Année politique Suisse 1982 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Eisenbahnen
Wie bereits im Vorjahr sorgten auch 1982 die starke Teuerung und die ungünstige Konjunktur für eine Verschlechterung der Finanzlage der Eisenbahnen.
Infolge des Inkrafttretens des Leistungsauftrags, auf den wir noch zu sprechen kommen, lässt sich die
Rechnung der SBB für 1982 nur bedingt mit denjenigen früherer Perioden vergleichen. Der Fehlbetrag liegt mit 498 Mio Fr. um 196 Mio Fr. über dem Budget und ist, wenn von den Auswirkungen des Leistungsauftrags abstrahiert wird, um runde 230 Mio Fr. höher als 1981. Im Personenverkehr wurde das anvisierte Ziel zwar deutlich verfehlt; da die Zahl der beförderten Personen stabil blieb, resultierte dank der Tariferhöhung vom März immerhin eine Ertragssteigerung um 4,5%. Markanter fiel sowohl mengen- als auch ertragsmässig der Einbruch im Güterverkehr aus (– 7,4 bzw. – 0,3%), wobei sich die negative Entwicklung im zweiten Halbjahr noch verstärkte. Eine Trendwende ist einstweilen nicht in Sicht, was sich auch im Budget für 1983 ausdrückt. Dieses sieht trotz erneuten Tariferhöhungen ein Defizit von 387 Mio Fr. vor und muss — es ist noch vor Bekanntwerden des schlechten Ergebnisses für 1982 erstellt worden — sogar als eher optimistisch beurteilt werden
[18].
An dieser unerfreulichen Entwicklung vermochte, wenigstens kurzfristig, auch der
Leistungsauftrag — wir haben ihn in unserem letzten Jahresbericht eingehend dargestellt — nichts grundsätzliches zu ändern. Als Zweitrat stimmte auch die Kleine Kammer der Vorlage zu und erlaubte damit eine rückwirkende Inkraftsetzung auf den 1. Januar 1982. Eine Differenz, die im Sinne der strengeren Version des Nationalrates entschieden wurde, ergab sich bei der Festsetzung der Frist, innert welcher die SBB den Güterverkehr selbsttragend zu gestalten haben
[19]. Bereits im ersten Jahr der Gültigkeit des Leistungsauftrags zeigte sich allerdings, dass das Parlament grosse Mühe bekundet, sich mit der den B undesbahnen zugestandenen unternehmerischen Freiheit abzufinden. Anlässlich der Budgetberatung verlangte die Volkskammer, dass aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eine Wagenrevision früher vorzunehmen sei als von den SBB geplant. Dank der Standfestigkeit des Ständerates, welcher darauf beharrte, dass Arbeitsbeschaffungsmassnahmen zugunsten der Privatwirtschaft nicht über die SBB-Rechnung finanziert werden dürfen, konnte dieser `Sündenfall' vermieden werden
[20].
In betrieblicher Hinsicht stellte die Einführung des integralen
Taktfahrplans auf dem Netz der SBB und auch der meisten Privatbahnen und Autobusbetriebe das herausragende Ereignis des Jahres 1982 dar. Die von einer umfassenden Werbekampagne begleitete radikale Fahrplanumgestaltung wurde, trotz nicht zu überhörender kritischer Stimmen, mehrheitlich positiv beurteilt. Dazu trug sicher auch die Angebotserweiterung um durchschnittlich 20 % bei, deren Mehrkosten dank der verbesserten Nachfrage bisher zum Teil, später wohl voll aufgefangen werden können
[21]. Wie bereits früher erwähnt, möchten die SBB ihr Angebot auch durch Fahrzeitverkürzungen zwischen den grossen Bevölkerungszentren attraktiver gestalten. Die dazu erforderliche neue Streckenführung würde zugleich bestehende Kapazitätsengpässe zum Verschwinden bringen. Die in erster Priorität vorgesehene neue Linie von Basel über Olten nach Bern stösst allerdings im Oberaargau vor allem in Kreisen der Landwirtschaft auf heftige Opposition
[22]. Mit der Revision des Eisenbahngesetzes soll den Bahnen ein modernes Planungsinstrument in die Hand gegeben werden. Erleichtert wird damit insbesondere die vorsorgliche Sicherung von Grundstücken. Nach dem National- stimmte nun auch der Ständerat den neuen Bestimmungen zu, wobei er allerdings die Einspracherechte der betroffenen Grundeigentümer etwas ausbaute
[23].
Dass die Eidgenossenschaft
Bahnprojekte im Ausland unterstützt ist zwar kein Novum, kommt aber doch eher selten vor. Da die Schweiz ein vitales Interesse an leistungsfähigen Zufahrtslinien hat, beteiligte sie sich bereits in den fünfziger Jahren an derartigen Investitionen. Im Berichtsjahr beantragte der Bundesrat einen à-fonds-perdu-Beitrag von 40 Mio Fr. und ein zinsgünstiges Darlehen von 20 Mio Fr. zugunsten der Italienischen Staatsbahnen. Der Ständerat genehmigte diesen Kredit, der helfen soll, einen zweiten Monte Olimpino-Tunnel (südlich von Chiasso) zu bauen
[24].
