Année politique Suisse 1983 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Unternehmer
Offizielle Stellungnahmen der Unternehmerverbände von Industrie und Handel bemühten sich auch 1983 um die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Privatwirtschaft und Staat. Dabei wurde die Aufrechterhaltung des Konsenses beschworen, eine «möglichst umfassende Kongruenz» der Handlungen von Staat, Notenbank und Wirtschaft postuliert
[9]. Als Voraussetzung galt jedoch, dass sich die Behörden auf die Schaffung und Erhaltung günstiger Rahmenbedingungen beschränken und nicht in die eigentlichen Unternehmerfunktionen eingreifen. So wandte sich der
Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins (SHIV) gegen eine Subventionierung des Innovationsrisikos, wie sie das EVD anstrebte
[10]. Sein Präsident, L. von Planta, empfahl vielmehr dem Staat, die Innovation namentlich durch Unterstützung der Grundlagenforschung und der Ausbildung zu fördern. Ein stärkeres öffentliches Engagement wünschte er dagegen bei der Schaffung besserer Ausgangsbedingungen für die Ausfuhr ; Regierung, Industrie und Banken sollten ein neues Konzept für die langfristige Exportfinanzierung ausarbeiten, das den Konkurrenznachteil, der den Exporteuren aus protektionistischen Massnahmen des Auslandes (zinsverbilligte Exportkredite) erwächst, auszugleichen hätte
[11]. Eine «Strategie zur Rückdämmung des Protektionismus», die im Rahmen von EG und EFTA wie auch weltweit anzuwenden wäre, entwickelte G. E. Grisard, Präsident der Vereinigung des schweizerischen Import- und Grosshandels, am 50jährigen Jubiläum seines Verbandes
[12].
Im eigenen Hause, vor der Generalversammlung des Chemie-Konzerns Ciba-Geigy, nahm L. von Planta den Staat noch für eine andere Aufgabe in Anspruch : er solle helfen, die vielfach feindliche Einstellung der Gesellschaft gegenüber der Industrie «auf einen rationalen Boden zu bringen». Auf die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Umwelt wies auch der Präsident des
Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO), F. Halm, an dessen 75-Jahr-Feier hin. Er bezeichnete sie aber als neue Aufgabe seines Verbandes, und zwar für Jahrzehnte
[13]. Dass Einstellungen und Lebensgewohnheiten in der wirtschaftlichen Führungsschicht nicht einheitlich sind, liess eine Meinungsumfrage erkennen
[14].
Eine Kollision zwischen Verbands- und Unternehmerinteresse veranlasste den SHIV zu einer Revision seiner statutarischen Amtszeitbeschränkung. Da der für die Nachfolge im Präsidium vorgesehene Kandidat von seiner Firma nicht freigegeben wurde, betraute die Delegiertenversammlung von Planta für eine dritte Vierjahresperiode mit dem Vorsitz, nachdem sie eine entsprechende Statutenänderung genehmigt hatte
[15].
Aus grösserer Distanz beurteilte die Interessenorganisation des
Bankwesens ihr Verhältnis zum Staat. Anerkennend registrierte man die Ablehnung einer Bankkundensteuer durch das Parlament, recht gute Noten erhielt der Expertenentwurf für ein neues Bankengesetz, befriedigt zeigte man sich auch über die Geld- und Währungspolitik der Nationalbank. Mit mehr Bedenken wurde der Entwurf für die Revision des Aktienrechts aufgenommen. Der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, A. E. Sarasin, glossierte ironisch den «unerschütterlichen Glauben an die wirtschaftliche und administrative Belastbarkeit des Bankensektors». Einen Volleinsatz verlangte er von seinem Berufsstand zum Kampf gegen die sozialdemokratische Bankeninitiative. Durch Weiterbildung solle das Personal instand gesetzt werden, dabei mitzuwirken. Der Jahresbericht des Verbandes betonte, es gehe jetzt nicht mehr um die Frage, ob die Schweizer Banken zu stark seien, sondern darum, sie stark zu erhalten. Als neuen harten Konkurrenten im Zahlungsverkehr bezeichnete der Bericht die PTT
[16]. Das Konzept einer staatlichen Innovationsrisikogarantie lehnte die Bankiervereinigung weniger entschieden ab als der Vorort; in der Presse wurde dies mit einer positiveren Bewertung seitens der Kantonalbanken erklärt
[17].
