Année politique Suisse 1983 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Parlament
Die Reform von Funktion und Arbeitsweise des Parlaments, die sich auf den 1978 vorgelegten Bericht einer Studienkommission gründet, konnte 1983 einen Teilerfolg, verzeichnen. In der Sondersession vom Februar folgte der Nationalrat im wesentlichen den Vorschlägen für eine Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes, die seine zuständige Kommission im November 1981 unterbreitet hatte. Danach sollten die Parlamentarier ihre Interessenbindungen offenlegen und in den Ausstand treten, falls ein Geschäft ihre persönlichen Interessen tangiere. Ferner wurde die eidgenössische Verwaltungstätigkeit eines Parlamentariers mit seinem Einsitz in Kommissionen, welche entsprechende Verwaltungsfunktionen zu kontrollieren haben, für unvereinbar erklärt. Strafverfahren gegen Beamte, die vor parlamentarischen Kommissionen aussagen, dürften erst nach deren Anhörung eröffnet werden. Dem Anschwellen der Zahl parlamentarischer Initiativen wollte der Rat mit einer Vorprüfung durch die zuständige Kommission entgegenwirken. Der Ständerat stimmte im September den meisten dieser Reformpunkte zu. Die Ausstandsbestimmung ging ihm freilich zu weit; im Falle einer Interessenbindung sollte das betroffene Ratsmitglied jeweils bloss darauf hinweisen. In der Wintersession schloss sich der Nationalrat dieser Abschwächung an ; einige geringfügige Differenzen konnten erst im Frühjahr 1984 bereinigt werden [24].
Die zügige Durchführung der Teilreform wurde in der Öffentlichkeit gelobt, doch wies man zugleich auf noch kaum bewältigte Grundmängel in der Parlamentsarbeit hin. Der Regelung für die Interessenbindungen wurde von einzelnen Kritikern eine blosse Alibifunktion zuerkannt; der Lobbyismus werde durch sie kaum eingeschränkt. Die 1.979 eingerichteten Fragestunden im Nationalrat hatten zwar die Zahl der schriftlichen einfachen Anfragen reduziert, aber die anderen parlamentarischen Vorstösse waren weiter im Zunehmen begriffen und belasteten das Ratspensum [25]. So wurde 1983 wiederum eine Sondersession eingeschaltet, und zum selben Mittel griff man — gegen anfängliches Widerstreben des Ständerates — für 1984 [26]. Ablehnend verhielt sich die Volkskammer gegen Begehren parlamentarischer Kleingruppen oder Einzelvertreter nach besserer Berücksichtigung in den Kommissionen [27].
 
[24] Zur Vorgeschichte vgl. SPJ, 1979, S. 26 f.; 1981, S. 23; 1982, S. 16. Ratsverhandlungen : Amtl. Bull. NR, 1983, S. 71 ff. u. 1798 ff.; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 481 ff.; NZZ, 9.3.84; 14.3.84; BBl, 1984, I, S. 892 ff.
[25] Alibifunktion: Vat., 3.2.83 (NR Gerwig, sp, BS); Ww, 49, 8.12.83. Fragestunden und parlamentarische Vorstösse: SZ, 4.11.83; vgl. dazu SPJ, 1981, S. 23. Zur Belastung und Arbeitsweise des Parlaments, insbes. auch über die Entwicklung der parlamentarischen Dienste vgl. NZZ, 30.9.83; 13.10.83.
[26] Beschluss über Sondersession für 1983 (Februar): Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1520; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 607; für 1984 (Mai): Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1791 f., 1808; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 700, 705 f. Vgl. SPJ, 1981, S. 23 f.
[27] Parlamentarische Initiative Carobbio (psa, TI) für Vertretung jeder Fraktion in allen Kommissionen (Amtl. Bull. NR, 1983, S. 105 ff.) und Motion Brélaz (gpe, VD) für Berücksichtigung auch der Fraktionslosen (Amtl.Run. NR, 1983, S. 110 ff.). Vgl. SPJ, 1979, S. 27.