Teil I, 6a (Gesamtenergiekonzeption). Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1079 (BR Schlumpf).
[21] SPJ, 1980, S. 65; 1981, S. 78.
[22] NZZ, 195, 24.8.82; Suisse, 236, 24.8.82; TW, 197, 25.8.82; 200, 28.8.82; 215, 15.9.82; vgl. Presse vom 8.1.82 und TW, 16, 21.1.82 sowie SP-Info, 110, 18.1.82.
[23] NZZ, 268, 17.11.82; TA, 268, 17.11.82; 24 Heures, 268, 17.11.82.
[24] Vgl. SPJ, 1980, S. 65 und 1981, S. 66 und 78.
[25] Eine Motion der sozialdemokratischen Fraktion, die den BR einlud, einen Bericht über die Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu erstellen, wurde vom NR als Postulat überwiesen: Amtl. Bull. NR, 1982, S. 529 f. Es entspann sich in diesem Zusammenhang eine Kontroverse darüber, ob Schätzungen der Steuerhinterziehung möglich seien : siehe SGT, 42, 20.2.82 und Suisse, 55, 24.2.82. Zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung nach dem heute gültigen Gesetz siehe C. Mossu, Mesures contre la fraude fiscale, Zürich 1982.
[26] Ww, 16, 21.4.82 ; 24 Heures, 273, 23.11.82 ; BaZ, 278, 27.11.82; vgl. Vat., 290, 15.12.82 (Interview mit dem Präsidenten der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz). SNB, Geschäftsbericht, 75/1982, S. 55 und 58.
[27] Amtl. Bull. StR, 1982 S. 99 ff. (Motion Affolter, fdp, SO); BaZ, 53, 4.3.82; 24 Heures, 52, 4.3.82; TW, 66, 20.3.82. Vgl. Amtl. Bull. StR, 1982, S. 194 f. (Postulat Kündig, cvp, ZG).
[28] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 919 ff. (Motionen der FDP-Fraktion, der Unabhängig-evangelischen Fraktion sowie von NR Chopard, sp, AG); Presse vom 25.6.82. Vgl. in diesem Zusammenhang Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1423 f. (Motion Carobbio, psa, TI, überwiesen als Postulat).
[29] BBl, 1982, II, S.113 ff.; SGT, 78, 3.4.82; Presse vom 7.5.82 und vom 26.5.82; NZZ, 126, 4.6.82 (Interview mit NR Lüchinger, fdp, ZH).
[30] TW, 202, 31.8.82; 265, 12.11.82; SGB-Pressedienst, 19, 10.6.82; SP-Info, 127, 8.11.82; vgl. TLM, 170; 19.6.82; vgl. auch NZZ, 199, 28.8.82; 232, 6:10.82.
[31] BBl, 1982, III, S. 1085 ff.; 24 Heures, 121, 27.5.82; Presse vom 25.11.82; NZZ, 276, 26.11.82; 302, 28.12.82; SGB-Pressedienst, 37, 2.12.82.