Im Spitzenverband des Gewerbes war trotz der Wachtablösung im Vorjahr keine wesentliche Kursänderung festzustellen. Wohl bestätigte der neue Präsident des
Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), Ständerat M. Kündig, seinen vermittelnden Stil; mit diesem kontrastierte dagegen weiterhin die hemdsärmlig-angriffige Haltung des Verbandsdirektors M. Kamber. Einig war man sich in der Klage über die administrativen Belastungen der Betriebe durch gesetzliche Vorschriften. Der Verbandspräsident anerkannte aber ausdrücklich die Rolle des Staates als Auftraggeber für das Gewerbe, und er befürwortete auch gewisse staatliche Schutzmassnahmen, etwa gegen den Bau von Einkaufszentren. Damit nahm er auf die bedrängte Lage im Bausektor und im Detailhandel Rücksicht
[18]. Wenn jedoch der Schweizerische Baumeisterverband den Energieartikel wegen der in ihm vorgesehenen baulichen Massnahmen begrüsste, so wandte sich die Gewerbekammer, nicht zuletzt aus Furcht vor zusätzlichen Staatsausgaben, mit grosser Mehrheit gegen ihn
[19]. In Fragen der Lohn- und Arbeitszeitpolitik (Teuerungsausgleich, Lohnhöhe bei Arbeitszeitverkürzung) verlangten die Sprecher des Gewerbes möglichst differenzierte Lösungen
[20].
[9] Vgl. Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 113/1982-83, S. 11 f., sowie L. von Planta an der Delegiertenversammlung desselben Verbandes (SAZ, 38, 22.9.83); ferner wf, Kurzkommentare, 9, 28.2.83. Zum Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat vgl. SPJ, 1980, S. 199; 1981, S. 208 f.; 1982, S. 207.
[10] wf, Dok., 25, 20.6.83; 30/31, 25.7.83; vgl. auch L. von Planta an der Generalversammlung von Ciba-Geigy (wf, Dok., 23, 6.6.83) und P. Borgeaud am 100jährigen Jubiläum des Vereins schweiz. Maschinen-Industrieller (NZZ, 17.8.83). Zur Innovationsrisikogarantie vgl. oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[11] wf, Dok, 38, 19.9.83; ferner NZZ, 17.9.83. Vgl. auch SPJ, 1982, S. 207.
[12] BaZ, 30.11.83; NZZ, 30.11.83.
[13] Von Planta: wf, Dok., 23, 6.6.83. Halm: SAZ, 22, 2.6.83. Zu seinem Jubiläum veröffentlichte der ZSAO: Profile der Arbeitgeber-Politik. 75 Jahre Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, 1908-1983, Zürich 1983; Schweizerische Arbeitgeber-Verbände 1908-1983, Sonderdokumentation, Sondernummer SAZ, 1983.
[14] Die Umfrage wurde von einem Informationsbulletin für Unternehmer veranlasst und von knapp der Hälfte der 750 Befragten beantwortet (Informations privées, 21-23, 27.5.-9.6.83; vgl. Suisse, 18.4.83; 12.u.13.7.83).
[15] NZZ, 17.9.83. Die Amtsdauer des Präsidenten, bisher auf 8 Jahre begrenzt, kann künftig ausnahmsweise auf 12 Jahre erweitert werden.
[16] Vgl. Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 71/1982-83, S. 7 ff., 51 ff., 136 ff.; A. E. Sarasin am Bankiertag (NZZ, 1.10.83; wf, Dok., 42, 17.10.83). Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Aktienrecht), 4b (Geldmenge, Banken), 5 (Einnahmen).
[17] Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 71/1982-83, S. 128 ff.; Suisse, 15.9.83. Vgl. oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[18] Kündig: vgl. Interview in LNN; 22.2.83. Kamber: vgl. NZZ; 10.2.83. Administrative Belastungen: vgl. auch Suisse, 6.3.83 (Gespräch mit dem stellvertretenden Verbandsdirektor A. Oggier). Vgl. ferner SPJ, 1982, S. 208 f.
[19] Baumeisterverband: BaZ, 5.2.83. Gewerbekammer: SGZ; 2, 13.1.83; vgl. NZZ, 10.2.83. Vgl. femer oben, Teil I, 6a (Conception globale de l'énergie).
[20] So M. Kündig in LNN, 22.2.83 und E. Grimm, Zentralpräsident des Schweiz. Baumeisterverbandes, nach NZZ, 27.5.83. Vgl. dazu oben, Teil I, 7a (Salaires, Durée du travail).
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