Année politique Suisse 1982 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Medienpolitische Grundfragen
Mit dem Gegendarstellungsrecht wird eine der Forderungen der Motion Binder (cvp, AG) erfüllt, die 1982 nun auch vom Nationalrat überwiesen wurde. Diese will die Funktion der Presse betreffend Information und öffentlicher Kontrolle sicherstellen und verlangt eine Überprüfung der Geheimhaltungsvorschriften und der Geheimhaltungspraxis der Bundesbehörden
[5]. Die Kommission Kopp befürwortete eine radikale Umkehr der bisherigen Doktrin und schlägt vor, vom Grundsatz der öffentlichen Verwaltung mit Statuierung einer Informationspflicht der Behörden auszugehen. Das Bundesgericht hingegen tendiert in die andere Richtung. In Bestätigung der Urteile der Vorinstanzen. zu Indiskretionsfällen aus parlamentarischen Kommissionen gelangte es zum Schluss, dass Geheimhaltung immer dann angebracht ist, wenn Gesetz oder Behörden dies bestimmen, und zwar unabhängig davon, ob die bekanntgegebene Tatsache wirklich geheim bzw. für die Offentlichkeit bestimmt gewesen sei oder nicht. Der Verband der Schweizer Journalisten (VSJ) kritisierte, dass damit das Bundesgericht einem fragwürdigen Geheimnisbegriff den Vorzug gegenüber der Pressefreiheit gegeben habe
[6].
Die nationalrätliche Kommission für eine Parlamentsreform sprach sich ihrerseits für eine offene
Information über die Arbeit der Kommissionen aus, lehnte jedoch eine Öffentlichkeit der Sitzungen wie auch die Zulassung der Presse zu Hearings ab. Die auch 1982 nicht abreissenden Indiskretionsfälle sind für die Bundesverwaltung zwar lästig, rechtfertigen aber nach ihrer Ansicht keine radikalen Massnahmen. Die in einem Falle eingeschaltete Bundesanwaltschaft, die bei der Besetzung von heiklen Positionen in der Verwaltung auch Informationen über die politische Vergangenheit eines Bewerbers einzieht, möchte vor allem den Aktenfluss in der Verwaltung selbst eindämmen, wozu sich die Bundeskanzlei allerdings skeptisch äusserte. Vizekanzler Casanova gab im weitem zu verstehen, die Erläuterungen des Bundesrats zu eidgenössischen Abstimmungen müssten nicht in dem Sinne ausgewogen sein, dass den Gegnern der Vorlage gleich viel Platz eingeräumt wird wie der Landesregierung. Diese habe fast keine anderen Möglichkeilen, ihre Meinung vor dem Urnengang nach aussen zu vertreten
[7].
[5] Motion Binder (cvp, AG): Amtl. Bull. NR, 1982, S. 222 ff.; Vat., 53, 5.3.82; 24 Heures, 53, 5.3.82; TA, 79, 5.4.82; vgl. SPJ, 1981, S. 163. Der StR genehmigte seinerseits die bereits vom NR überwiesene Motion Jelrnini (cvp, TI) betr. Überprüfung der Aktenklassifikation: Amtl.Bull.StR, 1982, S. 58 f.; BaZ, 24, 29.1.82; vgl. SPJ, 1981, S. 163, Anm. 21. Die Kommission des NR zur Behandlung der pari. Initiative Bäumlin (sp, BE) betr. Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende beantragte, der Initiative keine Folge zu geben und das Anliegen im Zusammenhang mit einer umfassenderen Medienrechtsrevision zu lösen (NZZ, 148, 30.6.82; vgl. SPJ, 1981, S. 163).
[6] Kommission Kopp: NZZ, 80, 6.4.82; TA, 174, 30.7.82; vgl. SPJ, 1980, S. 158. Bundesgericht: NZZ, 15, 20.1.82; 83, 10.4.82; Vat., 15, 20.1.82; Ww, 3, 20.1.82; Bund, 38, 16.2.82; 256, 2.11.82. Zur Beurteilung standen Indiskretionen um ein SRG-Papier der Geschäftsprüfungskommission (vgl. SPJ, 1979, S. 164 ; 1980, S. 159) sowie im «Fall Nef» (vgl. SPJ, 1980, S. 159).
[7] Kommissionssitzungen: NZZ, 93, 23.4.82; 121, 28.5.82; vgl. SPJ, 1981, S. 164 und oben, Teil I, 1c (Parlament). Die Kommission beantragt, der pari. Initiative Gerwig (sp, BS; vgl. Verhandl. B. vers., 1982, V, S. 13) betr. Gewährleistung von Pressefreiheit und Redaktionsgeheimnis im Geschäftsreglement des NR keine Folge zu leisten, da bereits andere Vorstösse in dieser Sache traktandiert oder überwiesen worden sind. Prävention von Indiskretionen: TA, 174, 30.7.82. Casanova: NZZ, 243, 19.10.82; 260, 8.11.82. Anlass zu dieser Feststellung war der Protest der Initianten, des LdU und der SP gegen die ihrer Meinung nach einseitigen Darstellung der Volksinitiative zur Preisüberwachung in den offiziellen Abstimmungserläuterungen.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.