Die Rechnungsabschlüsse der nicht bundeseigenen Bahnen (sogenannte
Privatbahnen) leiden weiterhin darunter, dass die Abgeltungszahlungen für ihre gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht wie bei den SBB erhöht, sondern im Rahmen der linearen Subventionskürzungen sogar reduziert worden sind. Die vom Parlament verlangte Umwandlung dieser Entgelte von Subventionen in öffentlichrechtliche Entschädigungen will der Bundesrat 1984 durchführen; für 1983 gilt aber, trotz eines gegenteiligen Antrags von Nationalrat Weber (sp, TG), noch einmal die zehnprozentige Kürzung
[25]. Wie die Volkskammer begehrt auch der Ständerat mit einer Motion die Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlagen für die Abgeltung. Stossend bei der aktuellen Regelung wirkt sich die Bevorzugung der SBB aus, werden dieser doch der Fehlbetrag des gesamten Regionalverkehrs, den Privatbahnen jedoch nur derjenige des Berufs- und Schülerverkehrs als gemeinwirtschaftliche Leistung abgegolten
[26].
Im Streit zwischen der Waadtländer Regierung und dem EVED über die
Beibehaltung der Privatbahn Aigle–Sépey–Les Diablerets konnte noch keine befriedigende Lösung gefunden werden. Die Bundesbehörden verlangen nach wie vor die Umstellung dieser gemessen am Passagieraufkommen drittkleinsten aller Bahnen auf Autobusbetrieb. Wenn der Kanton Waadt hingegen am unwirtschaftlicheren Bahnbetrieb festhalten wolle, so müsse er auf Bundessubventionen verzichten
[27].
Der
Furka-Basistunnel konnte als wintersichere direkte Verbindung zwischen den Kantonen Wallis und Uri in Betrieb genommen werden; die alte Passlinie über Gletsch wurde gleichzeitig aufgehoben. Der umstrittene Tunnelbau zeitigt bereits erste Folgekosten: Nationalrat Columberg (cvp, GR) verlangt mit einem überwiesenen Postulat verstärkte Bundeshilfe für die weitere Verbesserung der Wintersicherheit dieser Bergbahn mittels Lawinenverbauungen u.ä.
[28].
[18] Rechnung 1981: BBl, 1982, II, S. 291 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 745 ff.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 196 ff.; BBl, 1982, II, S. 487. Rechnung 1982: NZZ, 104, 5.5.83. Budget 1983: BBl, 1982, III, S. 727 ff.; Amtl. Bull. NR, 1982, S.1605 ff.; 1722 ff. und 1765 f.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 669 ff. und 705; BBl, 1982, III, S. 1166 f.
[19] SPJ, 1981, S. 106 f.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 33 ff., 153 und 180; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 230 ff. und 436; AS, 1982, S. 310 ff. und 1225 f.
[20] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1605 ff., 1722 ff. und 1765 ; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 669 ff. und 705 f. ; 24 Heures, 286, 8.12.82; Bund, 294, 16.12.82. Vgl. als Beispiel für versuchte politische Interventionen in (lie SBB-Geschäftspolitik auch die Interpellation Gloor (sp, VD) in Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1477 f.
[21] Presse vom 24.5.82; Bund, 251, 27.10.82. Kritik und Fahrplanwünsche: Woche, 20, 21.5.82; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 561 ff.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 202 ff.
[22] Bund, 15, 20.1.82; 113, 17.5.82. Unter Federführung der Jungen SVP wurden für eine Petition gegen das Projekt 15 000 Unterschriften gesammelt (SZ, 158, 10.7.82). Siehe auch die vom VCS präsentierte Variante für die Linienführung (VCS-Zeitung, Nr. 2, 1982). Vgl. Im weitern SFJ, 1981, S. 107.
[23] Der Nationalrat schloss sich der Fassung der Kleinen Kammer an (SPJ, 1981, S. 107 f.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 340 ff. und 558; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1116 f. und 1480; BBl, 1982, III, S. 149 f.).
[24] BBl, 1982, III, S. 49 ff.; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 570 ff.
[25] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1798; vgl. auch SPJ, 1981, S. 108. Im in die Vernehmlassung gegebenen Entwurffür ein neues Subventionsgesetz figurieren hingegen die Abgeltungen weiterhin als Subventionen (NZZ, 164, 9.7.82; LITRA, Jahresbericht 1981/82, S. 19).
[26] Amtl. Bull. StR, 1982, S. 53 ff. Siehe ebenfalls SPJ, 1981, S. 108 sowie Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1798. Die Höhe der Abgeltungszahlung an die Privatbahnen richtet sich zudem nach den Kriterien Verkehrsmarkt und Verkehrswegeinvestitionen.
[27] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1821 ff.; Lib., 231, 8.7.82; TLM, 189, 8.7.82. Vgl. auch SPJ, 1981, S. 108.
[28] Eröffnung: Presse vom 24.6.82 und L. Schlumpf, «Die Eröffnung des Furkatunnels », in Documenta, 1982, Nr. 2, S. 24. Wintersicherheit: Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1440 f.; BaZ, 140, 19.6.82.
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