Année politique Suisse 1983 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung / Landesverteidigung und Gesellschaft
Als Rahmen für die materielle Weiterentwicklung der Landesverteidigung hatte der Chef des EMD mit Spitzenvertretern der Armee gegen Ende 1982 ein neues Armeeleitbild der Offentlichkeit vorgestellt
[6]. In der Folge war dieses einer überraschend intensiven Grundsatzdiskussion ausgesetzt. Ausgelöst wurde sie von der SP-Fraktion der Bundesversammlung, in deren Namen Ständerat E. Belser (BL) eine Motion lancierte und damit eine parlamentarische Diskussion über das Leitbild bewirkte. Längerfristig gesehen lässt sich der Vorstoss in die sozialdemokratische Kritik an einer «Grossmachtarmee im Taschenformat» einordnen. Unmittelbar ging das Anliegen von der Befürchtung aus, bestimmte hochtechnisierte und deshalb sehr teure Waffensysteme nähmen stets an Gewicht zu und würden die ausreichende Bewaffnung und den genügenden Schutz der Infanterie erschweren. Vom Bundesrat, der den Vorstoss als Postulat entgegennahm, wünschten die SP-Parlamentarier eine Überprüfung der Frage, ob die Armee nicht eine bessere Wirkung verspreche, wenn sie sich auf den Kampf der zahlenmässig bedeutsamen Infanterie und auf die Stärken des Geländes konzentriere
[7].
Den Hintergrund zentraler Argumente des SP-Vorstosses bildete eine von Divisionär A. Stutz, Leiter der militärwissenschaftlichen Abteilung der ETH Zürich, propagierte Alternative. Zwischen 1981 und 1983 hatte er sie mit Genehmigung seiner Vorgesetzten mehrmals auch parlamentarischen Fachgremien vorgetragen. Sie orientiert sich an raumdeckenden Konzepten, welche im Ausland entwickelt worden sind, und fordert den Primat des Infanterieheeres, weil es den Kampfraum frei wählen und damit aufgeeignetes Gelände beschränken könne. Beim Erzwingen von militärischen Entscheidungen hätten die anderen Zweige der Streitkräfte nur eine unterstützende Funktion auszuüben. Aus den Vorschlägen von Divisionär Stutz ergäben sich finanziell keine Veränderungen; hingegen betont der Autor, durch die Verlagerung der Mittelkonzentration könnte ein verbessertes Kosten/Nutzen-Verhältnis erreicht werden. In zeitlicher Perspektive betrachtet, knüpfte Divisionär Stutz an Überlegungen an, welche eine wesentliche Komponente der Konzeption der schweizerischen Landesverteidigung von 1966 bildeten
[8]. Der Generalstabschef der Armee, Korpskommandant J. Zumstein, betonte jedoch, der technologische Ausbau, wie er in den Leitbildern 80 und 90 vorgesehen ist, sei unerlässlich. Einem potentiellen Feind sei es heute durch den Einsatz geeigneter, elektronischer Mittel möglich, alles zu orten und zu vernichten. Deshalb sei die Rolle der Infanterie einer Prüfung unterzogen, konzeptionell der Verbund aller Waffen ins Zentrum gerückt sowie die Beweglichkeit und die militärische Aggressivität neu betont worden
[9].
[6] Vgl. SPJ, 1982, S. 43f.
[7] StR-Kommission: NZZ, 12.1.83; 5.2.83. NR-Kommission: NZZ, 28.1.83; TA, 29.3.83. StR-Debatte: Amtl. Bull. StR, 1983, S. 147 ff. Vgl. dazu TA, 9.2.83; Ww, 5, 9.2.83; 5.3.83; 17.3.83; NZZ, 25.2.83; 26.2.83; TW, 23.4.83.
[8] A. Stutz, Raumverteidigung. Utopie oder Alternative, Zürich 1982; vgl. auch TA, 6.10.83. Konzeption von 1966: SPJ, 1966, S. 34 f. Vgl. auch A. Ernst, Die Konzeption der Schweizerischen Landesverteidigung von 1815 bis 1966, Frauenfeld 1971.
[9] Ww, 4, 2.2.83; NZZ, 25.2.83; 26.2.83; TA, 5.3.83. Vgl. auch G. Hochauer, «Die Raumverteidigung auf dem Prüfstand», in ASMZ, 149/1983, S. 256 ff.; L. Carrel, «Sowjetische Blitzkriegtheorie », in ASMZ, 149/1983, S. 545 ff.; H. Senn, «Sind Struktur und Einsatzkonzeption unserer Armee überholt?», in ASMZ, 150/1984, S. 7 ff. u. S. 67 ff.
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